Das Treppenhaus einer Altbauwohnung im Dortmunder Süden. Dritter Stock. An der Tür hängt ein Salzteigschild mit der Aufschrift „Hier leben, lieben, lachen und streiten Volker und Kerstin“. Patrick Salmen steht mit seiner Frau davor – und ist geneigt zu brechen. Mit dieser Szene beginnt der Poetry-Slammer, Autor und Kabarettist seine Nummer Der Raclette-Abend. Eine Nummer über „ein Phänomen, mit dem ich ein wenig überfordert bin“, murmelt Salmen in sein Mikrofon und legt eine bedeutungsschwangere Pause…
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eine bedeutungsschwangere Pause ein. „Pärchenabende. Das endet immer im Chaos, und zum Schluss stirbt einer.“ Das Publikum lacht. Salmen – hipper Vollbart, rote Kappe, Holzfällerhemd – grinst und kehrt zurück zum Salzteigschild: „In meinem Kopf schweben zwei Gedanken. Erstens: Ich hasse mein Leben. Zweitens: Vorurteile über Pärchenabende sind wie Gitarristen vor dem Auftritt. Sie stimmen.“ Das Publikum lacht lauter. Hunderttausende haben das Video dieses Auftritts auf YouTube gesehen, Tausende auf den Button mit dem hochgereckten Daumen geklickt.
Egal ob Kabarett, Kino, Theater oder Literatur – das Aufeinandertreffen zweier Paare dient gerne als Vorlage für satirische Scherze und hämischen Spott. Dabei ist die Paarfreundschaft weit mehr als eine Lachnummer. Die Begegnung zwei plus zwei lässt uns wachsen, bereichert unser Leben und stärkt unsere Beziehung – oder führt zu Tragödien. Trennt sich ein Paar, eckt ein neuer Partner an oder kommt Neid ins Spiel, zeigt sich, wie komplex und fragil diese Konstellationen sind. Wer um ihre Besonderheiten weiß, kann die Fallstricke vermeiden.
Bastion gegen die Vereinzelung
„Das Bedürfnis, uns mit anderen zu verbünden, ist tief in uns verwurzelt“, sagt die Kölner Paartherapeutin Marina Gardini. „Wir brauchen den Zusammenschluss mit Freunden – auch als Paar.“ Das gilt besonders für westliche Gesellschaften. Denn sie sind geprägt von „einer Abkehr vom gemeinschaftsorientierten Leben, hin zu einem zunehmenden Maß an Privatisierung und Individualismus“, wie der Familienforscher Allen Barton von der University of Georgia beobachtet. Dieser Kulturwandel zieht nach sich, dass Paare selten ein Teil größerer Gemeinschaften sind, etwa der Kirche oder des Dorfs. Entsprechend bedeutsamer wird die Rolle von kleineren sozialen Einheiten. Einheiten wie der Freundschaft im Doppelpack. Das zeigt auch eine der wenigen wissenschaftlichen Untersuchungen, die sich mit dieser Konstellation beschäftigen. Mehr als 400 Personen haben Geoffrey Greif und Kathleen Holtz Deal, Professoren an der University of Maryland School of Social Work, für ihr Buch Two Plus Two. Couples and Their Couple Friendships interviewt. 78 Prozent der 246 vergebenen Personen in der Stichprobe gaben an, die Freundschaft mit anderen Paaren sei ihnen wichtig oder sogar sehr wichtig.
Hätten die Wissenschaftler Hanna Driefer dazu befragt, sie hätten die gleiche Antwort erhalten. Als die 32-Jährige bei einem Grillfest auf Cordula und Andreas trifft, Freunde ihres neuen Freundes Matthias, schießt ihr ein Satz in den Kopf: „Die sind es.“ Aufgeschlossen erscheinen ihr die beiden, unkompliziert, herzlich. Zwei begeisterte Kletterer und Fans gepflegter Schafkopfrunden. „Ich hätte vorher gar nicht sagen können, dass mir etwas fehlt. Erst als ich die zwei kennengelernt habe, ist mir bewusstgeworden, dass ich das vermisst habe: ein eng befreundetes Paar.“ Ein Gespann mit ähnlichen Interessen, Werten und Themen. Ein doppeltes Gegenüber für Urlaubsfahrten, Wochenendausflüge und den ein oder anderen bierseligen Abend.
Pärchenabend statt Cliquengrillen
Geht es nach Greif, haben sich die vier zur richtigen Zeit gefunden. „Paarfreundschaften spielen im Laufe des Lebens mal eine größere, mal eine kleinere Rolle. Am wichtigsten sind sie jedoch zu Beginn der ersten Ehe, wenn sich ein Paar neu als Paar definieren muss.“ Während die meisten Menschen in ihrer Jugend und den frühen Zwanzigern einzelne Freunde oder ganze Cliquen als Bezugspunkte haben, etablieren sich mit den ersten langfristigen und ernsthaften Beziehungen auch Paare im Freundeskreis. Sie dienten als Vergleichsbasis, so Greif, um die eigene Identität der Partnerschaft zu festigen, und spielten eine wichtige Rolle im sozialen Gefüge.
Paare in den mittleren Jahren hätten hingegen oft Schwierigkeiten, diese Freundschaften aufrechtzuerhalten. Neben Karriere, Kindern und pflegebedürftigen Eltern bleibt in der Rushhour des Lebens nicht viel Zeit, in soziale Kontakte zu investieren. „Sobald aber der Nachwuchs das Haus verlassen hat und die berufliche Position gesichert ist, haben Paare mehr Kapazitäten“, sagt Greif. „Ältere Menschen schätzen diese Art der Verbindung wieder sehr.“ Das gilt auch für das letzte Viertel des Lebens. Doch fällt es Ehepaaren dann zunehmend schwer, sich mit anderen zu vernetzen. „Wenn im Bekanntenkreis schon einige verwitwet sind und die Freunde immobiler werden, werden Paarfreundschaften seltener.“
Das andere Paar sollte uns ähnlich sein
Doch egal in welchem Alter – die Rechnung zwei plus zwei geht nicht immer auf. „Sie glauben, dass es schwer ist, einen echten Freund zu finden?“, fragt etwa Irene Levine, Psychologin an der New York University School of Medicine und Autorin eines Freundschaftsblogs. „Multiplizieren Sie diese Komplexität mit zwei und versuchen Sie dann, ein Paar zu finden, mit dem Sie und Ihr Partner harmonieren.“ Damit die Suche erfolgreich verlaufen kann, hilft es, vor allem auf eines zu achten: Ähnlichkeit. „In einer extrem pluralistischen Gesellschaft fühlen sich Paare in der Gegenwart ähnlicher Menschen wohler“, sagt Gardini. Buchliebhaber möchten mit Buchliebhabern, Triathleten mit Triathleten und FDP-Wähler mit FDP-Wählern ihre Freizeit verbringen. „Natürlich können auch Unterschiede bereichern, aber nur wenn sie nicht zu groß sind.“
Stimmen Wertevorstellungen, sozioökonomischer Status und Bildungshintergrund halbwegs überein, müssen sich schließlich auch noch die Erwartungen an die Freundschaft decken. So haben Greif und Holtz Deal herausgefunden, dass sich Paare in den USA zwischen zwei Polen bewegen: Spaßorientierung und emotionaler Teilhabe. „Die meisten Paare suchen ein anderes Paar, mit dem sie sich amüsieren können“, sagt Greif. „Ihre Freundschaft basiert auf gemeinsamen Aktivitäten und gleicht eher der Herangehensweise von Männern.“ Eine kleinere Gruppe von Paaren definiert ihre Freundschaft hingegen über Empathie und Selbstoffenbarung – dem typischeren Interaktionsstil von Frauen. Gardini nimmt an, dass dieses Verhältnis hierzulande ähnlich ausfällt. Denn: „Paarfreundschaften fokussieren sich oft auf Hobbys“, sagt die Psychologin. „Sie brauchen keine sonderliche Tiefe und beruhen nicht unbedingt darauf, dass man sich bei schweren Lebensereignissen unterstützt.“
Dass das kein Manko sein muss, erlebt Hanna Driefer. „Anfangs war ich etwas enttäuscht, weil die Gespräche oft bei banaleren Themen geblieben sind: den Jobs oder dem Sport.“ Mittlerweile hat sie akzeptiert, dass die Freundschaft im Quartett auf einer anderen Ebene sehr wertvoll sein kann. „Ich habe Freundinnen, mit denen ich über alles reden kann. Aber die würden nie mit mir unter freiem Himmel auf einem Berggipfel schlafen oder durch Steilwände klettern. Es ist wirklich bereichernd, diese Erlebnisse nicht nur mit Matthias zu teilen.“
Leidenschaftliche Liebe neu entfachen
Paarfreundschaften tun uns gut. „Menschen mit Freunden leben länger und glücklicher“, sagt Greif. „Denn Freunde halten uns auf Trab, sozial und geistig. Sie achten auf unsere Gesundheit und sorgen dafür, dass wir in Bewegung bleiben.“ Gefüttert mit aktuellen Studienergebnissen, ließe sich die Liste der Wohltaten noch eine ganze Weile fortsetzen: vom sinkenden Risiko für Bluthochdruck und Depressionen über ein gesteigertes Selbstwertgefühl bis hin zum gestärkten Immunsystem. Im Vergleich zur klassischen Sandkasten-, Fußball- oder Frühstücksfreundschaft hat die Konstellation aus zwei Paaren aber noch einen weiteren, entscheidenden Vorteil: Sie steigert die Beziehungsqualität. „Paare, die Freunde teilen, werden stärker in ein soziales Netzwerk integriert, und das kann ihre eigene Beziehung stärken“, schreiben Greif und Holtz Deal. „Wir glauben deshalb, dass Paare durch ihre Freundschaften mit anderen Paaren nicht nur viel Spaß haben, sondern sich auch gegenseitig mehr schätzen.“
Empirisch belegt wurde diese Vermutung durch den Psychologen Keith Welker an der University of Colorado Boulder. In einer Studie mit 176 Probanden untersuchte er, ob die Interaktion zwischen zwei Paaren das Gefühl von Nähe innerhalb der Partnerschaften verstärken kann. Tatsächlich zeigten seine Experimente, dass gemeinsame Aktivitäten die Zuneigung zwischen den jeweiligen Partnern erhöhen. „Paarfreundschaften können damit eine Möglichkeit sein, das Gefühl von leidenschaftlicher Liebe in romantischen Beziehungen neu zu entfachen“, schreibt Welker.
Neue und schöne Erfahrungen machen
Einen wichtigen Grund für diese Wirkung sieht der Forscher darin, dass wir uns als Vierergespann in Situationen begeben, denen wir uns als Paar allein nicht aussetzen würden. Nie hätten Hanna Driefer und ihr Freund Matthias Münch an einer Whiskeyverkostung teilgenommen, wäre Andreas nicht ein ausgesprochener Fan des Hochprozentigen. Nie hätten sie einen Surfkurs gebucht, hätte Cordula ihnen nicht von dem Gefühl vorgeschwärmt, auf den Wellen zu reiten. Mit zwei weiteren Menschen kommen neue Anregungen ins Freizeitleben, frische Ideen, die die vertrauten Muster eines eingespielten Duos durchbrechen. „Diese ungewohnten positiven Erfahrungen sind wichtig, um die Beziehungszufriedenheit zu fördern“, so Welker. „Darüber hinaus ermöglicht die enge Interaktion zwischen Paaren, dass sich die Partner selbst offenbaren.“ Wer seinen Liebsten in der Viererkonstellation erlebt, lernt ihn von einer anderen Seite kennen – und entdeckt vielleicht neue, attraktive Charakterzüge: seine Zuhörerqualitäten, seine Empathie oder das Talent, eine ganze Runde zu unterhalten.
Gleichzeitig geben uns befreundete Paare wichtige Rückmeldungen, an denen die eigene Beziehung wachsen kann. Nicht nur weil wir noch ein weiteres Exemplar des anderen Geschlechts aus nächster Nähe studieren können. „Als Paar sucht man sich selbst in den anderen“, sagt die Paartherapeutin Gardini, „und findet sich im Gegenüber wieder.“ Das befreundete Duo hält uns also den Spiegel vor – mit seinen charmanten und seinen befremdlichen Eigenheiten. Der Freund kann mitlachen, wenn die Liebste ihn veräppelt? Vielleicht könnte man sich selbst etwas weniger ernst nehmen. Die Freundin nennt ihren Mann in aller Öffentlichkeit Hasi? Niemals würde man sich selbst diese Blöße geben. „Wenn ein Paar mit einem anderen Paar interagiert, wird die eigene Beziehung neu überdacht“, weiß Greif. „Denn andere Paare dienen als Modelle. Sie bieten einen Einblick, wie Partner miteinander umgehen, und zeigen alternative Verhaltensweisen auf.“ So gibt die Begegnung zwei plus zwei Veränderungsimpulse – oder aber die Bestätigung, dass die eigene Partnerschaft im Vergleich gut bestehen kann.
Das „Like him, hate her“-Phänomen
Doch natürlich schlagen in solchen Konstellationen auch schwierige Erscheinungen auf, etwa das Like him, hate her-Phänomen. So bezeichnen Greif und Holtz Deal es, „wenn ein Paar mit einem anderen Paar befreundet ist, von dem es einen der beiden mag, den anderen aber nicht“. Variationen seien das Like him but don’t talk about politics- oder das Don’t get her started on her work-Syndrom. In diesen Fällen, das zeigt ihre Studie, versuchen Paare den Kontakt zu reduzieren oder sich nur noch in einer größeren Gruppe zu treffen. Ein Konfliktherd nicht nur für die Viererrunde, sondern auch für beide Partnerschaften. Denn: „Manchmal möchte der eine seine knappe Freizeit nicht für einen anstrengenden Kontakt opfern, der andere fühlt sich aber dem Freund zur Loyalität verpflichtet“, sagt Greif. Das zweite Paar wiederum muss damit umgehen, dass der oder die Neue nicht mit offenen Armen in den Kreis der Freunde aufgenommen wird. In manchen Fällen gelingt es dann, den Kontakt auf bestimmte Aktivitäten zu begrenzen. Findet sich gar keine gemeinsame Ebene, kann es eine Lösung sein, die Beziehung in einen Eins-zu-eins-Kontakt unter den Männern oder Frauen auszulagern. Doch auch dieser Schritt müsse behutsam erfolgen, meint Gardini: „Es ist sehr schwer zu ertragen, wenn der eigene Partner abgelehnt wird. Die Freizeit ist ein Luxusgut, da soll es reibungsfrei laufen.“
Noch schwieriger wird es, wenn größere Brocken in das Getriebe der Freundschaft gelangen: Lebenskrisen wie Arbeitslosigkeit, Krankheit – oder Trennung. Geht eine der Beziehungen in die Brüche, stellt das die Freundschaft des ganzen Quartetts auf die Probe. Wer hält zu wem, wenn der Abschied kein einvernehmlicher war? Wer trifft wen, wenn es die übliche Runde nicht mehr gibt? Und wer teilt welche Informationen, wenn plötzlich Fronten auftauchen, die es vorher nicht gab? Greif und Holtz Deal haben 58 geschiedene Personen und 123 Paare dazu befragt, was diese Herausforderungen mit ihrer Viererrunde machten. Über die Hälfte der Paare berichtete, dass die Freundschaft mit einem der beiden Expartner in die Brüche ging. Und 13 Prozent erlebten, dass der Kontakt sogar zu beiden Personen abbrach. Nicht ohne Grund, wie die Autoren vermuten: „Wer Eheprobleme hat, fühlt sich vielleicht unwohl im Beisein anderer Paare und zieht sich schon vorher zurück“, schreiben Greif und Holtz Deal. „Und nach der Scheidung muss sich das intakte Paar plötzlich stärker um die Freundschaft zu beiden bemühen – was nicht immer gelingt.“
Loyalitätskonflikte nach einer Trennung
Auch Hanna Driefer und Matthias Münch sind damit gescheitert. Als sich Eva und Kilian, ein weiteres Pärchen aus dem Freundeskreis, nach acht gemeinsamen Jahren trennten, versuchten sie zunächst, beide in ihrem Leben zu halten. „Eva konnte es aber irgendwann nicht mehr ertragen, dass ich ihren Exfreund weiter sehe“, erzählt Hanna. „Sie fand den Gedanken furchtbar, dass ich Informationen weitergeben könnte und dass ich mehr von ihm weiß als sie.“ Diesen Solidaritätskonflikt lösten Hanna Driefer und Matthias Münch, indem sich jeder auf die gleichgeschlechtliche Freundschaft konzentrierte. Doch auch diese Strategie ging nicht lange gut: „Zu viert haben wir uns zum Kochen und zu Spieleabenden getroffen“, sagt Matthias Münch. „Nach der Trennung wollte Kilian mit mir um die Häuser ziehen und sich ins Partyleben stürzen. Das war nichts für mich.“ Mittlerweile sind nur noch die beiden Frauen befreundet.
Ein typischer Verlauf, glaubt Psychologin Gardini. Denn wenn sich die Lebenssituation oder Interessenslage bei einem der Paare ändere, setze das viel Kooperationsbereitschaft und Einsatz bei allen Beteiligten voraus. „Alte Strukturen, Aktivitäten und Dynamiken passen dann einfach nicht mehr, und es wird schnell deutlich: Geht es nur um gemeinsame Aktivitäten oder auch um ein Interesse an den Menschen?“ Wem die Freundschaft etwas bedeutet, der sollte ihr ausreichend Zeit geben, sich auf einer neuen Ebene einzupendeln. Und akzeptieren, dass Geben und Nehmen – etwa nach einer Trennung – für eine Weile unausgeglichen sind.
Das gelingt leichter, wenn nicht alle Erwartungen auf dem (einstigen) Vierergespann lasten. Gardini rät deshalb, sich einen größeren Freundeskreis zu suchen: „Bei einer Gruppe aus vier bis sechs Paaren verlaufen sich viele Probleme, da gibt es Subgruppen, und das System ist nicht so leicht aus dem Gleichgewicht zu bringen.“ In diesem Kreis wird auch der unsympathische Neue leichter mitgezogen. Und nach einer Trennung fühlt sich die Singlefreundin nicht so schnell wie das dritte Rad am Moped. Neben unseren Paarfreundschaften sollten wir aber auch individuelle Zweierfreundschaften pflegen, meint Greif. „Alles auf eine Karte zu setzen kann riskant sein.“
Patrick Salmen würde dieser Einschätzung wohl sofort zustimmen – bei dem Gedanken an den Raclette-Abend mit Volker und Kerstin. „Es war immer eine meiner größten Ängste, nur noch Pärchen in meinem Bekanntenkreis zu haben.“ Trocken brummelt er seine Worte ins Mikrofon. „Gemeinsames Kochen, geteilte Ferienwohnungen, Käsefondue. Das alles habe ich mir bis vor kurzem unglaublich grausam vorgestellt.“ Das Publikum ist jetzt in Fahrt. Salmen blickt auf sein A4-Papier und legt nach: „Doch ich war naiv und muss mein Urteil korrigieren: Es ist alles noch viel schlimmer.“ Tausende Likes prangen unter dem Video, eines kommt von Hanna. Sie kann aus vollem Herzen über die Satire lachen – dankbar, dass sie den Pärchenabend anders kennt.
Risiken und Nebenwirkungen der Paarfreundschaft
Neid
Freunde sind uns ähnlich und teilen viele Erlebnisse mit uns. Deshalb vergleichen wir uns mit ihnen und empfinden gerade ihnen gegenüber manchmal Neid oder Schadenfreude. Nicht ohne Grund: Sie dienen als Bezugsrahmen, um herauszufinden, was uns ausmacht. Im Falle einer Viererfreundschaft betrifft diese Identitätsfindung nicht nur jeden Einzelnen, sondern auch jedes der Paare. „Sie beteiligen sich bewusst oder unbewusst an einer Beziehungsdarstellung und legen ein öffentliches Gesicht an, um ein Gefühl von Intimität und Exklusivität zu erzeugen“, sagt Greif. Wenn der Vergleich mit- und die Darstellung voreinander die Freundschaft belasten, hilft nur eines: Reflexion. Wer sichselbst eingestehe, dass er Neid empfindet oder imponieren möchte, könne versuchen, diese Impulse umzuwandeln und zu ergründen, ob sie wirklich notwendig sind.
Indiskretion
„Viele Männer beschrieben in unseren Interviews das Gefühl, dass eine Grenze überschritten wurde, als ihre Partnerinnen intimere Themen angesprochen haben. Themen, von denen sie dachten, dass sie nur sie beide etwas angingen“, sagt Greif. Auch für solche Situationen braucht es einen bewussten Umgang mit den eigenen Bedürfnissen. Paartherapeutin Gardini rät dazu, diese mit dem jeweiligen Partner zu besprechen. Dann könne es eine Viererfreundschaft gut aushalten, wenn einzelne Personen, eine engere Verbindung haben, „solange nichts hinausgetragen wird, was die jeweilige Partnerschaft oder Freundschaft belastet. Und niemand ausgeklammert wird.“
Enttäuschte Erwartungen
Die Wünsche und Hoffnungen, die Paare in die Begegnung mit anderen legen, können sich stark voneinander unterscheiden. So haben Greif und Holtz Deal das Sozialverhalten von Paaren untersucht und dabei drei Typen ausgemacht. „Seekers sind extravertiert und auf der Suche nach anderen Paaren“, schreiben die Autoren. Keepers hingegen haben bereits eine große Anzahl von Freunden, sind nicht abgeneigt, neue Freundschaften mit Paaren zu schließen, suchen aber nicht danach. Und Nesters sind eher introvertiert. Sie sind zufrieden, wenn sie in ihrem Nest sind, in ihrem Haus. Treffen Paare mit einem unterschiedlichen Wunsch nach Enge oder Distanz aufeinander, kann das zu Konflikten und Frustration führen. Oft leiden Freundschaften auch dann, wenn sich eines der Paare in seinen Bedürfnissen verändert, etwa nach der Familiengründung. LM
Zum Weiterlesen
Geoffrey L. Greif, Kathleen Holtz Deal: Two plus two. Couples and their couple friendships. Routledge, New York 2017
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