Nach den Schmetterlingen

​Werner Bartens zeigt in seinem neuen Buch, warum sich das oft mühevolle Ringen in langjährigen Beziehungen lohnt.

„Ich möchte dir helfen in deinem Freiheitskampf“, sang Paul Simon 1975 in seinem Hit 50 Ways to Leave Your Lover. Wie viele Menschen der fröhliche Song wohl ermutigte, eine von Unterdrückung und Aggressionen geprägte Beziehung zu beenden?

Werner Bartens, Bestsellerautor und leitender Wissenschaftsredakteur der Süddeutschen Zeitung, nennt in seiner vergnüglichen und faktenreichen Streit­schrift Lob der langen Liebe mindestens 50 Wege, eine brüchige Beziehung zu retten, und noch mal so viele Gründe, warum sich das oft so mühevolle Ringen um eine krisenfeste Partnerschaft lohnt.

Das Buch bietet unterhaltsame Anekdoten aus dem Beziehungsalltag, tiefgründige Zitate großer Denker und faszinierende Forschungsergebnisse. Bartens untersucht zahlreiche Unterschiede zwischen dem Rauschzustand der Verliebtheit, der nach etwa 18 Monaten schwächer wird, und der reifen Liebe, die bis ans Lebensende dauern kann. Erst in der reifen Zweisamkeit könnten die Paare einander mit allen Schwächen und Schattenseiten akzeptieren und im Alltag unterstützen. Diese sei stiller, subtiler und weniger aufregend, aber nicht weniger erfüllend.

Segensreiche Wirkung von Paarbeziehungen

Der Autor warnt vor einer hedonistischen und narzisstischen Selbstentfaltungskultur, welche die Wonnen der frischen Verliebtheit als authentischen Gefühlsausdruck verkläre und langfristige Beziehungen als langweilig und einengend verdamme. Er beschreibt Merkmale einer toxischen Beziehung wie Verachtung, die gegen deren Fortsetzung sprechen. Er fürchtet jedoch, dass immer mehr Menschen ihre Partnerinnen und Partner so häufig und leichtfertig wechseln wie ihre Konsumgewohnheiten.

Bartens bespricht imposante Studien, welche die segensreichen Wirkungen von Paarbeziehungen auf die körperliche und geistige Gesundheit sowie die Zerstörungskraft von Einsamkeit und Trennungsschmerzen belegen. Seine Analysen sprechen für die These, dass längere Partnerschaften meist auch bessere Partnerschaften sind. In einer angeführten Studie gingen Senioren in mindestens 35 Jahre alten Ehen deutlich besser mit Streitpunkten um als Menschen mittleren Alters, die seit über 15 Jahren verheiratet waren. Unklar bleibt, ob die verbesserte Konfliktfähigkeit aus dem höheren Alter beider Partner oder der längeren Partnerschaft resultierte. Leider ignoriert Bartens neue Studien zum heißen Thema Polyamorie, diese hätten ins Buch gehört.

Wer die Herausforderungen langjähriger Beziehungen meistern will, erhält nützliche Ratschläge. So empfiehlt Bartens, sich regelmäßig zu aufregenden Dates zu verabreden, den Partner oder die Partnerin ständig mit Worten und Gesten der Zuneigung zu verwöhnen und kritische Gespräche nur in freundlicher und respektvoller Atmosphäre zu führen.

Dieses mit viel Humor und doch großem Ernst geschriebene Manifest für die reife Partnerschaft macht Lust darauf, gemeinsam und stets aufs Neue die Kunst der Liebe zu erlernen.

Werner Bartens: Lob der langen Liebe. Wie sie gelingt und warum sie unersetzbar ist. Rowohlt Berlin, Berlin 2020, 316 S., € 20,–

Artikel zum Thema
Erst sind es nur regelmäßige Mittagessen mit dem Kollegen oder morgendliche Treffen an der Bushaltestelle. Doch dann wird aus Sympathie schleichend mehr
Wie kann der Partner oder die Partnerin einem helfen, sich selbst näherzukommen? Antworten gibt das „Michelangelo-Phänomen“.
​Sexualpädagogin Katja Wollmer hat sich mit dieser Praktik in ihrem neuen Buch wissenschaftlich beschäftigt. Ein Interview
Dieser Artikel befindet sich in der Ausgabe: Psychologie Heute 6/2021: Menschen verstehen wie die Profis
Anzeige
Psychologie Heute Compact 79: Das Leben aufräumen