Wie seltsam! Eben noch hatte das Kindergartenkind – manchmal ein Mädchen, manchmal ein Junge – ganz ungestört vor sich hin gebastelt. Da kam plötzlich ein erwachsener Mensch – manchmal eine Frau, manchmal ein Mann – in den Raum und hockte sich in eine andere Ecke. Erst hantierte sie oder er dort ein wenig mit den herumliegenden Bauklötzen, um sich dann aber einem aufblasbaren Clown namens Bobo zuzuwenden. Erstaunt beobachtete das Kind, wie dieser Mensch nun anfing, Bobo abwechselnd mit der Faust und einem Holzhammer zu schlagen, ihn zu treten und durch die Luft zu schleudern und dieses cholerische Tun auch noch hitzig zu kommentieren: „Hau ihm auf die Nase! Tritt ihn!“
Aggressives Verhalten färbt auf Kinder ab
Wenig später holte die Experimentatorin das Kind ab und führte es in einen anderen Raum, wo sie sich an einen Schreibtisch setzte und still in ihren Unterlagen herumkritzelte. Das Kind hatte unterdessen eine große Auswahl von Spielsachen zur Auswahl, darunter Wachsmalstifte und Papier, Autos, Bauernhoftiere und – so ein Zufall! – eine aufgeblasene Bobo-Puppe samt Holzhammer.
Es bestätigte sich, was das von Albert Bandura geleitete Forschungsteam hatte kommen sehen: Das rabiate Verhalten des erwachsenen Verhaltensvorbilds färbte auf die Kinder ab. Sowohl die Jungen als auch die Mädchen agierten nun in ihrem eigenen Spiel aggressiver als Altersgenossen in einer Vergleichsgruppe, in der das erwachsene Modell friedlich gespielt hatte. Von männlichen Vorbildern kopierten die Kinder vor allem die physische, von weiblichen die verbale Aggression.
Für Bandura war das Experiment der Auftakt zu seiner Theorie des sozialen Lernens. Bis heute wird der Versuch kontrovers in der Mediendebatte angeführt: Haben Gewaltdarstellungen in Filmen und Videospielen einen Nachahmungseffekt auf Kinder?
Noch mehr Meilensteine der Psychologie: Aggression
2018 Anna Prescott bestätigt den Einfluss gewalttätiger Videospiele auf Aggression
2002 Craig Anderson beschreibt Aggression als Wechselwirkung von Person und Situation
1963 Konrad Lorenz sieht Aggression als angestaute Energie (Dampfkesselmodell)
1939 John Dollard entwickelt die Theorie, dass Frustration Aggression erzeugt
1920 Sigmund Freud führt Aggression auf einen Todestrieb zurück