Eine junge Frau filmt sich, wie sie vor einem Laptop sitzt und für die Schule lernt. Dabei stößt sie ununterbrochen laute Geräusche aus, pfeift, schlägt mit den Fäusten gegen ihren Oberkörper oder zuckt ruckartig zusammen. „It makes it very difficult to concentrate“ – es ist sehr schwierig, sich so zu konzentrieren –, kommentiert sie selbst, dahinter ein lachender Smiley.
Der Clip wurde von der Nutzerin Zara Beth unter dem Titel „Tics in Class“ auf TikTok veröffentlicht. Sie thematisiert darin, wie ihre Tics…
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darin, wie ihre Tics sie in der Schule behindern. Mehr als zehn Millionen Menschen haben das Video geliked. Kurzfilme, in denen Tics oder Formen von Tourette zu sehen sind (siehe Definition unten), sind derzeit in allen sozialen Medien äußerst beliebt, besonders unter Jugendlichen.
So verzeichnet der Hashtag #ticdisorder auf TikTok eine halbe Milliarde Aufrufe; viele User greifen das Thema mit eigenen Beiträgen auf – meist spielerisch und humorvoll. Besonders seit Beginn der Coronapandemie haben solche Darstellungen zugenommen, wie auch eine Forschungsgruppe um Tamara Pringsheim in einer Studie von 2021 aufzeigen konnte.
Solche Trends sind nicht ungewöhnlich. Immer wieder wecken einzelne Diagnosen gesellschaftliches Interesse. Zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts stand etwa die Hysterie im Fokus und in den letzten Dekaden waren Burnout, ADHS, Autismusspektrumstörung, bipolare Störung oder Hochsensibilität weit verbreitet.
Modediagnosen
Nicht alle davon sind wissenschaftlich gedeckt – Burnout ist etwa strenggenommen keine Diagnose und Hochsensibilität ist hochumstritten. Nichtsdestotrotz sind viele Menschen schnell bei der Hand, sich ein solches Etikett anzuheften. Doch was macht manche Störungsbilder so schlagartig populär? Am aktuellen Hype um das Tourettesyndrom – den „TikTok-Tics“ – lässt sich vieles über sogenannte Modediagnosen ablesen.
Wenn eine Diagnose plötzlich zum Trend wird und ungewöhnlich viele Menschen behaupten, entsprechende Symptome zu haben, kommt die Frage auf, ob es sich tatsächlich um ein Massenphänomen handelt oder ob das Störungsbild bei einigen gewissermaßen „eingebildet“ ist. Bei den unzähligen Kommentaren unter den Videos gibt es allerlei Mitleid und Zuspruch. Menschen, die ebenfalls Erfahrungen mit dem Symptombild haben, teilen ihre Erlebnisse. Andere zweifeln an deren Echtheit. Mit diesem Unglauben sind sie nicht allein.
Kürzlich veröffentlichte die Neurologin und Psychiaterin Kirsten Müller-Vahl, Professorin an der Medizinischen Hochschule Hannover, mit Kolleginnen und einem Kollegen einen Aufsatz in der Fachzeitschrift Brain. Auf Deutsch übersetzt lautet der Titel: „Hört auf damit! Es ist nicht Tourette, sondern eine neue Form der sozialen Massenerkrankung“. Müller-Vahl gilt als Fachfrau für das Tourettesyndrom, sie beobachtete einen starken Anstieg von Patientinnen und Patienten, die sich damit identifizieren.
Tourette und Kontext
Allerdings seien die Symptome untypisch. Tics sind zumeist dadurch gekennzeichnet, dass sie repetitiv und kontextunabhängig sind. Ob eine Person grimassiert oder in die Luft schlägt, hängt nicht von der jeweiligen Situation ab, in der sie sich befindet. Bei den Tics in den sozialen Netzwerken ist das jedoch häufig anders. Hier werden zum Teil ganze Haupt- und Nebensätze kontextsensibel geäußert. Bei vielen variieren die Tics auch immer wieder.
Kirsten Müller-Vahl hat hier vor allem einen Fall im Blick: den YouTuber Jan Zimmermann. Zimmermann betreibt den Kanal „Gewitter im Kopf“, der mit über zwei Millionen Abonnentinnen zu den hundert erfolgreichsten in Deutschland gehört. Der vom Tourettesyndrom betroffene Zimmermann stellt in den Videos seinen Alltag dar. Es bleibt jedoch nicht bei plötzlichen Bewegungen oder unwillkürlichen Geräuschen. Häufig beleidigt Zimmermann seine Gäste oder er schubst sie.
Gerade aufgrund der Funktionalität seiner vermeintlich impulsiven Sätze kommt allerdings bei Müller-Vahl der Verdacht auf, dass das häufig grenzüberschreitende Verhalten nicht immer durch Tics ausgelöst wird. Beispielsweise reagiert Jan Zimmermann in seiner „Tourettestimmlage“, die er Gisela nennt, auf einen anderen YouTuber mit dem Satz: „Ich bin heute noch sehr zivilisiert, ich bin von der rechten Rheinseite, aber das heißt nicht, dass ich ein Neandertaler bin, die haben keine Steine gefressen, die haben Bäume gefressen.“ Dieser Satz ist zu komplex, zu situativ, um tatsächlich ein spontaner Ausbruch zu sein, wie es für Tourette typisch wäre.
Sekundärer Krankheitsgewinn
Warum kommt gerade jetzt dieser „Tourettetrend“ auf? Müller-Vahl und ihr Team deuten die Symptome als Stressreaktion auf „postmoderne Gesellschaften“. Diese höben die Einzigartigkeit des Individuums hervor und beförderten dadurch ein aufmerksamkeitsheischendes Verhalten. Ausgelöst werde die derzeitige Tendenz, spekulieren die Autoren, von Umweltangst und den sozialen Folgen der Pandemie: Der Alltag musste stark reglementiert werden. Das stellte insbesondere Jugendliche vor große psychosoziale Herausforderungen, auf die viele mit verändertem Verhalten und teils klinisch relevanten Störungen reagierten.
Das Netz der sozialen Normen wurde dichter. Mit den TikTok-Tics gebe es – so die Ausführungen – aber eine Art legitimen Ausweg aus dieser Einhegung. Sozial unverträgliches Verhalten wie spontane Gesten der Wut wären entschuldigt. Die Menschen bräuchten sich nicht zu rechtfertigen und könnten ihre Handlungen auf die Krankheit schieben. In der Fachwelt nennt man das den „sekundären Krankheitsgewinn“. Wer krank ist, hat einen moralischen Anspruch auf Fürsorge, auf Rücksichtnahme und Nachsicht.
Es wäre jedoch falsch, in diesem Krankheitsgewinn nun die Ursache der Krankheit selbst zu sehen. Menschen entscheiden sich nicht dazu, krank zu werden. In der psychotherapeutischen Behandlung kann der Krankheitsgewinn jedoch zu einem Widerstand werden, durch den die Patientinnen an ihren Symptomen unbewusst festhalten.
Burnout verspricht Trost
Aber ist es wirklich so einfach, dass die Jugendlichen damit jederzeit Schluss machen könnten, wie es der Titel des Fachartikels nahelegt? Kann man ihnen wirklich zurufen, sie sollen damit aufhören, und dann hören sie damit auf?
Folgt man dem Sozialpsychologen Rolf Haubl, ehemaliger Leiter des Sigmund-Freud-Instituts, können da Zweifel aufkommen. Haubl hat sich mit dem Burnout auseinandergesetzt. Burnout (siehe auch Heft 3/2022) ist im strengen Sinne keine klinische Diagnose, sondern vor allem ein alltagspraktischer Begriff, der attraktiver klingt als der womöglich treffendere Begriff der depressiven Episode.
Den Menschen geht es sehr schlecht. Nur bietet die Metapher des Burnouts einen Trost, den die Diagnose Depression nicht enthält, so Haubl: Wenn der Akku oder Tank nur geleert ist, lässt er sich einfach wieder auffüllen. Auch bei den TikTok-Tics wäre es nicht angemessen, zu behaupten, die Jugendlichen hätten in Wahrheit gar kein Problem. Mag Tourette vielleicht nicht die richtige Bezeichnung sein – die Symptome gibt es doch.
Die Vermutung liegt nahe: Menschen geben sich gern selbst Diagnosen, damit ihre psychischen Probleme einen Namen haben. Dabei greifen sie oft auf psychische Krankheiten zurück, die gerade in aller Munde sind. Das Bedrohliche des eigenen Erlebens wird durch die Selbstdiagnose greifbarer – und vielleicht behandelbar. Der Beitritt zu einem Krankheitsbild ist von der Hoffnung geleitet, dass auf die richtige Diagnose die richtige Verschreibung folgt.
„Ich nenne das gerne Dr. Google“, sagt Matthias Heitmann, leitender Psychotherapeut am Frankfurter Clementine-Kinderhospital. Er berichtet: „Teilweise kommen die Patienten oder die Eltern schon mit dem Gefühl, eine bestimmte Diagnose zu haben. Sie sagen dann zum Beispiel: ,Ich habe gehört, es gibt ein Medikament zu der Diagnose und das hätte ich gerne.‘“
Die Geschichte der ADHS
Besonders häufig ist das bei der Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) so. Die Geschichte der ADHS ist insofern bemerkenswert, als dass hier das Medikament vor der Diagnose existierte. Als Ritalin – das gängige Medikament zur Behandlung von ADHS – erfunden wurde, gab es die Diagnose ADHS noch nicht. Es zeigte sich jedoch, dass Kinder mit unterschiedlichen Symptomen ähnlich auf Ritalin reagierten.
Man fasste diese Symptome dann zur Diagnose ADHS zusammen. Diese Vorgehensweise wird „Diagnose vom Heilerfolg her“ genannt. Bis heute herrscht die Vorstellung vor, man müsse die Symptome der ADHS vor allem medikamentös behandeln, obwohl auch die psychotherapeutischen Richtlinienverfahren signifikant zu einer Linderung beitragen.
Allerdings kommen laut Heitmann Patientinnen nicht nur mit der Vorstellung, sich schnell Medizin abholen zu können. Die Selbstdiagnose könne auch ein leichter Einstieg in die psychotherapeutische Behandlung sein. Manchen falle es leichter, Psychotherapie zu beanspruchen, wenn sie sich vorher eine Diagnose zurechtgelegt hätten, die wenig schmerzhaft für sie selbst sei. Psychische Krankheiten seien immer noch mit Stigmatisierungen verbunden, bisweilen habe man diese auch selbst verinnerlicht.
Von Zeitdiagnosen zu Psychotalk
Ob es sich bei den TikTok-Tics tatsächlich um unwillkürliche Symptome im Sinne der klinischen Tourettediagnose handelt, lässt sich nach Heitmann von außen kaum beurteilen: „Man kann nicht sagen, ob das geschauspielert ist. Das wäre dann ja eine bewusste Falschdarstellung.“ Aber womöglich drückten die Jugendlichen eine innere Not aus, die weit über den Wunsch nach Aufmerksamkeit hinausgehe. „Sie nehmen an, dass sie das haben, und verfügen nicht bewusst über ihre Handlungen.“
Nicht bewusst über eigene Handlungen zu verfügen nennt man im Fachjargon der Psychoanalyse „agieren“. Man agiert innere Konflikte, anstatt sie zu reflektieren. Die eigenen Handlungen kommen einem dann bisweilen fremd vor oder man ärgert sich, schon wieder etwas getan zu haben, das man eigentlich doch bewusst vermeiden wollte.
Aber wie wird eine Diagnose überhaupt zur Modediagnose? Christine Kirchhoff, Psychoanalytikerin und Professorin an der Internationalen Psychoanalytischen Universität Berlin, plädiert für eine Trennschärfe der Begriffe: „Es gibt Diagnosen, die gesellschaftlich in Mode kommen. Zum Beispiel Zeitdiagnosen, von denen man glaubt, dass sie eine gesellschaftliche Problematik auf den Punkt bringen. Dann gibt es aber auch Psychotalk.“ Beispiele für diesen Psychotalk seien etwa, wenn lapidar gesagt werde: „Ich habe schon wieder eine Depression“, oder: „Ich habe eine toxische Beziehung, in der Gaslighting passiert.“
Hier würden die Begriffe nicht im engeren klinischen Sinne genutzt. Zum Teil seien sie noch nicht mal dem klinischen Kontext entnommen – wie etwa Burnout. „Sie bewegen sich in einem Feld, von dem ich als Wissenschaftlerin sagen würde, dass es eher ein Pseudofachvokabular ist als Psychologie.“ Durch die alltagssprachliche Popularität der Begrifflichkeiten böten die damit verbundenen Störungsbilder ein Identifikationsangebot. In der Folge fänden sich viele darin wieder und passten sich autosuggestiv der Symptomatik immer mehr an, auch wenn ihre Schwierigkeiten in nicht wenigen Fällen gar keinen klinischen Krankheitswert hätten.
Ichsynton und ichdyston
Psychotalk, Selbstdiagnosen, sekundärer Krankheitsgewinn – all das kommt auch in denTikTok-Tics zum Ausdruck. Auf YouTube und Co wird fleißig diagnostiziert, lamentiert und kokettiert. Mitunter verschwimmen dabei die Grenzen zwischen einer echten Form von Tourette und der „sozialen Massenerkrankung“. Neurologinnen wie Müller-Vahl tendieren dazu, psychische Erkrankungen primär über die Biologie zu bestimmen, und setzen bei der Behandlung vor allem auf Medikamente. Aber ist es wirklich plausibel, dass plötzlich massenhaft organische Veränderungen auftreten?
Matthias Heitmann, der Frankfurter Psychologe, widerspricht der gängigen Vorstellung, wonach die Tics rein im Körperlichen gründen: „Es wird von einem neurologischen Muster ausgegangen, zum Teil ist das aber nur Wissenschaftsesoterik. Den Nachweis, dass das Tourettesyndrom neurologisch verursacht ist, bleiben die Wissenschaftlerinnen noch schuldig.“ So kommt auch die Forschungsgruppe um die Neurologin Tamara Pringsheim zu dem Schluss, dass das Auftreten von Ticstörungen mit psychischem Stress assoziiert ist, welcher für Jugendliche insbesondere während der Coronapandemie zugenommen habe.
Bei vielen der Jugendlichen auf TikTok scheinen sich klassische Tourettesymptome und atypische Verhaltensweisen zu mischen, was wiederum womöglich gar nicht so atypisch ist. In einem etwas älteren Artikel von 1981 stellt der Kinder- und Jugendpsychiater sowie Psychoanalytiker Roland Schleiffer drei Fälle von Jugendlichen mit Tourette vor: „Bei allen hatte man den Eindruck, dass sie ihre Tics oder Koprolalien teilweise willentlich und ichsynton produzierten.“ Ichsynton bedeutet, dass man Symptome als zu sich gehörend empfindet, anders als ichdystone Symptome, die einem fremd und störend vorkommen.
Schleiffer beobachtete in seiner Praxis mit stationär untergebrachten Patientinnen immer wieder, wie Ticsymptome biografisch Sinn ergaben: Ein Kind wiederholte impulsiv die Schimpfworte, die sein Vater der Mutter entgegengeschleudert hatte. Eine Jugendliche drückte durch repetitiv-unkontrollierte Schluchzlaute Verlassenheitsängste aus. Eine andere den Jähzorn des Vaters wie auch die Depression der Mutter. Ihre Tics verschlimmerten sich nach jedem Elternbesuch.
Die Hysterie: Spiegel ihrer Zeit
Auch wenn es derzeit an psychologischen Deutungsversuchen des Phänomens mangelt, zeigen derlei Fallbeschreibungen doch, dass eine lebensgeschichtliche Betrachtungsweise dem Verständnis zuträglich ist. Wer die Tics der YouTube- und TikTok-Stars übernimmt, leidet vermutlich unter Konflikten, für die die Symptome lediglich ein Ausdruck sind – Konflikte, die sich nicht einfach abstellen lassen und darum ernst zu nehmen sind.
In der Denkart der Psychoanalyse haben Symptome einen Sinn. Sie sind Zeichen einer seelischen Störung. Sie werden verstanden als der unbewusste Versuch, mit einem inneren Konflikt zu leben, der sich nicht bewältigen lässt. Symptome können lästig und destruktiv sein. Sie können aber auch auf etwas hinweisen: auf einen individuellen Konflikt oder auf den gesellschaftlichen Kontext.
Mit der Veränderung der Gesellschaft verbreiten sich andere Konflikte. „Da Therapeutinnen ja Teil der Gesellschaft sind, unterliegen sie dann der Versuchung, dem nachzugehen“, sagt Heitmann. Auch in ihrer Wahrnehmung sind bestimmte Diagnosen präsent – und so stellen sie sie besonders oft fest.
Folgen eines Lebensstils
Aus einem komplexen Wechselspiel aus Gesellschaft, individuellen Symptomen und therapeutischer Praxis könnte sich also ein Trend entwickeln. Sigmund Freuds Hysteriepatientinnen des frühen 20. Jahrhunderts lebten unter einer repressiven Sexualmoral. Ihre leiblichen unkontrollierten Symptome waren für Freud und seine Kollegen Ausdruck der Triebunterdrückung. Die Diagnose wurde so populär, weil sie in die Zeit passte und das Leiden treffend beschrieb.
Ein anderes Beispiel: Als ADHS vor einigen Jahrzehnten zum diagnostischen Trend avancierte, gab es zeitgleich einen gesellschaftlichen Umbruch, den Rolf Haubl mit der Flexibilisierung der Lebens- und Arbeitsweise in Verbindung bringt. Haubl schreibt im Aufsatz Die Aufmerksamkeits- und/oder Hyperaktivitätsstörung als kulturgeschichtliches Phänomen: „In den Symptomen ihrer Kinder bekommen die Erwachsenen die nicht intendierten, aber in Kauf genommenen Folgen eines Lebensstils zu spüren, den sie – wie notgedrungen auch immer – leben.“
Nach Haubl beeinflusse die Flexibilität die Beziehungsgestaltung in den Familien und bilde einen Risikofaktor für die ADHS-Symptomatik. Das unstete Leben der Eltern könne – vereinfacht gesagt – zu Bindundungsproblemen führen, die bei den Kindern verstärkt Nervosität auslösten.
Es ist also möglich, dass die oftmals beliebig wirkenden Tics nicht so bedeutungslos sind, wie es auf den ersten Blick scheint. Der jugendliche Hype um die Ticstörungen greift vielleicht etwas auf, was es erst noch zu entdecken gilt: ihren sozialen Ursprung und ihre individuelle Bedeutung.
Tic und Tourette
Ein Tic ist eine unwillkürliche, rasche, wiederholte, nichtrhythmische Bewegung oder eine Lautproduktion, die plötzlich einsetzt und keinem erkennbaren Zweck dient. Dabei werden mitunter sozial unangebrachte Äußerungen gemacht, was als Koprolalie bezeichnet wird. Normalerweise werden Tics als nicht beeinflussbar erlebt, sie können jedoch meist für unterschiedlich lange Zeiträume unterdrückt werden. Belastungen können sie verstärken. Das Tourettesyndrom ist eine spezielle Form der Ticstörung, bei der motorische und vokale Tics kombiniert vorkommen
Literatur
Rolf Haubl: Die Aufmerksamkeits- und/oder Hyperaktivitätsstörung als kulturgeschichtliches Phänomen. Psychotherapie Forum 16, 2008, 85–91
Rolf Haubl: Burnout – Diskurs und Metaphorik. In Sighard Neckel, Greta Wagner: Leistung und Erschöpfung. Burnout in der Wettbewerbsgesellschaft. Suhrkamp, Berlin 2013, 165–178
Kirsten Müller-Vahl u.a.: Stop that! It’s not Tourette’s but a new type of mass sociogenic illness. Brain, 145/2, 2022, 476–480
Tamara Pringsheim u.a.: Rapid onset functional tic-like behaviors in young females during the COVID-19 pandemic. Movement Disorders, 36/12, 2021, 2707–2713
Roland Schleiffer: Zur Psychodynamik des Gilles de la Tourette-Syndroms. Praxis der Kinderpsychologie und Kinderpychiatrie, 30/6, 1981, 199–205