Sie berichten über die Folgen des Masterstudiums „klinische Psychologie und Psychotherapie“. Was hat sich da zuletzt getan?
Bevor es möglich war, einen klinisch-psychologischen Schwerpunktmaster mit direkt anschließender Approbation zum Psychotherapeuten zu machen, hat sich etwa die Hälfte der Psychologiestudierenden im Masterstudium für eine Vertiefung in klinischer Psychologie entschieden. Die anderen wählten beispielsweise Arbeits- und Organisationspsychologie oder auch pädagogische Psychologie. Im früheren Mastersystem hatten die Studierenden auch noch Chancen, nach ihrem Abschluss umzusteigen und später Psychotherapeut zu werden.
Das ist vorbei. Heute bewerben sich an den Universitäten deutlich mehr Studierende für den klinisch-psychologischen Schwerpunktmaster als für die anderen psychologischen Masterstudiengänge. Die Folge: Inzwischen bilden wir mehr angehende Psychotherapeuten und Psychotherapeutinnen aus, als es Plätze für die dem Studium folgende fünfjährige Weiterbildung gibt. Diese ist Voraussetzung dafür, dass man später eine Kassenzulassung erhält und eine Praxis eröffnen kann.
Für das Studium der Psychologie, das seit Jahren zulassungsbeschränkt ist, gibt es seit 2023 einen bundesweit einsetzbaren Eignungstest.
Nun, das Bundesverfassungsgericht hat – rein formal zunächst nur für das Fach Medizin – schon im Jahr 2017 klargestellt, dass es bei zulassungsbeschränkten Fächern für die Zulassung mehr Kriterien geben muss als nur die Abiturnote. Bei der Deutschen Gesellschaft für Psychologie war uns schnell klar, dass dies auch für die Psychologie gilt. Unser Test soll ermitteln, in welchem Umfang studiumsrelevante Kompetenzen vorliegen, und damit den Studienerfolg besser vorhersagen als die Abiturnote allein. Er umfasst Fähigkeiten wie schlussfolgerndes Denken, psychologisches Textverständnis und Mathematik. Man kann sich darauf gut vorbereiten, wir stellen dafür kostenlos Übungsmaterialien zur Verfügung. Auch Bewerberinnen und Bewerber mit einer Zwei vor dem Komma ihrer Abiturnote haben nun noch eine Chance auf einen Studienplatz in Psychologie an einer Universität. Wohlgemerkt, auch in diesem Test kann nicht alles gemessen werden, was für den späteren Beruf wichtig ist. Fähigkeiten wie Empathie oder Ähnliches können wir in dem Test nicht überprüfen.
Sie ziehen nach zwei Jahren Amtszeit als Präsident der Deutschen Gesellschaft für Psychologie Bilanz. Was bereitet Ihnen Sorge?
Ich sehe ein Problem in der Forschung: Es gibt zu wenige Studien, in denen vorhandene Studien repliziert, also wiederholt und damit geprüft werden. Das hat mit dem Selbstverständnis der Forschenden zu tun: Sie suchen nach kreativen und ungewöhnlichen Fragestellungen und haben wenig Interesse daran, eine bereits veröffentlichte Studie einfach nur akribisch zu wiederholen. Dabei sollte psychologische Forschung auch prüfen, was wirklich Bestand hat, damit das Fach sich auf einem soliden Fundament weiterentwickeln kann.
Stefan Schulz-Hardt ist Professor für Arbeits-, Wirtschafts- und Sozialpsychologie an der Universität Göttingen. Er war von 2022 bis 2024 Präsident der Deutschen Gesellschaft für Psychologie.
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Quelle
Stefan Schulz-Hardt: Zur Lage der Psychologie. Bericht zur Lage der Psychologie in Deutschland. Psychologische Rundschau, 2025. DOI: 10.1026/0033-3042/a000702