Erste Hilfe für die Seele

Eine Trennung oder ein gescheitertes Projekt – manche Ereignisse rütteln uns ordentlich durch. Was ist in einer Krise hilfreich?

Was macht eine einschneidende Krise mit uns?

Seelischer Schmerz könne uns stark erschüttern, schreiben Gillian Butler, Nick Grey und Tony Hope in ihrem Klassiker Manage your mind, der 2018 in einer völlig überarbeiteten Auflage neu erschien. Wir würden dann überwältigt von einer Vielzahl von Gefühlen – Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung etwa, einem dumpfen Gefühl des Schocks, Schuld, heftigem Ärger oder tiefer Hilflosigkeit. Diese Gefühle kontrollierten unser Denken. Sätze wie „Das ist unerträglich“ oder „Nichts wird mehr so sein wie bisher“ rauschten durch den Kopf. Viele Menschen fühlten sich extrem unter Strom, als wären sie hyperaktiv, unfähig zu essen – oder im Gegenteil nur in der Lage, gedankenlos irgendetwas und zu viel in sich hineinzuschaufeln –, sie könnten kaum schlafen oder nur kurz zur Ruhe kommen, so die Psychologen.

Was geht sofort?

Ein Spaziergang, Lieblingsmusik hören, den gewohnten Sport treiben – was man so macht, eignet sich auch gut als Krisennothilfe Nummer eins. Ist man zurück oder die CD beendet, sieht die Welt vielleicht ein bisschen anders aus. In der ersten Zeit nach dem auslösenden Moment gehe es erst einmal darum, sich selbst über Wasser zu halten, raten Butler, Grey und Hope, normal wie bisher zu essen und zu schlafen – Letzteres sei allerdings die größte Herausforderung, räumen die Psychologen ein. Wer schon eine Technik hat, sich selbst zu beruhigen, hat es leichter. Aber man kann sich auch in angespannten Situationen einfache Atem- und Meditationsübungen aneignen, die von Anfang an wirken.

Wie geht es weiter?

Butler und ihre Kollegen mahnen, sich nicht von Erwartungen anderer in die Irre führen zu lassen, wie und wie schnell man sich zu erholen habe. Früher oder später lasse der Schmerz langsam nach, im Laufe der Zeit werde man weniger von den eigenen Gefühlen überwältigt oder von Erinnerungen geplagt. Aber dies erfolge nicht in bestimmten Stufen oder Phasen, und wie lange es dauere, sei nicht vorhersehbar. Bewährt habe sich deshalb die Empfehlung, in den ersten Monaten nach einer Krise, solange es einem schlecht geht, keine wichtigen Entscheidungen zu treffen. Wer das doch tun muss, etwa aus finanziellen Gründen, solle sich unbedingt professionellen Rat von Anwälten, Psychologen, Ärzten oder anderen Experten holen, um negative Folgen zu vermeiden.

Was können Freunde tun?

Am besten sei, zu sagen, was man konkret braucht. Die Psychologen nennen aber auch ein paar Einschränkungen: Manchen Menschen sei es unangenehm oder peinlich, mit Trauer, Angst, Ärger oder Verzweiflung konfrontiert zu werden, andere wüssten nicht, wie sie helfen sollten, und würden genau das Falsche sagen. Wieder andere seien vielleicht auch sehr mit eigenen Themen beschäftigt und hätten keine Energie übrig. Sehr nahestehende Freunde oder Verwandte halten die Psychologen ohnehin nicht für die ideale Unterstützung, weil ihnen der emotionale Abstand fehle und sie sich mitreißen ließen. Dagegen könnten entferntere Bekannte guten Beistand leisten, gerade weil sie emotionalen Abstand haben.

Was kann man sonst noch tun?

Das hängt zum einen von dem krisenhaften Ereignis ab. Nach einer Trennung, so raten die Forscher Butler, Grey und Hope, sei es hilfreich, im Laufe der Zeit neue Kontakte zu knüpfen und aufzubauen. Direkt nach einer Kündigung kann man mit der Jobsuche anfangen – das Gefühl, etwas zu tun, sei hilfreich. Außerdem raten die Psychologen, in dieser Zeit gut auf die eigenen Gedanken aufzupassen: In Krisenzeiten steige die Bereitschaft zu negativem Denken, das uns dann davon abhalte, das eigene Leben wieder in die Hand zu nehmen.

Wann ist professionelle Hilfe nötig?

Wenn man sich monatelang gleich schlecht fühlt und den Eindruck hat, dass sich nichts tut. Wenn Angehörige der Meinung sind, man brauche professionelle Hilfe. Wenn man sich sehr einsam fühlt und das Gefühl hat, alle bisherigen Anstrengungen hätten nichts gefruchtet.

Hilft Akzeptanz?

Zu Beginn einer Krise offenbar erst einmal nicht. Forschungen bei Betroffenen von Terrorattentaten hätten gezeigt, so die Autoren, dass es vielen in der allerersten Zeit nach dem auslösenden Moment besser gehe, wenn sie diesen erst einmal verleugneten. Erst längerfristig sei Akzeptanz das beste Mittel, um wieder ins Leben zu kommen. Die Psychologen definieren Akzeptanz als die Fähigkeit, sich die durch das Geschehen hervorgerufenen Gedanken und Gefühle bewusstzumachen, die Krise zu erkennen und darauf zu reagieren. Dies befähige dazu, wieder nachzudenken und zu handeln. Was ist Akzeptanz nicht? Anzunehmen, dass alles gut sei. Akzeptanz heiße auch nicht, zu denken, dass die Dinge so sein sollten, wie sie gerade sind.

Gillian Butler, Nick Grey, Tony Hope: Manage Your Mind. Oxford University Press, Oxford 2018 (3., vollständig überarbeitete Auflage)

Zum Weiterlesen: Auf die Frage, woran wir erkennen, ob wir in einer Krise sind, antwortet Coach Sabine Prohaska in Psychologie Heute compact Nr. 55/2018.

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