Bitte mit mehr Nachdruck

Das Wort „Bitte“ zu sagen, gilt als höflich. Doch verwenden wir es bloß, um unser Gesicht zu wahren oder steckt eine weitere Intention dahinter?

Zwei Frauen, mit Umzugskartons, laufen gemeinsam in einem Treppenhaus die Treppen hoch
„Kannst du mir helfen, die Kisten hochzubringen? Bitte!“ Verlangt unser Auftrag körperliche Ressourcen, sind wir höflicher. © Anchiy/Getty Images

Menschen scheinen sehr viel seltener „bitte“ zu sagen, als man annehmen könnte. Dies ergab eine Auswertung von insgesamt 1060 auf Video aufgezeichneten Szenen, in denen Personen von anderen etwas wollten. Die Analyse ergab, dass die Erwachsenen und Kinder nur in sieben Prozent der Fälle das Wort „bitte“ nutzten. Warum taten sie es meist nicht?

Offenbar verwendeten sie es nur, wenn ihnen ihr Anliegen als nicht angemessen erschien, wenn sie beispielsweise merkten: Was ich hier will, das verlangt der anderen Person etwas ab, es kostet Zeit, Anstrengung. Überwindung. Das Ziel des Partikels war also, dem eigenen Anliegen Nachdruck zu verleihen.

Höflich und taktvoll

Die Forschenden wollten mit ihrer Analyse Theorien aus Soziologie und Sozialpsychologie überprüfen. Ihr Ausgangspunkt war die sogenannte Facework-Theorie des Soziologen Erving Goffman, die besagt, dass wir in sozialen Interaktionen aller Art bemüht sind, Gesicht zu wahren, das eigene und das der anderen. Dies tun wir beispielsweise, indem wir uns höflich und taktvoll verhalten und Rücksicht nehmen.

Die Theorie wurde später noch ausgeweitet: So nehmen Soziologinnen und Sozialpsychologen an, dass etwa der soziale Status und die Hierarchie bei der Verwendung des Worts „bitte“ eine Rolle spielen. Es wird zudem vermutet, dass Kinder das Wort öfter sagen als Eltern – und Frauen öfter als Männer. Die neue Analyse fand für diese Thesen keine Hinweise. Die Videoszenen stammten aus Kommunikationsstudien einer Universität in San Francisco.

Quelle

Andrew Chalfoun u.a.: The magic word? Face-work and the functions of please in everyday requests. Social Psychology Quarterly, 2024. DOI: 10.1177/01902725241245141

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Dieser Artikel befindet sich in der Ausgabe: Psychologie Heute 10/2024: Bin ich gestresst oder habe ich ADHS?
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