Erfüllter leben

Was bedeutet es, ein gutes Leben zu führen? Die Forschung zeigt: Es gibt nicht nur den einen Idealtyp gelingenden Lebens. Sondern (mindestens) vier

Die Illustration zeigt einen Mann mit Bart, der ein Kleinkind auf dem Arm hält und in der Vaterrolle seine Erfüllung sieht
Was ist für mich ein erfülltes Leben? Darüber denken gerade jetzt in der Pandemie viele nach. Und finden ganz unterschiedliche Antworten © Haley Tippmann

Der eine genießt sein stabiles Familienleben, gutes Essen und das Rumtoben mit den Kindern. Die andere geht ganz in ihrer zwar schmutzigen und anstrengenden, aber auch sehr befriedigenden Tätigkeit mit Tieren auf. Eine Dritte kann sich nichts Schöneres vorstellen, als spontane Reisen in unbekannte Gegenden zu unternehmen, wo sie manchmal freudvolle, manchmal beängstigende, aber immer spannende Dinge erlebt. Ein Vierter schließlich freut sich, dass er nicht mehr ständig nach Höchstleistungen streben muss,…

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kann.

Vier Menschen, die ganz unterschiedlich leben – und den­noch sagen alle vier, dass sie sich erfüllt fühlen. Was ist ein gutes Leben? Dies ist wohl eine der wichtigsten Fragen, die man sich stellen kann. Im Alltag sind wir oft zu beschäftigt, um darüber nachzudenken, aber es gibt Momente im Leben, in denen diese Frage wie von allein an die Oberfläche kommt: der Auszug der Kinder, wodurch man plötzlich viel Freiraum hat; ein Burnout, der das bisherige Leben unmöglich macht; ein runder Geburtstag, der anzeigt, wie schnell die Jahre vor­anschreiten.

Die Frage nach dem guten Leben

Auch jetzt, nachdem eine Pandemie eingespielte Routinen völlig auf den Kopf gestellt und uns mit Isolation, Verlust, wirtschaftlicher Not und anderen Herausforderungen konfrontiert hat, mag ein guter Zeitpunkt sein, grundsätzlicher nachzudenken. Wie stelle ich mir mein Leben „nach Corona“ vor? Soll es einfach wieder so werden wie zuvor? Oder habe ich schon vorher eine gewisse Leere und Unzufriedenheit verspürt? Was fehlt, damit ich mehr Erfüllung finde?

In Psychologie und Philosophie wird die Frage nach dem guten Leben seit langem und immer wieder neu gestellt, von Aristoteles über Sigmund Freud bis zu den modernen Glücksforscherinnen. Die Antworten sind vielfältig, manchmal widersprüchlich. So wie Menschen in sehr verschiedenen Häusern gut wohnen können, kann ein erfülltes Leben ganz unterschiedlich aussehen. Wem was gefällt, ist auch eine Frage der Persönlichkeit. Mindestens vier Entwürfe eines guten Lebens hat die Forschung ausgemacht: das glückliche Leben, das sinnerfüllte Leben, das psychologisch reiche Leben und das Leben, das „gut genug“ (good enough) ist.

1. Glück: Sich gut fühlen

Der 43-jährige Randy ist einer jener Menschen, die fast immer gute Stimmung verbreiten. Dabei hat er eine schwere Kindheit und eine schmerzhafte Scheidung hinter sich. Nach der Trennung von seiner ersten Frau hat er sich wieder aufgerappelt. Er ist in eine andere Stadt gezogen, hat einen neuen Job als Sicherheitsingenieur gefunden und wieder geheiratet. Jetzt genießt er das Familienleben mit den drei Stiefsöhnen. Er beschreibt sich als sehr glücklichen Menschen. Seine Lebensstrategie: versuchen‚ in jedem Unglück auch das Gute zu sehen.

Die meisten Menschen denken bei einem guten Leben wohl zunächst an Glück und Zufriedenheit. Dies sehen viele Psychologen und Philosophinnen ebenso, die diesen Zustand auch „hedonistisches“ beziehungsweise „subjektives Wohlbefinden“ nennen. Für den altgriechischen Philosophen Aristippos beispielsweise war das Streben nach hdon – das meint etwa Freude, Lust, Genuss – der Schlüssel zu einem guten Leben: „Die Kunst zu leben“, schrieb er, „liegt darin, die an uns vorüberziehenden Freuden zu ergreifen.“

Ähnlich argumentierte Epikur: Ein gutes Leben sei im Genuss zu finden, worunter er einen Zustand ohne körperliche und psychische Beeinträchtigungen wie zum Beispiel Ängste verstand. Sigmund Freud sah das „Lustprinzip“ (Lust suchen, Schmerz vermeiden) als Hauptmotivation der meisten Menschen an. Auch die positive Psychologie, also jene Forschungstradition, die sich die systematische Vermessung des guten Lebens zur Aufgabe gemacht hat, räumt dem Glück eine wichtige Rolle ein.

Was beeinflusst das Glücksniveau?

Eine verbreitete Definition beschreibt Glück als positiven geistigen und emotionalen Zustand, so die Psychologin und Autorin Emily Esfahani Smith. Eine einfache Art, das Glücksempfinden zu messen, besteht darin, Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer zu fragen, wie häufig sie positive Gefühle wie Stolz, Begeisterung und Achtsamkeit im Vergleich zu negativen wie Angst, Unruhe und Scham verspüren. Es gilt die Faustregel: Je größer der Anteil an positiven Gefühlen, desto glücklicher ist die Person.

Was bestimmt, wo man auf der Skala des Glücks liegt, und – noch interessanter – inwieweit hat man selbst Einfluss darauf? Solchen Fragen geht Sonja Lyubomirsky von der University of California seit vielen Jahren nach. Ein Faktor, so zeigt ihre und andere Forschung, sind die Gene. So hat jede und jeder von uns eine Art Sollwert (set point) für Glück, ein persönliches Normalniveau.

Dieser individuelle set point ist über die Zeit hinweg weitgehend stabil, bei der einen höher, beim anderen niedriger. Dies führt dazu, dass man – ausgenommen psychische Erkrankungen wie Depression – selbst nach schweren Schlägen nach einer Weile wieder in Richtung seines ursprünglichen Glücksniveaus tendiert.

Gewöhnungseffekte durch steigende Erwartungen

Das gilt auch umgekehrt: Viele Dinge, in die Menschen hohe Glückserwartungen setzen, bringen oft nur einen begrenzten Effekt. Ein hochbezahlter Job, eine Schönheitsoperation, eine schicke Eigentumswohnung mögen zunächst glücklicher machen, aber wahrscheinlich nur eine kurze Zeit. Dahinter steht eine Dynamik, die Wissenschaftler „hedonis­tische Tretmühle“ oder Adaptation nennen: Menschen gewöhnen sich meist schnell an Verbesserungen ihrer Lebensumstände, was vor allem an steigenden Erwartungen und sozialen Vergleichen liegt. Das große Haus, das man kauft, fühlt sich nach einer Weile „ganz normal groß“ an und man bemerkt die Häuser in der neuen Nachbarschaft, die noch größer sind.

Doch der set point der Lebenszufriedenheit ist nicht gänzlich unverrückbar. Neben den Genen sind auch die Lebensumstände ein wichtiger Faktor des persönlichen Glücks. Heimatland, Einkommen, Status, Beruf, religiöse Zugehörigkeit, Familienstand, Alter, Kindheitserfahrungen – all dies hat Einfluss darauf, wie glücklich und zufrieden man ist. So sind Verheiratete tendenziell glücklicher als Unverheiratete, Geschiedene und Verwitwete; Menschen, die ein ausreichendes Einkommen haben, sind zufriedener als jene, die um Nahrung und Unterkunft bangen müssen.

Eine Frage der Einstellung

Und schließlich bestimmt auch das, was wir tun und denken, darüber, wie glücklich wir sind. Und dies, so Lyu­bomirsky, könne man bewusst einsetzen, um sein Glücksempfinden zu erhöhen. Dazu zählt beispielsweise, eine optimistische Sichtweise zu kultivieren, wie es Familienmensch Randy tut: sich eher auf die Erfolge als auf die Niederlagen zu konzentrieren und mit Hoffnung und Selbstvertrauen in die Zukunft zu blicken.

Kritiker bemängeln, dass die positive Psychologie die Möglichkeit, das Glücksempfinden zu steigern, zu optimistisch darstelle und ohnehin die Konzentration auf positive Gefühle – Stichwort Glückshype – zu einem Leben ohne Tiefgang und wahre Erfüllung führe. In einer aktuellen Studie zeigte sich allerdings, dass die Mehrheit das glückliche Leben als ideales Leben ansieht.

2. Sinn: Verbunden sein, Gutes tun, sich selbst begreifen, sich eingebettet fühlen

Ashley ist Tierpflegerin im Zoo von Detroit, wo sie sich um Giraffen und Kängurus kümmert. Die Mittdreißigerin arbeitet schwer, hat fast nie Urlaub und verdient wenig. Dennoch kann sie sich keinen anderen Beruf für sich vorstellen. Schon als Kind hat sie sich zu Tieren hingezogen gefühlt. Jetzt sieht sie es als ihre Mission an, ihren Schützlingen eine möglichst natürliche, anregende und gesunde Umgebung zu schaffen, auch wenn das für sie bedeutet, täglich stundenlang Mist zu schippen.

Ashleys Beispiel veranschaulicht ein zweites wichtiges Konzept des guten Lebens: Sinnerfüllung. Es geht auf das griechische Prinzip der Eudaimonia zurück. In einer eudaimonischen Haltung spielen ein höherer Lebenszweck, Zielstrebigkeit, Kohärenz, Hingabe und Opfer eine große Rolle.

In ihrem Buch Die vier Säulen eines erfüllten Lebens beschreibt Emily Esfahani Smith die zentralen Elemente eines eudaimonischen, sinnerfüllten Daseins:

Zugehörigkeit. Das Gefühl der Verbundenheit entsteht, wenn sich Menschen mit Aufmerksamkeit, Wertschätzung und Fürsorge begegnen. Dies kann bei Kontakten mit Freundinnen, Angehörigen, Kolleginnen und dem Partner geschehen, aber auch wenn man sich beispielsweise mit einer Fremden an Bord eines Flugzeugs einfühlsam unterhält.

Lebenszweck. Man muss sich nicht gleich zum Ziel setzen, den Hunger auf der Welt besiegen zu wollen. Befriedigend kann es schon sein, im Büro eine angenehmere Atmosphäre zu schaffen oder eben einer Giraffe das Leben schöner zu machen. Zwei Kriterien sind entscheidend: Erstens sollte es ein stabiles und weitreichendes Ziel sein, das ein Ordnungsprinzip des eigenen Lebens bildet. Und zweitens sollte es eine externe Komponente haben: den Wunsch, etwas in der Welt zu bewirken, sei es in der Familie, der Nachbarschaft oder einem größeren Rahmen.

Narration. Indem wir die einzelnen Bestandteile unseres Lebens zu einer Erzählung zusammenfügen, entsteht ein zusammenhängendes Ganzes. Nur so können wir unser Leben als schlüssig begreifen – und Schlüssigkeit ist nach psychologischen Erkenntnissen eine wesentliche Sinnquelle, schreibt Smith. Geschichten helfen uns, zu verstehen, warum uns etwas widerfährt, und eine Vorstellung davon zu entwickeln, wer wir sind und wie wir so geworden sind.

Transzendenz. Während einer transzendenten Erfahrung verspüren wir eine tiefe Verbindung zu anderen Menschen, dem Universum, der Natur oder einer religiösen Kraft. Während wir uns als Teil eines größeren Ganzen erfahren, lassen wir den Alltag eine Zeitlang hinter uns, und unsere Selbstwahrnehmung tritt zurück. Ängste, die mit unserer Existenz und dem Tod zusammenhängen, lösen sich auf, und einen Augenblick lang scheint der Sinn des Lebens offenkundig.

3. Psychologische Fülle: Interessiert und angeregt sein

Wie bei Ashley sind auch Natalyas Arbeitstage lang. Ihre Tätigkeit als Computerprogrammiererin macht ihr Spaß, aber sie definiert sich nicht über ihren Beruf und schätzt ihre Freizeit sehr. Sie liebt Bücher und Filme ganz unterschiedlicher Art: Krimis, kitschige Romanzen, Geschichten aus unterschiedlichen Ländern und Zeiten. Auch im echten Leben ist sie neugierig: Sie kann sich nichts Schöneres vorstellen, als am Wochenende stundenlang mit ihren Freunden neue Stadtteile zu erkunden und dabei die Besonderheiten und Macken der Bewohner genau zu beobachten.

Ihre Lieblingsausflüge sind ungeplant: Sie folgt gerne ihrer Stimmung und dem, was im Moment gerade ihr Interesse weckt. Zum Leidwesen ihrer Familie muss man sich bei Reisen mit ihr auch mal auf spontane Übernachtungen in heruntergekommenen Motels einlassen. Natalya würde immer das Unerwartete dem Sicheren vorziehen, und statt Einheitsfreude erlebt sie lieber ein Wechselbad intensiver Emotionen – von Traurigkeit und Schreck bis hin zu Staunen und Nostalgie.

Ausbruch aus dem Alltag

Natalya lebt das, was der Psychologe Shigehiro Oishi und die Philosophin Lorraine Besser ein „psychologisch reiches Leben“ nennen. Es ist ein Leben, in dem Menschen interessante und emotional anregende Dinge erleben, geprägt durch Komplexität, Neuheit und Perspektivwechsel. Das können Erfahrungen aus erster Hand oder stellvertretende Abenteuer in Romanen oder Filmen sein. Sie schubsen uns aus der Normalzone des Alltagserlebens und fordern uns kognitiv und emotional heraus, was zu einem Zustand psychischer Aktivierung (arousal) führt.

Das Bestechende an einem psychisch reichen Leben ist laut Oishi und Besser, dass es vielen Menschen zugänglich und in Abstufungen umsetzbar sei. So gebe es Menschen, die ihr gesamtes Leben auf psychischen Reichtum ausrichten – so wie Andy, ein Naturfotograf und Videofilmer, dessen Beruf ihn durch die ganze Welt und von einer anregenden Erfahrung zur nächsten führt. Aber auch Menschen wie Natalya, deren beruflicher Alltag eher durch Routine bestimmt ist, können ein mental anregendes Leben führen, indem sie neugierig sind und ihre Freizeit mit interessanten Erfahrungen füllen.

In einer Studie aus dem Jahr 2007 baten die Psychologen Todd Kashdan und Michael Steger Freiwillige, drei Wochen lang aufzuzeichnen, was sie jeden Tag so taten und wie sie sich dabei fühlten. Es zeigte sich, dass diejenigen, die sich an einem bestimmten Tag häufig neugierig fühlten, am zufriedensten mit ihrem Leben waren.

4. Genügsamkeit: Gut genug

Was ist der meistversprechende Job, der ideale Partner, die höchste Leistung, die ich erbringen kann? Wir streben danach, die besten Lösungen zu finden, unser Leben und uns selbst zu optimieren.

Es gebe jedoch noch einen anderen Weg, so der Autor Avram Alpert: the good enough life, ein Leben, das zwar nicht optimal, aber gut genug ist.

Im Buddhismus gebe es die Idee des mittleren Weges, schreibt Alpert, ein Leben, das weder übermäßig materialistisch noch zu asketisch ist. Auch romantische Dichter und Philosophen hätten betont, dass wir im Gewöhnlichen, Grundlegenden und Vertrauten große Freude finden könnten, die an uns vorbeigehe, wenn wir Sinn nur im Großartigen sähen.

Der Sozialwissenschaftler Herbert Simon kombinierte die Wörter satisfy (befriedigen) und suffice (ausreichen) zum Begriff satisfice, der ausdrückt, dass eine Lösung angemessen ist. „Eine solche zufriedenstellende Lösung kann die beste Wahl sein, wenn wir die Kosten für die Suche nach Alternativen berücksichtigen“, erläutert Philosoph Aaron Ben-Ze’ev. Das könne auch bedeuten, sich nicht dafür zu schämen, dass man eine Ehe führt, die „gut genug“ ist, zitiert er den Paarpsychologen Eli Finkel. „Ein ständiger Vergleich mit anderen ist tödlich“, so Ben-Ze’ev.

"Dankbar, ich zu sein."

Das hat auch die New Yorkerin Melissa erkannt. Als Teenager schien die Studentin das perfekte Leben zu haben: hervorragende Schulnoten, einen gutaussehenden und liebevollen Freund, verständnisvolle Eltern, eine beneidenswerte Figur, sportliche Erfolge. „Ich wünschte, ich wäre du“, sagten andere zu ihr. Doch sie selbst hegte Zweifel, wie sie in Psychology Today erzählt. Sie wollte intelligenter, schneller, dünner, besser sein, sich selbst übertreffen. Nach einer Phase von Depressionen und Drogen zog sie Bilanz – und realisierte, dass sie alles, was sie brauchte, schon hatte. „Ich bin dankbar, ich zu sein“, ist heute ihr Mantra.

Fazit: Es gibt nicht den einen Weg zum guten Leben, wie der humanistische Psychologe Barry Scott Kaufman unterstreicht: „Letztlich muss jeder den Weg finden, der am besten zu ihm passt.“ Oder wie Friedrich Nietzsche es formulierte: „Niemand kann dir die Brücke bauen, auf der gerade du über den Fluss des Lebens schreiten musst, niemand außer du allein. Zwar gibt es zahllose Pfade und Brücken und Halbgötter, die dich durch den Fluss tragen wollen; aber nur um den Preis deiner selbst; du würdest dich verpfänden und verlieren.“

Glücksstrategien

Manche Gewohnheiten tragen dazu bei, uns zufriedener zu machen und mit dem Leben zu versöhnen. In ihrem Buch Glücklich sein beschreibt die Psychologin Sonja Lyubomirsky dazu eine Reihe von Praktiken, zum Beispiel diese:

Dankbarkeit ausdrücken Dies sei eine Art Metastrategie des Glücks, schreibt Lyubomirsky. Eine „Haltung von Dankbarkeit“ könne man pflegen, indem man sich etwa all die Aspekte der eigenen Situation vor Augen führt, die gut sind. Oder indem man einem alten Mentor dankt, der einen in einer schwierigen Lebenssituation begleitet hat. Oder einfach indem man einen schönen Moment im Kreis der Familie oder mit Freundinnen bewusst genießt.

Freuden auskosten Natürlich ist niemandem geholfen, wenn man das Leid aus seinem Leben auszuklammern versucht. Aber auch nicht, wenn man sich darauf fixiert. Lyubomirsky rät, sich öfter auf die positiven Seiten der eigenen Situation zu konzentrieren. Man genießt die Gegenwart, indem man achtsam ist und glückliche Momente bewusst und mit allen Sinnen genießt, die Vergangenheit, indem man sich erlaubt, in schönen Erinnerungen zu schwelgen, und die Zukunft, indem man Vorfreude auf kommende Ereignisse zelebriert.

Grübeln durchbrechen Warum hat mich die Chefin heute so komisch angeschaut? Wird mein Haar immer dünner? Was passiert, wenn mein Vater an Demenz erkrankt? Sorgen sind im Leben unvermeidlich und manchmal sinnvoll. Doch wer ständig die eigene Situation und innere Befindlichkeit bis ins kleinste Detail seziert, riskiert, in eine unfruchtbare Grübelschleife zu geraten. Laut Lyubomirsky kann dann etwa helfen, mit einer vertrauten Person über die Sorgen und Nöte zu sprechen oder sie in einem Tagebuch „abzuladen“. Oder einen Aktionsplan zu entwickeln, um das Problem aktiv anzugehen. Oder eine Vogelperspektive einzunehmen und sich zu fragen: Wird dieses Problem in einem Jahr noch wichtig sein?

Sozialkontakte pflegen In gute Beziehungen zu investieren, sei es zu einer Liebespartnerin oder guten Freunden, beschert uns reiche emotionale Rendite, versichert Lyubomirsky. Hilfreiche Strategien: sich Zeit für die Lieben nehmen; sie wissen lassen, wie sehr man sie mag und schätzt; sich an ihren Erfolgen und Glücksmomenten erfreuen; in Konflikten zugewandt und fair bleiben; gemeinsame Rituale und Träume entwickeln.

Großzügig und hilfsbereit sein Eine kranke Freundin mit einer selbstgekochten Suppe überraschen, dem Nachbarn bei der Steuererklärung helfen oder die kleine Nichte zum Spielplatz begleiten: Anderen etwas Gutes zu tun fördert das Selbstbewusstsein, lenkt von Sorgen ab und stärkt das Gemeinschaftsgefühl – und das hebt die Stimmung. Am besten sei, einen Plan zu machen, wie oft und auf welche Weise man anderen helfen will. Dabei gelte, sich nicht zu wenig, aber auch nicht zu viel vorzunehmen, damit man sich nicht überfordert und frustriert fühlt. Auch hilfreich: die Wohltaten variieren und sich immer mal wieder neue Freuden für andere ausdenken.

Anders als viele materielle Belohnungen, die schnell verpuffen oder ungewollte Nebenwirkungen haben, wirken diese Strategien dauerhaft, so Lyubomirsky, weil sie wiederholbar und selbstverstärkend sind. Sie räumt allerdings ein, dass Denk- und Verhaltensgewohnheiten ziemlich beharrlich sind. Sie zu verändern erfordert Durchhaltevermögen.

Das ideale Leben

Welche Art von Leben wollen Menschen führen? Dies untersuchte Shigehiro Oishi von der University of Virginia zusammen mit 22 Mitforschenden aus aller Welt in einer 2020 veröffentlichten Studie. Sie befragten rund 3700 Personen aus den USA, Japan, Korea, Indien, Norwegen, Singapur, Portugal, Deutschland und Angola, für welche dieser drei Optionen sie sich entscheiden würden: ein glückliches Leben (charakterisiert durch Vergnügen, Freude, Stabilität und Komfort), ein sinnhaftes Leben (basierend auf Erfüllung und Sinn) oder ein psychologisch reiches Leben (mit einer Vielzahl von interessanten und perspektivverändernden Erfahrungen).

Das Ergebnis: In allen Ländern entschied sich die Mehrheit für ein glückliches Leben. Besonders beliebt war es in Korea (69,9 Prozent), Japan (65,5 Prozent) und den USA (62,2 Prozent). Den zweiten Platz erreichte das sinnerfüllte Leben, das je nach Land zwischen 33,9 und 14,4 Prozent der Befragten präferierten. An dritter Stelle landete das psychologisch reiche Leben, das zwischen 16,8 und 6,7 Prozent der Befragten als ideal ansahen.

In Deutschland war die Wahl zwischen den drei Varianten interessanterweise am ausgeglichensten: 49,7 Prozent der Angesprochenen entschieden sich für das glückliche, 33,5 Prozent für das sinnerfüllte und 16,8 Prozent für das psychologisch reiche Leben.

Literatur

Sonja Lyubomirsky: Glücklich sein: Warum Sie es in der Hand haben, zufrieden zu leben. Campus, Frankfurt, 2018

Emily Esfahani Smith: Die vier Säulen eines erfüllten Lebens. Was wirklich zählt. Goldmann, München 2020

Shigehiro Oishi u.a.: Happiness, Meaning, and Psychological Richness. Affective Science, 1, 2020, 107–115. DOI 10.1007/s42761-020-00011-z

Shigehiro Oishi u.a.: The psychologically rich life questionnaire. Journal of Research in Personality, 81, 2019, 257–270. DOI 10.1016/j.jrp.2019.06.010

Lorraine Besser, Shigehiro Oishi: The psychologically rich life. Philosophical Psychology, 33/8, 2020, 1053–1071. DOI 10.1080/09515089.2020.1778662

Barry Scott Kaufman: In Defense of the Psychologically Rich Life. Scientific American Mind, 28. August 2020. Abgerufen am 25.03.2021: https://www.scientificamerican.com/article/in-defense-of-the-psychologically-rich-life/

Avram Alpert: The Good Enough Life. New York Times, 20. Februar 2019. Abgerufen am 23.03.2021: https://www.nytimes.com/2019/02/20/opinion/the-good-enough-life-philosophy.html .

Aaron Ben-Zeév: The Good-Enough Partner. Psychology Today, März/April 2021, 45

Talentiert zur Lebenskunst

Manche Menschen scheinen eine Art Talent mitzubringen, ein erfülltes und zufriedenes Leben zu führen. Welche Eigenschaften befähigen sie dazu? Und kann man das lernen?

Text: Thomas Saum-Aldehoff

Das gute Leben – was für ein herrlich altertümlicher Ausdruck! Vielleicht ge­rade deshalb haben Psychologinnen und Psychologen der Universität Zürich um den Persönlichkeitsforscher Willibald Ruch diesen Begriff ausgegraben: weil er nicht nach jener Art von Instantglück klingt, das in Ratgebern oft versprochen wird. Denn „ein gutes Leben umfasst eben mehr als Glücklichsein und Wohlbefinden“, sagt Lisa Wagner, die zu Ruchs Team zählt. Zu einem guten Leben gehört neben Freude zum Beispiel auch, Sinn in seinem Dasein zu finden, gute Beziehungen zu anderen Menschen zu haben, Ambitionen und Ziele zu verfolgen und erfüllt zu sein von dem, was man tut (siehe dazu unseren Hauptartikel ab Seite 12).

Ruchs Züricher Team beschäftigt sich mit einer weitergehenden Frage: Was befähigt uns eigentlich dazu, ein gutes, befriedigendes Leben zu leben? Natürlich kommt es auf die Lebensumstände an. „Wenn Krieg herrscht oder ich Hunger leide, ist ein gutes Leben kaum möglich“, sagt Lisa Wagner. Nicht unerheblich ist, wie man finanziell ausgestattet ist und wie es um die Gesundheit steht. Neben solchen äußeren Faktoren, auf die wir nicht allzu viel Einfluss haben, gibt es aber auch eine „innere Determinante“ des guten Lebens. Ein gutes Leben ist einem vergönnt, wenn man darin „sein Potenzial ausschöpfen kann“, so Wagner, also die Eigenschaften ausleben kann, die Markenzeichen der eigenen Persönlichkeit sind und jedes Individuum auf seine eigene Weise im Leben weiterbringen.

Für solche Persönlichkeitsmerkmale, die zu einem guten Leben beitragen, haben sie in Zürich wie auch in den USA einen zweiten altertümlichen Begriff wiederbelebt: „Charakterstärken“. Gemeint sind nicht etwa preußische Tugenden wie Ordnung und Pünktlichkeit, sondern die Talente, die man braucht, um gut und erfüllt zu leben.

Die Forschung begann vor zwei Jahrzehnten, als der inzwischen verstorbene US-Psychologe Christopher Peterson und Martin Seligman (siehe unser Porträt in Heft 10/2019) sich vornahmen, explizit nach Eigenschaften Ausschau zu halten, die zu gelingenden menschlichen Entwicklungswegen beitragen. Sie versammelten Expertinnen und Experten, die zu ähnlichen Fragen forschten, und sammelten in einer Art Brainstorming solche Persönlichkeitsattribute. Am Ende stand eine Liste mit 24 Charakterstärken, von Kreativität über Bindungsfähigkeit bis „Sinn für das Schöne“, die sechs Oberbegriffen oder „Tugenden“ zugeordnet wurden (siehe rechte Spalte).

Diese Liste ist vorläufig und auch nicht in Stein gemeißelt. Doch inzwischen haben Studien vielfach bestätigt, dass die 24 Charakterstärken tatsächlich mit einer höheren Zufriedenheit und mit anderen Gradmessern eines guten Lebens einhergehen. Manche Stärken wie Dankbarkeit, Hoffnung, Enthusiasmus, Ausdauer oder Neugier zeigen starke, andere wie Bescheidenheit oder Sorgfalt eher schwache Verbindungen zur Lebenszufriedenheit.

Doch es stellte sich auch heraus: Die Wege zum guten Leben sind individuell ganz verschieden. Der eine zieht seinen Lebensmut daraus, viel zu lachen und Momente der Freude zu genießen. Eine andere strebt stattdessen eher nach Sinn und Erkenntnis. Welcher Weg einem liegt und von welchen Quellen der Lebenszufriedenheit man zehrt, hängt von den persönlichen Eigenheiten, eben den Charakterstärken ab. Das hat im vergangenen Jahr ein Team unter der Federführung von Lisa Wagner und ihrem Züricher Kollegen Fabian Gander in einer großen Onlinestudie dokumentiert.

5521 Frauen und Männer im Alter zwischen 18 und 86 Jahren wurden unter anderem nach den Aktivitäten, Empfindungen und Ressourcen gefragt, aus denen sie in ihrem Alltag Wohlbefinden, Sinn und mehr schöpfen. Martin Seligman, Mitbegründer der positiven Psychologie, unterscheidet hier fünf Quellen, aus denen sich ein befriedigendes Leben speist. Lisa Wagner und Fabian Gander konnten nun in ihrer Studie zeigen, dass Menschen je nach ihren Charakterstärken diese fünf Reservoirs eines guten Lebens auf unterschiedliche Weise nutzen:

Das erste Reservoir bilden positive Gefühle wie Freude, Behagen oder Stolz. Von dieser Ressource, so zeigte die Studie, profitierten vor allem Menschen mit Stärken wie Enthusiasmus, Hoffnung, Humor oder Neugier. Wer etwa Humor mitbringt, entdeckt im Alltag immer wieder komische Situationen – und trägt auch selbst tatkräftig zu solcher Alltagskomik bei. Das sind zwar nur flüchtige Wohlfühlmomente, doch bei humorvollen Menschen häufen sie sich, und aus diesen Augenblicken unbeschwerter Heiterkeit ziehen sie eine Menge Lebensqualität.

Konzentriertes Engagement, das zweite Reservoir, beschreibt das Vertieftsein und Sicheinbringen in Aufgaben, die man gut beherrscht, bisweilen verbunden mit selbstvergessenen Flow-Erlebnissen. Aus diesem Zufriedenheitspool schöpfen Menschen mit Stärken wie Kreativität, Liebe zum Lernen, Ausdauer oder Selbstregulation.

Positive Beziehungen sind ein Quell von Lebensqualität, an dem Personen mit Bindungsfähigkeit, Freundlichkeit, auch wiederum Humor sowie der Fähigkeit zum Teamwork sich in ihrem Alltag stärken. Menschen mit diesen Eigenschaften bringen die Gabe mit, Beziehungen aufzubauen und sie zu erhalten. Die Bindungsfähigkeit ist ganz besonders in Partnerschaft und Familie ein wichtiges Pfund, Freundlichkeit und Teamwork sind es in Freundschaften oder am Arbeitsplatz.

Sinn ist eine weitere wichtige Dimension von Lebenszufriedenheit. Sie ist, wie man sich denken kann, eng mit dem Persönlichkeitsmerkmal Spiritualität verknüpft, aber auch mit Hoffnung, einem Sinn für das Schöne, Neugier, Dankbarkeit und sozialer Intelligenz. Spiritualität und Sinn für das Schöne, so das Züricher Team, seien schon für sich Sinnquellen im Leben, während Neugier dazu motiviert, nach einem Sinn zu suchen. Dankbarkeit hingegen hat sich als ein Verstärker von Sinnempfinden erwiesen.

Die Ressource Errungenschaften (womit vor allem Leistung gemeint ist) hängt mit den Stärken Ausdauer und Enthusiasmus zusammen, aber auch mit perspektivischem, zukunftsgerichtetem Denken. Menschen, die aus dieser Ressource schöpfen, fokussieren sich auf die Ziele, die sie sich setzen. Ausdauer und Elan helfen ihnen dann, auf dem Weg dorthin bei der Stange zu bleiben.

Manche zehren also eher von der einen Ressource der Lebensbewältigung, andere von einer anderen. Doch wie die Daten zeigten, springt dabei unter dem Strich leider nicht für alle die gleiche Summe heraus. Das gute Leben ist ziemlich ungerecht verteilt. Vier Prototypen kristallisierten sich heraus:

1. Flourishers

Flourish heißt so viel wie „erblühen“. Tatsächlich scheinen diese rundum Glückstalentierten auf die Sonnenseite des Lebens abonniert zu sein. Sie haben keinen Mangel an allen fünf Nährstoffen eines zufriedenen Daseins: Gefühl, Flow, Beziehung, Sinn und Leistung. Denn sie bringen die entsprechenden Talente mit: Bei den meisten Charakterstärken hat diese Gruppe die höchsten Werte. Flourishers sind neugieriger, mutiger, ausdauernder, enthusiastischer, bindungsfähiger, freundlicher, hoffnungsvoller und „spiritueller“ als die anderen. Sie schöpften aus dem vollen Leben, wie Christopher Peterson es einmal ausgedrückte.

„Das sind schon erfüllte und engagierte Menschen“, bestätigt Lisa Wagner. „Sie sehen ein großes Ganzes, zu dem sie beitragen möchten.“ Sie bringen sich ein, in der Arbeit und in der Familie, sind vielseitig interessiert. So viel Tugendhaftigkeit mag abschreckend wirken, doch diese Menschen sind keine Vollkommenheitsstreber. Ihre Zufriedenheit ist nach Wagners Worten eher eine natürliche Beigabe ihrer Eingebundenheit ins Leben.

2. Languishers

Languish bedeutet „welken“. Der wenig charmante Ausdruck stammt von dem Soziologen und Psychologen Corey Keyes. „Welkende“ Menschen haben nach Keyes’ Definition keine krankheitswertige psychische Beeinträchtigung, also keine manifeste Depression oder Ähnliches. Dennoch fehlt es ihnen an Freude und an innerer wie äußerer Teilhabe am Leben, sie empfinden sich als Trittbrettfahrer.

Diese Menschen können leider aus keiner der fünf Quellen eines guten Lebens allzu viel Honig schöpfen. Denn sie bringen nur wenig von den Persönlichkeitseigenschaften mit, die das Leben reicher und leichter machen. In einer Charakterstärke allerdings liegen sie vorn: Bescheidenheit – doch unglücklicherweise trägt gerade diese Eigenschaft kaum zur Zufriedenheit bei.

3. Sinnsuchende

Unsocial eudainomics haben die Forschenden diesen Typus getauft. Doch eigentlich, sagt Lisa Wagner, sind diese Personen nicht zwangsläufig ungesellig oder gar unsozial. Es ist eher so, dass Beziehungen zu anderen Menschen für sie nicht den zentralen Stellenwert im Leben haben. Ihre Triebfeder ist eine andere: „Es geht ihnen um Sinn und Erkenntnis. Sie wollen die Welt verstehen.“ Ihre Stärken liegen in Charakterzügen wie Spiritualität und Hoffnung, sie zeigen aber auch beruflich hilfreiche Tugenden wie Sorgfalt und Lernbegierde.

4. Gesellige

Diese social hedonics sind eine Art Spiegelbild der Sinnsuchenden: Die Verbindung zu Menschen ist ihr Lebensinhalt, aus diesen Begegnungen schöpfen sie Freude, Verbundenheit, Nähe und viele andere schöne Empfindungen. Denn, so Lisa Wagner: Nirgendwo erleben wir so intensive positive Emotionen wie in der Begegnung mit Menschen, die uns sympathisch sind. Personen, die von dieser Ressource besonders zehren, bringen Stärken wie Bindungsfähigkeit, Freundlichkeit, Teamwork und Humor mit.

Ist es Schicksal, in welcher der vier Kategorien man landet? Einmal Languisher, immer Languisher? Zunächst muss man festhalten, dass die vier Prototypen nichts Statisches sind. Wahr ist aber auch: Menschen scheinen von Haus aus ein persönliches Grundniveau der Zufriedenheit und des Talents zum guten Leben mitzubringen, und sie bespielen dabei unterschiedliche Felder. Doch in – vielleicht gar nicht so engen – Grenzen lässt sich dieses Talent auch trainieren, wie große Studien und Metaanalysen gezeigt haben. Manche der Trainings, die dabei eingesetzt werden, zielen direkt oder indirekt darauf, bestimmte Charakterstärken zu fördern.

Lisa Wagner nennt als Beispiel Dankbarkeitsbriefe, eine Übung, die sie und Fabian Gander auch im Züricher Weiterbildungsstudiengang „Positive Psychologie“ einsetzen. „Man denkt an eine Person, von der man das Gefühl hat, dass man ihr noch nicht genug dankt hat.“ Etwa die Eltern. Oder den Partner. Oder eine frühere Lehrerin. Und dann schreibt man diesem Menschen einen Dankesbrief. Nächster Schwierigkeitsgrad: Man schickt diesen Brief auch ab. Höchste Eskalationsstufe: ein „Dankbarkeitsbesuch“: Man besucht die Person und liest ihr den Brief vor. „Ein sehr intensives Erlebnis“, weiß Wagner aus eigener Erfahrung. Kleine Übung, beachtliche Wirkung: Noch ein halbes Jahr nach einem solchen Training war in Studien ein kleiner Anstieg der Lebenszufriedenheit nachweisbar.

Neuerdings wird in Zürich ein Onlineprogramm angeboten, das Happy-Habits-Training (happyhabits.ch). Über acht Wochen hinweg sollen Gewohnheiten aufgebaut werden, die zu einem zufriedeneren Leben beitragen. Aus früheren Trainings weiß die Forschung, dass veränderte Gewohnheiten durchaus auch auf die Persönlichkeit und das Wohlbefinden abfärben können.

Doch welche Charakterstärken sollte man eigentlich trai­nieren: jene, in denen man schwächelt, oder die, in denen man ohnehin stark ist? „Grundsätzlich sind beide Strategien wirkungsvoll“, sagt Lisa Wagner. „Doch ich persönlich finde es viel sinnvoller, darauf zu achten, was ich gut kann. Wo liegen meine Stärken? Was macht mich glücklich? Wo und wie kann ich diese Eigenschaften einsetzen?“

Ihr eigenes Aha-Erlebnis hatte Lisa Wagner, als sie sich vor gut acht Jahren als Forschungsassistentin in Zürich bewarb und der sogleich ausgefüllte Fragebogen „Teamwork“ als ihre größte Stärke auswies. Die Charakterisierung, so sagt sie, habe ihr viel klargemacht über ihr Leben. Seither sucht sie gezielt Situationen auf, in denen sie mit anderen beisammen sein und kooperieren kann, und zieht daraus Antrieb und Euphorie für ihren Alltag. Und sie versucht bewusst – das war für sie ein neuer Aspekt –, auch die anderen an diesem Gemeinschaftsflow teilhaben zu lassen.

Die 24 Charakterstärken

Weisheit und Wissen Kreativität – Neugier – Urteilsvermögen –Liebe zum Lernen – Weisheit

Mut Authentizität – Tapferkeit – Ausdauer – Enthusiasmus

Menschlichkeit Freundlichkeit – Bindungsfähigkeit – soziale Intelligenz

Gerechtigkeit Fairness – Führungsvermögen – Teamwork

Mäßigung Vergebungsbereitschaft – Bescheidenheit – Vorsicht – Selbstregulation

Transzendenz Sinn für das Schöne – Dankbarkeit – Hoffnung – Humor – Spiritualität

Literatur

Lisa Wagner, Fabian Gander u.a.: Character strengths and PERMA: Investiga­ting the relationships of character strenghts with a multidimensional framework of well-being. Applied Research in Quality of Life, 15/2, 2020, 307–328

Ernst Fritz-Schubert, Tobias Rohde: Charakterstärken erkennen. Das Kartenset zur Persönlichkeitsentwicklung. Beltz, Weinheim 2018

Dieser Artikel befindet sich in der Ausgabe: Psychologie Heute 9/2021: Erfüllter leben