Was sehen Sie hier, Jakob Schwerdtfeger?

Ein Mann liegt schlaflos im Bett. Welche Geschichte erzählt dieses Bild? Eindeutig ein Fall für den Kunstkabarettisten Jakob Schwerdtfeger.

Die Illustration zeigt zwei Männer, die sich im Bett gegenüber liegen. Einer von ihnen ist wach uns sieht betrübt aus.
Zwei Personen liegen nebeneinander im Bett. Doch eine von ihnen ist wach und grübelt über das Leben nach. © Andrea Ventura für Psychologie Heute

„Herzrasen, Gedankenspiralen, keine Chance zu entkommen, er ist wach. Früher hatte er immer geschlafen wie ein Stein. Jetzt liegt er da wie in einem tristen Bild von Edward Hopper. Er ist neidisch auf die regelmäßigen Atemzüge seiner Frau, die leise neben ihm schnarcht. Die blaue Decke kratzt, sein ganzes Leben kratzt, denn das Publikum lacht nicht mehr.

Heute Abend bei der Show hat er es wieder gemerkt. Etliche seiner Witze sind ins Leere geschossen und haben nur peinlich berührte Stille hinterlassen. Dabei ist es sein Job, lustig zu sein. Hat er den Anschluss verloren? Ist der Zeitgeist an ihm vorübergezogen? Und wo genau ist die Grenze zwischen Comedian und traurigem Clown? ‚Für uns Bühnenkünstler ist das Schwierigste, in Würde zu altern‘, hatte ein Kollege mal gesagt. ‚Stimmt‘, denkt er träge. Er ist müde, so müde, doch seine Augen bleiben offen und starren ins Nichts.“

Was könnte Ihre Bildbeschreibung mit Ihnen persönlich zu tun haben?

„Ich kann mich in das Bild gut einfühlen. Nachts wachliegen und den Sorgen ausgeliefert sein – so ging es mir immer wieder als freischaffender Kabarettist während der Lockdowns. Natürlich waren da existenzielle Ängste. Plötzlich wurde mir bewusst, wie risky die Entscheidung war, von meiner Kunst zu leben. In der Coronazeit hat eine Entfremdung zwischen dem Publikum und Auftretenden stattgefunden und erst langsam kehrt diese Connection zurück. Es gibt nichts Schöneres, als abends auf der Bühne zu stehen und die eigenen Witze funktionieren. Nur mit einem Mikrofon in der Hand entsteht da eine unfassbare Energie. Nirgendwo bin ich so fokussiert und so sehr nur im Moment wie auf der Bühne. Das macht mich sehr glücklich und dann denke ich mir: ,Ja, es ist nicht immer leicht, aber das ist es wert.‘“

Jakob Schwerdtfeger, einst Kunsthistoriker am Frankfurter Städel-Museum, hat sich mit „Kunstcomedy“ ein eigenes Genre geschaffen. „Ein Bild für die Götter“ heißt sein aktuelles Bühnenprogramm. Näheres unter: jakob-schwerdtfeger.com

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