Keine Angst vor ... der Zukunft

Ein Leben wie mit angezogener Handbremse: Michael Baral hatte lange Zeit Angst vor der Zukunft. Dann befreite ihn ausgerechnet die Pandemie davon.

Früher hatte ich oft Angst, wie mein Leben weitergehen soll. Selbst auf Partys konnte ich mich manchmal nicht fallenlassen. Vielleicht sollte ich mich lieber um Aufträge kümmern, statt zu feiern? Oft bin ich wie mit angezogener Handbremse durchs Leben gegangen.

Sicher lag das daran, dass ich als ein selbständiger Schauspieler nie hundertprozentige Sicherheit habe. Dazu kam, dass mir vieles nicht in den Schoß gefallen ist: Als ich ins teure München zur Schauspielschule ging, hat mein Vater prophezeit, dass ich bald wieder vor der Tür stehen werde – ich sollte „was G’scheits“ machen.

Durch meinen Umzug nach Berlin wurde ich ruhiger, weil Geld hier allge­mein weniger wichtig ist. Wirklich begriffen, dass das Leben immer irgendwie weitergeht, habe ich aber erst durch Corona: Ein Freund kämpfte ums Über­leben, und ich machte mir täglich Sorgen, dass sich meine Mutter infizieren könnte.

Gleich im ersten Lockdown verbrach­te ich fast einen Monat bei ihr auf dem Land. Niemand in meiner Branche hatte Arbeit, auch ich nicht. Also pflanzte ich Kartoffeln im Garten, meditierte und ging im Wald joggen. Meine Mutter erzählte, wie sie im Krieg gelernt ha­be, von Tag zu Tag zu leben. So wurde mir klar: Du kannst dir weiter Sorgen um deine Mutter und deine Arbeit machen – oder du kannst dich freuen, dass du durch die Pandemie jetzt so viel Zeit mit ihr verbringst.

So habe ich gelernt, den Moment zu genießen, ohne privat oder beruflich sofort an später zu denken. Ich kann in das Leben vertrauen.

Michael Baral ist Schauspieler und Synchronsprecher.

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Dieser Artikel befindet sich in der Ausgabe: Psychologie Heute 12/2021: Gelassen durch ungewisse Zeiten
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