In der Abteilung für Dinge, die nur im Augenwinkel existieren: „Sie bewerben sich auf die Stelle als Sachbearbeiterin für Zwischenräume.“ Frau Glanz nickt. Ihr gegenüber sitzen zwei Frauen. Die linke hebt eine Augenbraue, die man nicht sieht, aber spürt. „Frau Glanz, was genau können Sie?“ Die rechte schaut dabei so indifferent, als hätte sie nie ein Gesicht gehabt, aber ihre Stimme klingt freundlich. Die beiden leiten seit der pastellfarbenen Umwandlung den ganzen Betrieb in Doppelspitze. Seitdem riecht es überall nach Lavendel und längst abgelegten Prinzipien.
Vielversprechend, befindet Frau Glanz. Dann legt sie los. „Ich verstehe fließend Schweigen. Ich war drei Jahre Schatten im Archiv der Verschwundenen. Danach habe ich in der U-Bahn flüchtige Gedanken sortiert. Ich spreche Flüstern und weiß, was Schubladen sagen, wenn sie denken, niemand hört zu.“ „Und wie gehen Sie mit Stress um?“ „Ich falte mich in Origami.“ Rechts und Links schauen sich an, sie sind endlich fündig geworden: „Sie haben den Job.“
Was könnte Ihre Bildbeschreibung mit Ihnen persönlich zu tun haben?
Diese etwas absurde kleine Geschichte kam mir vielleicht deshalb in den Sinn, weil ich mir manchmal so sehr eine Gesellschaft, insbesondere eine Arbeitswelt wünsche, in der die unsichtbaren, oft übersehenen Dinge des Lebens, die Fähigkeiten, die auf leisen Tönen basieren, eine Wertschätzung und Daseinsberechtigung genießen. Ein Pamphlet für das Flimmern am Rand des Sichtbaren, das trotzdem existiert. Und das man nur fühlen kann. Ein Flugblatt für das Instinktive, fast Mystische, das uns allen innewohnt. Wir alle haben eine Frau Glanz in uns.
Luise Wolfram ist Schauspielerin. Seit 2021 verkörpert sie Kommissarin Linda Selb im Tatort aus Bremen. Am 30. September liest sie gemeinsam mit ihrer Tatort-Kollegin Jasna Fritzi Bauer beim Harbour Front Festival in Hamburg