Auf Partnersuche

​Menschen „handeln“ mit Sex, wenn sie für sich werben, meint der Psychologe Roy Baumeister. ​

Die Illustration zeigt einen attraktiven Frauenkörper, der anstelle eines Bauchnabels einen Geldschlitz hat, davor eine Hand, die im Begriff ist, eine Münze einzuwerfen, um sich Sex zu kaufen
Sexuelle Attraktivität: ein Handelsgut auf dem Partnermarkt? © Joni Majer

Menschen sind heute öfter als nur einmal im Leben auf Partnersuche, sei es aktiv oder beiläufig. Alle haben dabei bestimmte Erwartungen an den potenziellen Partner. Wie evolutionspsychologische Studien zeigen, ist Vertrauenswürdigkeit sehr gefragt, ebenso physische Attraktivität, körperliche Fitness, Geld, Erfolg sowie ein gewisser Status.

Welche Rolle spielt Sex dabei? Eine Antwort auf diese Frage geben der Psychologe Roy Baumeister und seine Kollegen Tania Reynolds, Kathleen Vohs und Bo Winegard in einem aktuellen Forschungsüberblick. Demnach handele es sich bei der Partnersuche um einen Kampf um sexuelle Ressourcen, und dieser könne auch noch nachwirken, wenn zwei sich verliebten und zusammenblieben. Baumeister und seine Kollegen hatten das erstmals 2004 mit ihrer sexual economics theory beschrieben und erweitern diese Theorie nun. Baumeister definiert den „sexuellen Markt“ als ein komplexes kulturelles Phänomen, geprägt von vielen sozialen Ritualen, Täuschungen und Erwartungen, unterschiedlichsten Wünschen und Anforderungen an potenzielle Partner und wirtschaftlichen Interessen. Unsere evolutionären Wurzeln bildeten bei alldem lediglich die Grundlage. Aber dieses biologische Erbe treibe uns bei der Partnersuche stark an, davon ist Baumeister überzeugt. Frauen sind nach evolutionspsychologischer Vorstellung vor allem auf eine stabile Partnerschaft angewiesen, um ihren Reproduktionserfolg sicherzustellen; Männer hingegen auf möglichst häufige sexuelle Kontakte.

Zunächst sei der Partnermarkt ein Markt wie andere auch, nämlich von Angebot und Nachfrage geprägt. Frauen auf Partnersuche bemühten sich, selbst attraktiver und besser zu sein als andere Frauen, um einen Wunschpartner auf sich aufmerksam zu machen. Dabei bieten sie laut Baumeister implizit auch Sex mit an. Eine Reihe von Studien liefere hierfür Evidenz. In einer davon empfahlen die attraktiveren Teilnehmerinnen anderen Frauen, also potenziellen Konkurrentinnen, ein konservativeres Outfit und wählten für sich selbst Kleidung, die ihre Attraktivität unterstrich. In einer weiteren Studie über Onlinedating wurden die Teilnehmerinnen gebeten, Partnerprofile sowie die eigene Person im Hinblick auf verschiedene Kriterien wie Attraktivität, Persönlichkeit oder Intelligenz einzuschätzen. Eine Gruppe erfuhr, es seien viel mehr Frauen unterwegs als Männer. Diese Probandinnen legten in ihren Beschreibungen wesentlich mehr Wert auf eine schlanke Figur, sexuelle Attraktivität und gutes Aussehen als die anderen, die informiert worden waren, es gebe auf dem fiktiven Markt einen Männerüberschuss.

Männergruppen

Geht es nach Baumeister und seinen Forscherkollegen, ist die Lage bei Männern (noch) anders. Sie seien diejenigen, die Sex suchten und dafür Ressourcen wie Erfolg und Geld anböten. Auch sie konkurrierten mit anderen Männern, aber weniger individuell, sondern vielmehr in Gruppen, etwa in Firmen, Institutionen oder im Sport. Es gehe darum, im Kampf um Ressourcen wie Geld, Erfolg und Anerkennung zu bestehen. Innerhalb von Teams und Gruppen bildeten sich Hierarchien, und die besten Teammitglieder würden von den anderen unterstützt, damit die Gruppe insgesamt erfolgreich sei. Und das verspreche auch dem einzelnen Mann mehr Erfolg.

Beide, Frauen und Männer, machen den Psychologen zufolge ihren Partnern zu Beginn einer Beziehung unbewusst ein Versprechen, nämlich dass sie jeweils die Erwartungen des anderen erfüllen würden. Was bedeute, dass es um einen Deal gehe: Männer demonstrierten ihrer Wunschkandidatin, dass sie bereit seien, ihre Ressourcen in die künftige Partnerschaft und Familie zu investieren, und erwarteten dafür von Frauen Sex. Allerdings könnten im Verlauf der Beziehung beim Sex die Erwartungen auseinanderdriften, vermuten die Forscher. Eine Reihe von Untersuchungen belegt laut Baumeister und seinen Kollegen, dass es in Langzeitbeziehungen häufiger Männer seien, die öfter Sex wollten als Frauen. So könne es beim Thema Sex zu Unzufriedenheit auf beiden Seiten kommen.

Idealvorstellungen werden angepasst

Die Forschung von Roy Baumeister und seinen Kollegen fokussiert sich auf einem archaischen, durch die Evolution geprägten Teil der menschlichen Partnersuche. Das Verhalten der Menschen beim Suchen und Finden der Liebe wird natürlich von vielen weiteren Parametern bestimmt. Das zeigt zum Beispiel auch eine neue Studie von Forschern der Universität Göttingen. Die Psychologen hatten als eines der ersten Forschungsteams nicht nur die Präferenzen von Partnersuchenden erfasst, sondern diese auch verglichen mit den Vorlieben, die die Probanden dann zu Beginn einer neuen Beziehung hatten. Ergebnis: Die frisch Verliebten hatten offenbar ihre Erwartungen angepasst, wenn der neue Partner ihren Vorstellungen nicht entsprach – dies relativ deutlich bei der Eigenschaft „Vitalität/Attraktivität“, zu der laut Definition auch Sexyness gehörte. Die Autoren vermuten, dass diese „Herabstufung“ der Erwartungen mit dem Ziel passiert, Stress zu vermeiden und Diskrepanzen zu verringern.

Roy F. Baumeister u. a.: Competing for love: Applying sexual economics theory to mating contests. Journal of Economic Psychology, 2017. DOI: 10.1016/j.joep.2017.07.009

Tanja M. Gerlach u. a.: Predictive validity and adjustment of ideal partner preferences across the transition into romantic relationships. Journal of Personality and Social Psychology, 116/2, 2019. DOI: 10.1037/pspp0000170

In diesem Artikel wird Roy Baumeister Sicht auf Sexualität kritisiert: https://tinyurl.com/PH-Baumeister

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Dieser Artikel befindet sich in der Ausgabe: Psychologie Heute 5/2019: Bin ich gut genug?
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