Freudentränen: Heul mal wieder

Kann man wirklich vor Glück weinen? Und wenn ja, in welchen Situationen? Forschende haben eine Taxonomie der Freudentränen erarbeitet.

Braut im Brautkleid an einem Tisch mit Blumengestecken, lacht glücklich und ein weiblicher Hochzeitsgast wischt sich vor Rührung eine Träne aus dem Auge
Bei einer Hochzeit kommt es nicht selten zu Tränen der Rührung, sowohl beim Paar als auch bei den Gästen. © Adam Hester

Haben Sie in letzter Zeit mal aus Freude geweint oder so sehr gelacht, dass Ihnen Tränen die Wangen runterkullerten? Wurden Ihnen von einem inspirierenden Song, einem Buch oder beim Sieg Ihrer Lieblingsmannschaft je die Augen feucht? Können Sie sich an einen Film erinnern, der Ihnen das Wasser der Rührung in die Augen trieb?

Man sollte annehmen, dass solche starken emotionalen Erfahrungen gar nicht so selten sind. Dichter und Denker haben sie seit jeher besungen. Dennoch wurden Freudentränen, dieses…

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Dennoch wurden Freudentränen, dieses bewegende menschliche Phänomen, von der modernen Psychologie fast vollständig übersehen.

Die Gründe dafür sind ebenso vielfältig wie unüberschaubar. Aber mit dem wachsenden Interesse der Wissenschaft an der Glücksforschung und am subjektiven Wohlbefinden wird den positiven Emotionen und auch ihren Ausdrucksformen mehr neue Aufmerksamkeit zuteil.

Bevor hier jüngste Forschungsergebnisse zu diesem thematischen Neuland vorgestellt werden, soll ein literarischer Abriss zeigen, dass dieses Phänomen die Dichter als Chronisten der Menschheit schon immer berührt und interessiert hat.

Freudentränen in der Literatur

Johann Wolfgang Goethe verblüffte im Alter von 25 Jahren die literarische Welt mit den Leiden des jungen Werthers. Eine Quasiautobiografie – und ein lebendiges Porträt seines romantisch veranlagten Helden, der in seiner Leidenschaft immer wieder von heftigen Weinanfällen geschüttelt wird. „Oh wenn ich dir nur mit tausend freudigen Tränen alle die Gefühle schildern könnte, die in meinem Herzen brennen“, beschreibt Werther seinem Freund Wilhelm überbordend seine Leidenschaft für Lotte. Sie erlaubt Werther, sich über „ihrer Hand die Augen auszuweinen“, und als er sich mit Wilhelm an diese romantischen Szenen erinnert, kann der Held erneut nicht an sich halten und muss schluchzen wie ein Kind.

Goethes Faszination für Freudentränen hat später europäische und amerikanische Dichter inspiriert. Englands großer Romantiker Wordsworth beispielsweise sah vor allem in der Natur die Auslöser für solche „positiven“ Tränen. In einem faszinierenden Essay von 1850 mit dem Titel Das poetische Prinzip betont dagegen Edgar Allan Poe, dass es gerade die Künste seien, die über die unheimliche Macht verfügten, Menschen zum Weinen zu bringen.

Aber wie und warum schaffen die Künste das? Aus Poes Sicht ist unser Sinn für Ästhetik nicht nur angeboren, sondern auch auf das Engste mit dem menschlichen Bedürfnis nach Transzendenz verbunden: „Wenn uns die Poesie oder die Musik in Tränen auflöst, weinen wir nicht aus einem leidenschaftlichen Exzess heraus“, sondern wegen unserer Unfähigkeit, „diese göttlichen Freuden“ zu fassen, von denen uns die Kunst nur „einen kurzen und unbestimmten Einblick“ gibt.

Was Poe damit andeutet: Die Künste schärfen unsere Wahrnehmung für die Kluft, die zwischen den erstaunlichsten und ergreifendsten Dimensionen menschlicher Erfahrung und unserem wenig spektakulären Alltagsleben liegt. Eben dieses Wissen um die Distanz bringe uns zum Weinen, meint Poe.

Schon Homer schrieb über Freudentränen

Freudentränen haben die Literatur auch schon lange vor Goethe, Wordsworth oder Poe beschäftigt. Bereits 2500 Jahre früher beschreibt uns Homer in der Odyssee das leidenschaftliche Weinen von Odysseus, als der Barde Demodokos die Geschichte vom Trojanischen Pferd besingt.

Virgil und Propertius feierten Tränen im ersten nachchristlichen Jahrhundert als romantisches Elixier, das Liebende näher zusammenbringt. Auch im Alten Testament werden immer wieder einmal Freudentränen vergossen: Beispielsweise als Josef nach vielen Jahren seinem jüngeren Bruder Benjamin wieder begegnet oder als das jüdische Volk nach der babylonischen Gefangenschaft in Jerusalem den Wiederaufbau seines heiligen Tempels erlebt. Angesichts solcher Beispiele lehnt man sich wohl kaum zu weit aus dem Fenster, wenn man behauptet, dass Menschen zu allen Zeiten und in allen Kulturen aus Freude geweint haben.

Positive Emotionen blieben in der Psychologie lange unbeachtet

Seltsamerweise wurde dieses machtvolle und anscheinend universelle Phänomen von der wissenschaftlichen Psychologie eher stiefmütterlich behandelt und nie richtig erforscht. Auch die Gründer der modernen Psychotherapie wie Sigmund Freud, Alfred Adler oder Carl Gustav Jung schenkten positiven Emotionen nur wenig Aufmerksamkeit und fokussierten sich lieber auf Ängste, Depressionen und Phobien. Und mit ihrem Schwerpunkt auf Experimenten mit Laborratten hatten auch die Behavioristen wie Watson oder Skinner kaum etwas zu diesem Thema zu sagen.

Erst Anfang der 1950er Jahre begannen amerikanische Psychotherapeuten vereinzelt, sich mit dem Phänomen zu beschäftigen. So argumentierten Joseph Weiss und Sandor Feldman, dass es sich bei Freudentränen in Wahrheit um Tränen der Trauer handele. Beide vertraten die Ansicht, dass Eltern auf den Hochzeiten ihrer Töchter nicht aus Glück weinen, sondern vielmehr aus Sorge um die Zukunft des eigenen Kindes oder weil sie soeben ihr „kleines Mädchen“ oder ihren Sohn für immer verloren haben. Beide Autoren waren der Meinung, dass Menschen nie wirklich aus Freude, sondern immer aus einem dahinterliegenden emotionalen Schmerz heraus weinen.

Aus Opposition gegen diese triste Weltsicht wurde in den 1960ern die humanistische Psychologie geboren. Nach dem Zweiten Weltkrieg blühte ein Zeitgeist auf, der von einem neuen Optimismus hinsichtlich der menschlichen Natur geprägt war. Abraham Maslow, der große Motivationsforscher, hatte beobachtet, dass Freudentränen oft während einer „Gipfelerfahrung“ rollen – also in Momenten großer persönlicher Erfüllung und freudiger Ergriffenheit. Nach Maslow werden solche Tränen auch von Gefühlen der Dankbarkeit für ein unverhofftes Glück begleitet. Rollo May, ein Mitbegründer der humanistischen Psychologie, sah Freudentränen in engem Zusammenhang mit dem kreativen Prozess und seinen Entdeckerfreuden.

Auf der Spur der „freudigen Erschütterung“

In jüngster Zeit hat sich eine neue Forschergeneration der Bedeutung von Emotionen für eine gesunde Persönlichkeit zugewandt. So stellte Jutta von Buchholz 2002 fest, dass viele Olympiasiegerinnen und -sieger im Moment ihres Triumphs weinten. Sie erklärte das so: „Tränen flossen unabhängig von Geschlecht, Ethnie oder Nationalität. Warum zeigt jemand solche privaten Emotionen in der Öffentlichkeit? Kann intensives Glück plötzlich schmerzlich werden und die Schleusen öffnen? Mir wurde bewusst, wie nah Freude und Trauer beisammenliegen. Und wenn sie zusammenkommen, fließen Tränen.“

Die Psychologen Ad Vingerhoets von der Universität Tilburg und William Broad von der Sofia University in Kalifornien haben sich besonders auf die heilsame Wirkung von Tränen spezialisiert, sowohl in Glücks- als auch Stresssituationen. Broad sieht Freudentränen als Ausdruck von Empfindungen wie Ehrfurcht, Dankbarkeit oder freudiger Überraschung.

Wie die Freudentränen erforscht wurden

Zwei Jahre lang hat eine internationale Forschergruppe Freudentränen in mehreren Ländern auf der ganzen Welt untersucht – darunter die USA, Italien, Indien, die Schweiz und mehrere südamerikanische Länder wie Argentinien, Brasilien oder Guatemala. Befragt wurden Männer und Frauen jeden Alters. Bei ungefähr der Hälfte von ihnen handelte es sich um Studierende, Freunde oder Angehörige von ihnen. Andere stammten aus dem persönlichen Umfeld der Forschergruppe, etwa Kollegen oder Professorinnen.

Die Teilnehmenden sollten in einem Fragebogen angeben, wie oft sie im vergangenen Jahr Freudentränen vergossen hatten, bei welchem Anlass und wie lange das letzte Ereignis zurücklag. Dieses letzte Erlebnis sollte anschließend mit eigenen Worten beschrieben und in seiner Intensität auf einer Fünfpunkteskala bewertet werden.

Die Antworten bei dieser Datenerhebung konnten zwar nicht anonym behandelt werden, aber die positive Ausrichtung der Studie – es ging ja vor allem um freudvolle Erlebnisse, nicht um Traumatisches oder Schmerzhaftes – ermutigte die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler darin, dass die Teilnehmenden sich ehrlich öffnen würden. Die Ergebnisse waren so erstaunlich, dass weitere Studien geplant sind. 

Weil das Phänomen Freudentränen noch nie systematisch untersucht wurde, war es das erste Anliegen der Forschergruppe, eine zuverlässige Klassifizierung und Typologie zu erstellen. Denn es zeigte sich sehr bald: Das Phänomen der Freudentränen ist über ein weites Feld menschlicher Erfahrungen verteilt. Die Forscher fanden 18 verschiedene Kategorien von Momenten, in denen Menschen vor Glück, Freude oder positiver Erschütterung weinen – weit mehr als Goethe, Poe oder Wordsworth je geahnt hatten. Dabei tauchten auch zahlreiche Situationen auf, in denen kaum jemand Freudentränen erwartet hätte. Die von den Literaten besungene Natur oder Künste als große „Erschütterer“ kamen dagegen eher selten vor.

18 Ereignisse, die Menschen kulturübergreifend zum Weinen brachten

Bemerkenswerterweise rührten folgende 18 Anlässe kulturübergreifend Menschen zu Tränen:

  1. Nichtromantische Rührungen, die in der Regel ein Familienmitglied oder einen engen Freund betreffen. Gute Nachrichten für eben diese Person – romantischer oder beruflicher Natur – sind ein vielfacher Auslöser in dieser häufigsten Kategorie (17,3%).

  2. Die Geburt eines Kindes, die meistens von einem Elternteil, aber oft auch von Großeltern, Onkeln, Tanten oder Familienfreunden berichtet wird. In dieselbe Kategorie fallen auch Freudentränen, die bereits durch die Nachricht einer Schwangerschaft ausgelöst wurden, vor allem wenn das Paar zuvor unter Unfruchtbarkeit gelitten hatte. Diese Kategorie erwies sich als die zweithäufigste (13,5%).

  3. Das Erreichen eines persönlichen Ziels, wie die Aufnahme an einer bestimmten Universität oder eine Jobzusage: In diese Kategorie gehört auch Anerkennung der eigenen Leistung von außerhalb, wie beispielsweise ein Preis (11,5%).

  4. Freudige Wiedersehen aller Art, die normalerweise enge Familienbeziehungen (Brüder und Schwestern, Eltern und Kind) betreffen oder auch in Gruppensituationen stattfinden. In der heutigen Zeit ereignen sich solche Momente oft an Flughäfen (9,1%).

  5. Starke Identifikation mit einem Film oder einem Buch, fiktiv oder auch nicht-fiktiv: Wie es in der von den Medien dominierten heutigen Welt zu vermuten war, gehört dieser Erfahrungstyp zu den häufigsten Auslösern für Freudentränen. Zwei Teilnehmer nannten sogar unabhängig voneinander den amerikanischen Klassiker Ist das Leben nicht schön? von Frank Capra. Auch sentimentale Filme, oder „gefühlige“ Fernsehsendungen, Romane oder Autobiografien wurden erwähnt. Typische Auslöser im Detail waren besonders häufig romantische Filmszenen, etwa wenn ein Liebespaar nach langer Trennung wiederzueinanderfindet (8,2%).

  6. Reflexionen über das eigene Leben: Diese Erfahrung, die in dieser Studie relativ oft als Auslöser für Freudentränen angegeben wurde und eine eigene Kategorie bildet, wurde im Vorfeld der Untersuchung nicht erwartet. Sie wird oft von starken Gefühlen der Dankbarkeit begleitet – so wie es von Maslow schon in seiner Arbeit zu den „Gipfelerfahrungen“ oder in jüngerer Zeit von William Broad beschrieben wurde. Maslow vertrat zudem die Ansicht, dass einer der emotionalen Vorteile eines langen und bedeutungsvollen Lebens die Vergegenwärtigung vergangener Erfahrungen sei – und das damit auch wiedererfahrene Glück (6,7%).

  7. Zwischenmenschliches Lachen: Augenblicke der Fröhlichkeit oder Ausgelassenheit in Gruppen oder unter Freunden, in denen die Probanden so stark lachten, dass ihnen dabei Tränen die Wangen runterrollten (3,8%).

  8. Wiedergenesung einer geliebten Person von einer Krankheit oder einem Unfall: Typisch für diese Kategorie: Ein Familienmitglied wacht nach einer Operation aus der Narkose auf oder wird über die erfolgreiche Behandlung informiert (2,9%).

  9. Die eigene Wiedergenesung von einer Krankheit oder einem Unfall: Häufig wurden Situationen erwähnt wie die, in der eineÄrztin einen darüber informiert, dass ein Krebs erfolgreich entfernt werden konnte (2,4%).

  10. Sport- oder Prominenteneuphorie tauchte in der Studie häufiger bei Männern auf. So flossen etwa Freudentränen, wenn die Lieblingsmannschaft gewonnen hatte. In diese Kategorie fallen auch Tränen, die durch den Wahlsieg eines Lieblingspolitikers oder den aus der Nähe miterlebten Auftritt einer verehrten Persönlichkeit hervorgerufen wurden. In den 1960er Jahren sprachen die globalen Massenmedien von „Beatlemania“, heute sind beispielsweise Justin-Bieber-Fans oft den Tränen nahe. Allerdings sind diese durch Prominente ausgelöste Freudentränen nicht allzu häufig (2,4%).

  11. Ein materieller Gewinn, wie etwa ein Lotteriegewinn oder ein begehrtes Geschenk: In dieser Kategorie ist es das Objekt, welches Tränen hervorruft, und nicht etwa der Schenkende. Innerhalb der Studie eine eher seltene Erfahrung (2,4%).

  12. Ästhetisches Vergnügen: Trotz der Faszination, mit der Dichter wie Poe das Weinen angesichts von Musik, Poesie oder Kunst beschrieben, erwies sich diese Kategorie innerhalb der Studie als eher selten (1,4%).

  13. Individuelle religiöse Erfahrungen oder auch anderes transzendentes und sprituelles Erleben wie beispielsweise durch Yoga oder Meditation (1,0%).

  14. Religiöse Gruppenerfahrungen, die meistens im institutionellen Rahmen stattfinden, wie Gebetsrunden oder Gottesdienste (1,0%).

  15. Zeuge einer edlen oder altruistischen Handlung werden: Auch diese Kategorie stand vor der Studie nicht auf dem Zettel der Forscher. Und selbst wenn sie nur wenig zitiert wurde, so kommt sie in allen Kulturkreisen vor und wird in der Regel durch einen Akt der Güte hervorgerufen, den eine meist unbekannte Person begeht (1,0%).

  16. Naturerfahrungen: Auch wenn einige wenige Teilnehmer von emotionalen Naturbetrachtungen berichteten – einem dramatischen Sonnenuntergang etwa –, war diese Kategorie die seltenste (0,4%).

  17. Ein Kind dabei beobachten, wie es seine ersten Worte sagt oder sein erstes Fest oder eine Initiationsfeier erlebt. Dazu gehörten sowohl säkulare Ereignisse wie Geburtstage oder Klassenfeiern als auch religiöse wie die jüdische Bar-Mizwa oder die Konfirmation.

  18. Romantisches Glück, das man bei einem Heiratsantrag, einer Hochzeit oder gar Hochzeitsvorbereitungen mit dem Partner empfindet. Zu dieser Kategorie gehören ebenso eher alltägliche romantische Momente, wie Liebesbekundungen von Angesicht zu Angesicht oder auch über das Telefon.

Was brachte die Studie noch ans Tageslicht?

Mit überwältigender Deutlichkeit stellte sich heraus, dass Freudentränen ein Erlebnis voll emotionaler Kraft sind. Die große Mehrheit der Teilnehmenden stufte die Intensität ihrer letzten diesbezüglichen Erfahrung als „stark“ oder „sehr stark“ ein. Dabei war die Kategorie nicht von Bedeutung – die emotionale Bewegung konnte überall gleich stark sein. Kaum überraschend war jedoch, dass eine Geburt, romantische Liebe oder die Heilung von einer Krankheit generell als noch intensiver eingestuft wurden als ein Sportsieg oder kollektive Heiterkeit.

Auch wenn Frauen häufiger aus Freude weinten als Männer, so war der Unterschied nur marginal. Sehr viele Männer berichteten von Momenten höchster Intensität: Ein Argentinier erzählte von einem Brief, den ihm seine ansonsten sehr reservierte Schwester geschrieben und ihm darin ihre tiefe Liebe für ihn zum Ausdruck gebracht hatte. Für einen Inder war die Annahme an einer sehr prestigeträchtigen Universität ein solcher Augenblick.

Zum Schluss bleibt die Frage nach denjenigen, die noch nie in ihrem Leben Tränen des Glücks vergossen haben. Es zeigte sich, dass es solche „Fälle“ in allen Kulturkreisen gab und dass sich durchschnittlich acht Prozent der Befragten als „Nichtweiner“ auswiesen. Auffallend ist die Tatsache, dass es sich hierbei fast ausschließlich um Männer unter 30 handelte. Umgekehrt blieb keine Frau über 30 und kein Mann über 40 vom Erlebnis der Freudentränen „verschont“. Das könnte ein Indiz dafür sein, dass die Fähigkeit zu Freudentränen Teil einer gesunden emotionalen Entwicklung ist, die über eine längere Lebenszeit stattgefunden hat. Natürlich sind manche Menschen sentimentaler als andere und haben nicht nur bei negativen Erfahrungen „näher am Wasser gebaut“. Aber vielleicht ist auch ein entwickeltes Bewusstsein für die Vergänglichkeit und Kostbarkeit des Lebens die Voraussetzung dafür, aus Freude oder vor Glück weinen zu können. Das wäre dann ein Hinweis für einen gewissen Grad an Reife.

Humanistische Psychologen wie Shoji Muramoto von der Universität Kobe in Japan meinen, dass Freudentränen einen nicht unerheblichen Einfluss auf die mentale Gesundheit haben: „Genau aus diesem Grund strömen Männer und Frauen in die Kinos“, glaubt er. Denn: „Dort gibt es solche Erfahrungen, die im alltäglichen Leben allzu oft fehlen.“

Dieser Artikel befindet sich in der Ausgabe: Psychologie Heute 10/2013: Was haben wir falsch gemacht?