Konsumkritik: Duft-Geschmack

Verzicht auf Softdrinks aufgrund der Kalorien? Nicht mit Duft-Geschmack! Der Markt erlaubt uns heute, ganz ohne Sünde zu sündigen.

Aufgrund des Zuckers verzichten vielen auf Softdrinks. Dabei braucht man eigentlich nur die richtige Parfum-Trinkflasche. © mountainbrothers/Getty Images

Wer oft in den sozialen Netzwerken unterwegs ist, kennt sie zur Genüge: Werbung der Firma air up, die Wasser mit Scentaste produziert. Gemeint ist Geschmack, nur durch Duft erzeugt – Softdrinks ohne Kalorien­kollateralschäden.

In einem der Spots sieht man eine urinierende Frau, die dem Trendgetränk so sehr zugesprochen hat, dass sie ewig eine Toilette blockiert. Air up versinnbildlicht damit den Wandel der Ideologie in liberalen Konsumkulturen, wie ihn der psychoanalytische Philosoph Slavojiek beschreibt. Traditionell liefert Ideologie Feigenblätter für jene, die Triebe befriedigen, Perversionen ausleben, Schwächen nachgeben wollen. Sie predigt: Verzichte, sei stark und heroisch, opfere dich!

Aber eigentlich ist sie Vorwand etwa für Sadisten, Schwächere zu verprügeln. In jüngeren liberalen Konsumkulturen indes sagt die Ideologie: Kämpfe nicht gegen deine Schwächen an! Du musst dich nicht ändern, nicht verzichten, keine Opfer bringen. Denn der Markt erlaubt dir, ohne Sünde zu sündigen – wo Sintaste war, soll Scentaste werden.

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Dieser Artikel befindet sich in der Ausgabe: Psychologie Heute 9/2024: Meine Grenzen und ich
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