Sobald wir uns ein Bild von einem Gegenüber machen wollen, stützen wir uns auf unsere Menschenkenntnis: auf die Fähigkeit, andere rasch, intuitiv und nach bewährten Faustregeln einzuordnen. Und tatsächlich sind wir in diesen schnellen Urteilen zunächst gar nicht schlecht: Zahlreiche Studien – etwa die der Psychologen Alex Jones und Jeremy Tree von der Swansea University – haben gezeigt, dass Menschen Persönlichkeitsmerkmale wie den Grad der Verträglichkeit oder der Aufgeschlossenheit allein anhand von Fotos treffend einschätzen können.
Doch was auf der Kurzstrecke – für flüchtige Begegnungen und den ersten Kontakt – funktionieren mag, versagt auf der Langstrecke, also in den uns wichtigen und gewachsenen Beziehungen. Wenn wir wissen wollen, warum unser Partner manchmal so verletzend schroff reagiert, wieso die Arbeitskollegin ständig laut telefoniert oder ob ein neuer Bekannter ein verlässlicher Freund werden kann, ist es wichtig, genauer hinzuschauen.
Wenn Psychologinnen versuchen, das Innenleben der anderen besser zu verstehen, verlassen sie sich beispielsweise nur selten auf das berühmte Bauchgefühl. Entgegen den gängigen Klischees – „Psychotherapeuten können Menschen durchschauen und wissen sofort, wie andere ticken“ – gehen Profis oft eher tastend vor und hinterfragen ihre ersten Eindrücke von anderen immer wieder. Dafür gibt es zwei Gründe: Zum einen ist Menschenkenntnis störanfällig. Zahlreiche Studien belegen, dass wir beim Einschätzen anderer systematisch Fehler machen.
Die blinden Flecke sichtbar machen
Bekannt ist etwa der Attraktivitätsfehler, der darin besteht, dass man schöne Menschen für intelligenter und fähiger hält, als sie sind. Solche Verzerrungen sieht man aber nur, wenn man die üblichen Fallen bei der Bewertung anderer Menschen kennt…
Den kompletten Artikel können Sie bei uns kaufen oder freischalten.