Was sehen Sie hier, Hellmut Hattler?

Ein Bild, zwei Fragen: Eine Gestalt, der gesenkte Kopf von einem Strahlenkranz umrankt. Bassist Hellmut Hattler deutet die Szene.

Die Illustration zeigt eine Person von hinten mit gesenktem Kopf und rotem Shirt vor bunten Lichtern, die strahlen.
Was ist das für ein Strahlenkranz? Und warum hält die Person den Kopf gesenkt? © Andrea Ventura für Psychologie Heute

„Ich sehe einen Mann, der vor seinem inneren Auge eine hell erleuchtete, aber auch aus den Fugen geratene Welt betrachtet, in der alle sich selbst zu feiern scheinen und den durch Ausbeutung von Bodenschätzen und menschlicher Kraft erworbenen wirtschaftlichen Überfluss für ein selbstverständliches Gut halten. Ein Gut, auf das diese Welt ein ewiges Anrecht zu erheben scheint, die aber dennoch ahnt, dass ein ‚Immer mehr‘ in begrenzten Räumen gar nicht funktionieren kann.

Dennoch erscheint dem Tagträumenden dieses Gebilde in verführerischem Glanz, an dem er in diesem Moment trotz allem teilhaben möchte, obwohl ihm schwant, dass es sich um einen überhitzten, aufgeblähten und bald explodierenden Stern handeln dürfte. Andererseits verläuft ja sein eigenes Leben, das er als Zuschauer begreift und das im Idealfall von der Hand in den Mund verläuft, im Glanze dieser Vision nicht mehr attraktiv genug. Das bedrückt seinen Geist und lastet auf seinen Schultern.

Aber er blickt auch auf den Boden direkt vor sich, der unbestellt und voller Verheißung ist. Was würde er wohl anstellen, wenn dieser Boden seiner wäre? Oder wenn er ihn wenigstens nutzen dürfte? Und in welchem Lichte erschiene dann diese westliche Glitzerwelt?“

Was könnte Ihre Bildbeschreibung mit Ihnen persönlich zu tun haben?

„Ich habe gerade nur mal frei assoziiert, aber da gibt es schon auch eine biografische Verbindung: Als junger Mann habe ich Kurse bei einem japanischen Wirtschaftstheoretiker besucht, die mich nachhaltig zum Nachdenken bewegt haben. Seitdem versuche ich, die Hintergründe von politischen und wirtschaftlichen Prozessen wie Geldrecht, Bodenrecht, Globalisierung zu erahnen.

Andererseits assoziiere ich beim Betexten meiner Songs ja auch frei, weil ich vom Klang der Worte ausgehe, die zur Melodie passen müssen. Habe ich dann zwei, drei wohlklingende Schlagworte, die ich irgendwie sinnvoll verbinden will, kommen zwangsläufig interessante Geschichten heraus, die ein bisschen an Selbsttherapie grenzen.“

Hellmut Hattler ist einer der besten deutschen Bassisten. Sundae heißt das aktuelle Album seiner Band Hattler, mit der er derzeit auf Tour ist: ­hellmut-hattler.de/tour

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Dieser Artikel befindet sich in der Ausgabe: Psychologie Heute 11/2022: Angstfreier leben
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