Maja Storch, Eva Maria Jäger und Stefan Klöckner verwenden den Begriff des „spirituellen Embodiments“, sie sehen den Leib als spirituelle Heimat. Die Trennung von Körper, Geist und Seele löst sich in dieser Vorstellung auf.
Wie aber muss eine Körperpraktik sein, die spirituelle Erfahrungen ermöglicht? Wie Mönche die Einkehr in der Abgeschiedenheit und mitunter in den eigenen vier Wänden suchen, um ihre Spiritualität zu leben, so können wir hierfür den kleinsten uns gegebenen Raum verwenden: unseren Körper.
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hierfür den kleinsten uns gegebenen Raum verwenden: unseren Körper.
Wir richten den Fokus nach innen, auf das, was in unserem Körper geschieht. Es sind insbesondere traditionelle östliche Bewegungspraktiken, welche die Einheit von Leib, Seele und Geist anregen, ob es Yoga ist, Qigong, Tai-Chi, die Ursprungsform des orientalischen Tanzes Raqs Scharqi, der indische Tempeltanz Bharatanatyam oder die aus Japan stammende Tanzkampfkunst Aikido.
Durch Bewegungspraktiken zur spirituellen Erfahrung
Bewegungspraktiken, die spirituelle Erfahrungen ermöglichen, umfassen dabei drei Qualitäten der Körperlichkeit. In Anlehnung an die Einteilung des amerikanischen Philosophen Ken Wilber lassen sie sich wie folgt beschreiben:
Zum einen wird der sogenannte „grobstoffliche Körper“ aktiviert. Dies geschieht, wenn Körperpartien und Glieder bewegt werden, so dass der Muskel-Skelett-Apparat angesprochen wird. Dieser grobstoffliche, auch manchmal „äußere Körper“ beinhaltet alles, von Muskeln bis zu Knochen, was wir spüren, sehen und tasten können. Er wird auch beim Laufen, beim Ballsport oder Krafttraining trainiert.
Spirituelle Körperpraktiken beziehen aber auch den „feinstofflichen Körper“, manchmal auch „innerer Körper“ genannt, mit ein. Die Wahrnehmung wird dabei in das Innere des Leibes und auf die Empfindungen gelenkt, ohne dass diese bewertet werden. Dabei können mitunter unvermittelt Bilder, Emotionen und Gedanken auftauchen. Ob etwa im Tanz unsere Verletzlichkeit zum Ausdruck kommt oder unsere Wachheit und Lebendigkeit, macht bei identischen „choreografischen“ Abfolgen einen großen, auch äußerlich wahrnehmbaren Unterschied. Dieses Phänomen rührt vom feinstofflichen Körper her und es verweist auf die Zusammengehörigkeit von Leib, Seele und Geist.
Die Grenze zwischen dem „Ich“ und der Welt verschwimmt
Als Drittes spricht Wilber vom „kausalen Körper“, der spürbar wird, wenn die Grenzen zwischen Selbst und der Welt verschwinden. Wilber beschreibt diesen als unendlich ausgedehnt, ruhig, als tiefste Quelle des eigenen Seins. Diese spirituelle Erfahrung ist in den verschiedenen östlichen Bewegungspraktiken möglich, wenn die Bewegungsabläufe tief verinnerlicht sind und nicht mehr als kognitiv anstrengend erlebt werden.
Fast alle Bewegungspraktiken, die spirituelle Erfahrungen einschließen, nutzen im Übrigen den Atem als Objekt der Fokussierung. Im Sufismus und auch in anderen Religionen ist der Atem eng mit dem Göttlichen verbunden. Sich auf den Atem zu konzentrieren unterstützt das Gegenwärtigsein im Augenblick, die Achtsamkeit und auch das Spüren des inneren Körpers und schafft damit wichtige Voraussetzungen spirituellen Erlebens.
Hier können Sie mehr über das Thema „Bei sich ankommen“ lesen:
Zum Weiterlesen
Harald Welzer: Mentale Infrastrukturen. Wie das Wachstum in die Welt und in die Seelen kam. Schriftenreihe Ökologie, Band 14. Heinrich-Böll-Stiftung, Berlin 2011
Tobias Esch: Mehr Nichts! Warum wir weniger vom Mehr brauchen. Goldmann, München 2021
Quelle
Maja Storch, Eva Maria Jäger, Stefan Klöckner: Spirituelles Embodiment. Stimme und Körper als Schlüssel zu unserem wahren Selbst. Arkana, München 2021