Fünf Freunde

Warum Freundschaften so wichtig für die Gesundheit und ein langes Leben sind, zeigt Ulrike Scheuermann.

Es ist ein sehr persönliches Buch, das die Psychologin Ulrike Scheuermann mit Freunde machen gesund geschrieben hat: Zu Beginn schildert sie, wie sie als Jugendliche mit einer Hauterkrankung abseitssteht und diese Erfahrung eine lebenslange Neugier weckt: Wie können Gesundheit, Glück und gute Beziehungen gelingen?

Scheuermann beschäftigt diese Frage in ihrem Studium, als Psychologin in der Krisenintervention und in der eigenen Praxis. Und die Frage ist der Grund dafür, dass dies nicht nur ein Ratgeber, sondern auch ein Sachbuch ist: Das Literaturverzeichnis hat 30 Seiten und nennt zahlreiche Studien und Metaanalysen.

Die Leserinnen und Leser finden praktische Anregungen, wie sie Freund­schaften und soziale Kontakte verbessern und für mehr Lebensfreude und Gesundheit sorgen können. Der wichtigste Tipp: „Freunde machen gesund.“ Wer das beherzigt, könnte das Buch auf die Seite legen, verpasst dann aber die guten Gründe, warum wir uns mehr um unsere Freundschaften kümmern sollten.

Dafür spricht zum Beispiel eine Metaanalyse aus den USA, die 148 Studien mit 308000 Teilnehmenden auswertete. Das Ergebnis: „Wenn Sie gute soziale Bindungen haben, haben Sie eine 50 Prozent größere Wahrscheinlichkeit, lange zu leben, im Vergleich zu Personen mit unzureichenden sozialen Kontakten.“

Wem wir unsere Zeit schenken

Soziale Integration und vertrauensvolle nahe Beziehungen sind die beiden wichtigsten Kriterien für ein langes ­gesundes Leben, erst auf Platz 3 und 4 folgen Nichtrauchen sowie „mit dem Rauchen aufhören“. Auf Platz 5 liegt „wenig Alkohol“, erst auf Platz 8 findet sich „Sport treiben“, gefolgt von neuntens: „kein Übergewicht“. Dieser Rangfolge sind sich die meisten Menschen nicht bewusst.

Doch seit der Pandemie ahnen wir, dass wir hier eine Erkenntnislücke haben könnten: Denn wenn wir uns einsam fühlen, ruft das im Gehirn eine ähnliche Musteraktivierung hervor wie körperlicher Schmerz. Das zeigen Untersuchungen der Sozialpsychologin Naomi Eisenberger von der University of California.

Bleibt die Frage, wie wir es anstellen können, dass unsere Beziehungen eine Qualität haben, die uns gesund hält. Dazu bietet das Buch viele Anregungen. Wir können uns etwa fragen, ob alle wichtigen Beziehungskreise ausreichend gefüllt sind, wie sie der britische Evolutionspsychologe Robin Dunbar definiert hat: Haben wir zum Beispiel Fünf Freunde, wie der Jugendbuchklassiker von Enid Blyton nahelegt? Und wer gehört zum äußeren Beziehungskreis von 150 Menschen, die wir immerhin noch einmal im Jahr kontaktieren?

Für mehr Interaktion ist unser Gehirn nicht ausgelegt. Grund genug zu prüfen, wem wir unsere begrenzte Zeit und Aufmerksamkeit schenken. Heilsam sind laut Scheuermann vor allem nahe, vertrauensvolle Beziehungen. Damit möglichst viele Menschen davon profitieren, sollten wir vielleicht Ulrike Scheuermanns Wunsch beherzigen, den sie uns mit auf den Weg gibt: „Sorgen wir gut füreinander.“

Literatur

Ulrike Scheuermann: Freunde machen gesund. Die Nummer 1 für ein langes Leben: deine Sozialkontakte. Knaur Balance, München 2021, 288 S., € 20,–

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