„Nimm es doch nicht so persönlich.“ „Jetzt hat sie sich wieder angegriffen gefühlt.“ Derlei Sätze haben Sie sicher schon mindestens einmal gehört oder selbst ausgesprochen. Es sind Sätze, denen man oft mit dem Gefühl nachspürt, es sei in dem gemeinsamen Gespräch kein wirkliches Verständnis füreinander gelungen. Sie enttarnen uns als beleidigt und gekränkt und kommen definitiv nicht gut an. Eine verbale Alltagsfloskel, die als Totschlagargument genutzt wird, um das Gegenüber kommunikativ ruhigzustellen.
Wer diese Sätze sagt, bringt zum Ausdruck, dass er meine Gefühlslage zentral erfasst hat. Und er legt mich mit der Deutung auf einer persönlichen Ebene fest, die aus meiner subjektiven Sicht aber nicht als persönlich wahrgenommen werden darf.
Ein Widerspruch?!
Dieser Art von Schlussfolgerungen haftet etwas Beurteilendes und Zuschreibendes an und sie führen zu zwei Annahmen: Etwas persönlich zu nehmen ist erstens nicht professionell. Und zweitens zeigt es der anderen Person, dass ich nicht einverstanden bin mit den Inhalten, die sie kommuniziert hat.
Eine Annäherung ermöglichen
Die Deutung, dass jemand etwas persönlich nimmt, soll eine inhaltliche Grenze ziehen und den anderen so auf Distanz halten. Wer einer anderen Person unterstellt, etwas persönlich zu nehmen, erteilt ihr ein indirektes Redeverbot, welches deutlich machen soll: Es sind keine weiteren Informationen und Auskünfte gewünscht, sei es auf emotionaler oder sachlicher Ebene.
Ich stelle hierzu folgende Fragen: Wie kommt mein Gegenüber zu dieser Beurteilung und woran wird diese eigentlich festgemacht? Was bedeutet es mental, emotional oder körperlich? Eine Annäherung ist denkbar: über eine Diskussion, über ein ernst gemeintes Interesse an der Sichtweise des anderen. Spannend wird es für die Beteiligten doch erst, wenn beide erfahren möchten, ob und inwieweit sich wirklich jemand angegriffen fühlt.
Was bewegt mich im Inneren?
Eine gute Alternative bietet aus meiner Sicht die Selbstauskunft darüber, dass ich mich zu einem gewissen Teil angesprochen fühle. Das lässt Raum entstehen: für inhaltliche Nachfragen, aber auch für weitere Selbstauskünfte. Dann bedeutet es etwas Positives. Eine erhöhte Energie wird für ein Thema aufgewendet, das wichtig ist, im Inneren bewegt, hinterfragt werden möchte. Die dafür bereitgestellte Energie wird also nicht zur Abwehr und Verteidigung, sondern als Kraftquelle eingesetzt, um das Gespräch inhaltlich auf einer Sachebene fortsetzen zu können.
Diese veränderte Perspektive wird zum Engagement für die Sache, zu der eine Meinung gebildet, eine Haltung entwickelt wurde oder zu der man sich noch in einer forschenden Grundhaltung befindet. Der Punkt, an dem das Gespräch entweder eigentlich schon beendet oder dabei ist zu eskalieren, wird somit überschritten. Die Diskussion wird auf einer konstruktiven Ebene fortgesetzt.
Tina Heinzerling ist promovierte Erziehungswissenschaftlerin, Kinderbuchautorin und arbeitet im Planungsbereich der Kinder- und Jugendhilfe.