Benjamin Maacks Buch ist in den ersten Wochen des Corona-Lockdowns erschienen. Das Interview findet deshalb per Skype statt. Maack sitzt in seiner Kellerwerkstatt, im Hintergrund ein Bord mit Hämmern, Boxen mit Schrauben. Hier könne er ungestört sprechen, auch weil seine Kinder die schwere Stahltür zum Keller nicht öffnen könnten, sagt der Autor. Im Gespräch ist er zugewandt, nachdenklich und unterhaltsam, versteht sich darauf, Dinge immer wieder ins Groteske zu ziehen.
Diese Haltung blitzt auch in seinem…
Sie wollen den ganzen Artikel downloaden? Mit der PH+-Flatrate haben Sie unbegrenzten Zugriff auf über 2.000 Artikel. Jetzt bestellen
und unterhaltsam, versteht sich darauf, Dinge immer wieder ins Groteske zu ziehen.
Diese Haltung blitzt auch in seinem Buch Wenn das noch geht, kann es nicht so schlimm sein immer wieder auf, in dem er schildert, wie es ihm erging, als er mit einer Depression mehrere Monate in einer psychiatrischen Klinik war. Dreimal hat der 42-Jährige solche Krisenzeiten in den letzten Jahren erlebt. Ein Depressionstagebuch ist der Text dennoch nicht geworden. Auch kein Ratgeber. Eher versucht der Autor, mit allen sprachlichen Mitteln zu beschreiben, wie sich das Innenleben während einer psychischen Krise darstellt – findet Begriffe, Bilder und Formen für Düsternis, inneren Zerfall, Autoaggression und Isolation. Das ist teilweise schwer aushaltbar, teilweise poetisch, manchmal komisch und immer gekonnt.
Herr Maack, Sie haben ein Buch über Ihre Depression veröffentlicht, das sich sehr von Ihren bisherigen Texten unterscheidet, die alle nicht autobiografisch waren. Was hat Sie dazu motiviert?
Es war ein Prozess. Als ich das vorletzte Mal in der Klinik war, wurde irgendwann die Dosis eines neuen Medikaments von 50 auf 100 Milligramm erhöht. An dem Tag hatte ich mittags plötzlich – das erste Mal in dieser Form in meinem Leben – brutale Selbstmordfantasien. Ich hatte nie wirklich die Absicht, mich umzubringen, aber da waren Selbstmorderzählungen in meinem Kopf, immer wieder andere Szenarien, das hörte gar nicht mehr auf. Ich hatte dann irgendwann den Impuls, das alles aufzuschreiben, das aus meinem Kopf herauszubringen. Ich hatte – das klingt jetzt albern – ein dunkelblaues Notizbuch mit in der Psychiatrie und da habe ich alles reingeschrieben.
Aber es hat nichts genützt. Dennoch habe ich in den darauffolgenden Tagen und Wochen weitergemacht, immer wieder Sachen in die Kladde notiert oder später auch in mein Handy. Als ich dann nach mehreren Monaten in der Klinik nach Hause kam, ging es mir immer noch sehr schlecht. Ich bin allerdings so ein Super-Abliefer-Depressiver, der ständig denkt, er müsse irgendwas tun und leisten, dürfe anderen nicht auf den Geist gehen. Deshalb habe ich mich zu Hause in den Keller zurückgezogen und alles, was ich während des Klinikaufenthalts aufgeschrieben habe, in ein Word-Dokument zusammenkopiert. Das hat zwei Tage gedauert. Dann habe ich mir das angeguckt und alles noch mal durchgelesen.
Und dann fanden Sie die Texte gut und ausbaufähig?
Mit gut oder schlecht hat das gar nicht viel zu tun. Beim Lesen fiel mir eher auf, dass dieser Text eine Möglichkeit sein könnte, meiner Frau Friederike genauer verständlich zu machen, wie es mir in der Krise ging. Sie hatte mich nämlich mal in einer Zeit, als es mir wieder ganz gut ging, gefragt, was ich in der ersten Depression eigentlich erlebt habe. Damals konnte ich ihr das gar nicht erklären, ich konnte es auch nicht mehr rekonstruieren. Deshalb sah ich in dem Text eine Chance und dachte: Vielleicht ist das ein Weg. Und vielleicht kann es auch sonst irgendwer gebrauchen.
Verstehe ich das richtig: Sie konnten während der Krise gut formulieren, wie es Ihnen ging – nach der Krise im Rückblick aber nicht mehr?
Ich glaube, das geht vielen so. Wenn eine schwere psychische Krise vorbei ist, dann macht der Kopf etwas richtig Tolles. Er verpackt alles, was man erlebt hat – die ausscherenden Emotionen, die Schwärze, das Wütende, die Selbstverachtung –, in kleine Anekdoten, die beinahe witzig, zumindest aber doch abgeschlossen sind und logisch klingen. Der Kopf macht also aus der Zeit, die eigentlich total geschichtslos ist, die von Zerfall und Ichlosigkeit geprägt ist, eine kleine Sammlung von Standbildern und Geschichten.
Das fällt mir auch auf, wenn ich manchmal Artikel über das Thema Depression lese. Es ist fast immer eine Außenansicht, die dort geschildert wird, selbst wenn Betroffene zu Wort kommen, dann reden dort eigentlich immer nur Ex-Depressive. Sie haben schlüssige Geschichten zu erzählen, können einen Anfang der Krankheit benennen und beschreiben, eine Mitte, wo es schlimm war, und dann ein Ende, wo sie sich selbst erklären, wie sie diese Krankheit besiegt haben oder wie sie heute damit umgehen. Doch während einer Krise sieht das alles ganz anders aus.
Was ist in der Krise anders?
Da sind keine Geschichten mehr, sondern da ist nur noch ein Sturm im Kopf. Es war mir ein Anliegen, diese Heftigkeit wirklich ungeschönt darzustellen und festzuhalten. Ich weiß von Mitpatienten, dass sie diesen Sturm auch kennen, aber viele Menschen finden es schwer, ja unmöglich, ihn mit Worten zu beschreiben. Ich habe versucht, all das zu formulieren, so ehrlich, wie es nur geht. Ich wollte mich dabei zum Beispiel nicht von Sprache davontragen lassen, von Bildern, die ich irgendwie toll oder cool fand. Ich bin extrem streng zu mir gewesen.
Obwohl es auch jetzt noch viele bildliche Beschreibungen und Vergleiche im Buch gibt, haben es nur die geschafft, drinzubleiben, die sich aus meiner Sicht der Sache annähern, die für mich irgendwie gültig sind. Zum Beispiel schreibe ich mehrfach: „Mein Blut fühlt sich an wie Säure“, oder ich beschreibe, dass da ein Zahnarztbohrerheulen in meinem Kopf ist und eine Gehwegplatte auf meiner Brust. Oder es gibt ein Gefühl, Angst vor anderen Menschen zu haben, und ich weiß dann sofort, dass dies bedeutet, dass ich eigentlich Angst vor mir selbst habe.
Ich habe mittlerweile von einigen Lesern des Buchs die Rückmeldung bekommen, dass auch sie sich in manchen Bildern wiederfinden. Sie bedanken sich in Mails dafür, dass ich Worte dafür gefunden habe, sagen, sie fühlen sich dann nicht so allein, danken mir manchmal auch für meine Offenheit.
Dennoch ist Ihr Buch kein klassischer Betroffenenbericht. Die Textformen variieren, auf manchen Seiten steht nur ein Satz. Es liest sich zum Teil wie ein Gedicht.
Ich interessiere mich sehr für Strukturen! Ich habe versucht, auch strukturell wiederzugeben, was im Kopf passiert, die Destabilisierung, das Auseinanderfallen, dieses Konfettihafte, das überall rumliegt und durcheinander ist, aber auch die zwanghafte Abwärts-Folgerichtigkeit. Die Geschichten und das Ich werden einem in einer psychischen Krise weggenommen, der Prozess fährt starr durch alles hindurch.
Bei manchen Passagen im Buch könnte man mir sicher vorwerfen, dass nicht genug passiert, dass sich nicht viel bewegt. Aber auch das Redundante, Bruchstückhafte ist eben ein Teil der Erkrankung, das ich über die Strecke des Buches greifbar machen wollte. Man kann das Buch durchblättern wie ein Daumenkino, kann hin und her blättern wie in einem Comic, vielleicht entsteht ein Sog, so dass man mal schnell, mal langsam liest. Ich wollte die Depression im Buch in mehreren Dimensionen darstellen, so dass man sie anfassen und begreifen kann.
Vor allem in der zweiten Hälfte des Buches beschreiben Sie nicht nur die Leere und Ichlosigkeit, sondern auch Ihre Selbstmordfantasien sehr drastisch und ausführlich. Ist das nicht heikel?
Den Anspruch, nichts zu beschönigen, habe ich bei den Selbstmordgedanken besonders ernst genommen. Als ich anfing, mich mit dem Buch zu beschäftigen, habe ich einmal mit einem Suizidologen telefoniert, also einem Experten für Selbstmordprävention. Ich sagte zu ihm: „Entschuldigung, ich würde vielleicht dieses Buch schreiben, aber ich will nicht, dass sich deshalb jemand umbringt. Kann ich da etwas falsch machen? Soll ich das Projekt lieber sein lassen?“
In dem Gespräch hat der Experte mich ermutigt. Er sagte: „Im Gegenteil. Das aufzuschreiben kann sehr hilfreich für andere sein. Aber dann ist es wichtig, absolut ehrlich zu sein und es nicht zu heroisieren oder zu überhöhen.“ Damit hatte ich kein Problem, ich sehe in jeder depressiven Lage und in jedem Selbstmordgedanken nie das Heroische, sondern immer nur das Hilflose. Und ich denke, so habe ich es auch erzählt. Da kommt keiner auf die Idee, dass dort etwas Heldenhaftes passiert.
Sie lästern im Buch gelegentlich über eher versöhnliche oder tragikomische Erzählungen von Depression, von Krisen und Krankheiten. Warum bringt Sie das so in Rage?
Ich hasse zum Beispiel den Film Ziemlich beste Freunde, das ist eine Komödie über jemanden, der vom Hals an querschnittsgelähmt ist und dann neuen Lebensmut findet. Es gab tatsächlich einen Tag in der Klinik, es war in der Ergotherapie, wo wir den Soundtrack zu diesem Film gehört haben und dabei alle so niedlich nebeneinandersaßen und irgendwas getöpfert oder gehäkelt haben. Ich fand das schlimm. Denn ich glaube, das Erbauliche des Erkrankten hervorzuheben oder das Wunderbare, den Aspekt, dass man vielleicht doch etwas lernt und es zu etwas Gutem führt, das hat immer so eine Hilflosigkeit – oder es ist einfach nur eine Lüge.
Oft wird in solchen Filmen auch Krankheit in Bewegung umgesetzt. Dann hauen Typen wie Til Schweiger, Matthias Schweighöfer und Florian David Fitz zusammen aus der Psychiatrie ab, fahren ans Meer und gucken sich den Sonnenuntergang an und der depressive Freund erkennt, dass das Leben eben doch schön ist. Ich hätte in der Depression an vielen Tagen noch nicht mal einen Spaziergang im Park geschafft, konnte mich kaum bewegen. Manche Erkrankungen sind meiner Meinung nach einfach nicht bewegend, lehrreich oder erbaulich – sondern einfach nur schrecklich.
Wie ist es für Sie: Würden Sie sagen, dass Ihre psychischen Krisen einen Sinn hatten oder für etwas gut waren?
Ich bin mittlerweile bereit, mit meiner Depression zu leben. Und wenn ich darüber nachdenke, gibt es schon auch Dinge, die sich sehr geändert haben und die ich gut finde. Als ich vor fünf oder sechs Jahren meinen ersten Zusammenbruch erlebte, hatte ich eine bestimmte Grundhaltung zum Leben, die ziemlich mies und düster war. Friederike hat mich mal gefragt: „Bist du eigentlich glücklich?“, und ich hab gesagt: „Ich bin ein unglücklicher Mensch, der mit Glück überschüttet wird.“
Ich hatte einen tollen Job, so etwas wie eine Karriere, eine tolle Frau, die witzig ist und klug, ein gesundes Kind, nebenbei konnte ich noch mein Schriftstellerhobby verfolgen. Aber ich war nie glücklich, immer getrieben. Und immer wenn es eigentlich am besten hätte sein können, hatte ich so ein Grundrauschen im Kopf, dass bald irgendetwas Schlimmes passieren wird und irgendwas von hinten über mir zusammenschlägt, das sich dort schon seit Jahrzehnten auftürmt.
Und so kam es dann auch?
Dann hatte ich diesen Zusammenbruch. Ich habe in dem Zug auch viel Therapie gemacht und bald besser erkannt, was ich mit mir mache. Nach dem ersten Mal in der Klinik habe ich meine kompletten Grundannahmen hinterfragt. Ich hatte beispielsweise die Überzeugung im Kopf: „Wenn etwas wertvoll sein soll, dann muss es wehtun.“ Was für ein Wahnsinn! Und es hat sogar jahrelang funktioniert, das hat mich richtig angepeitscht. Aber das musste alles weg, das ging halt nicht mehr, ich ging halt nicht mehr, ich konnte nicht mehr. Ein wichtiger Auslöser für den Zusammenbruch war auch, dass Theo, mein Sohn, damals eineinhalb geworden ist. Man hat langsam angefangen zu kommunizieren.
Und ich reflektierte darüber: Was möchte ich eigentlich meinem Kind vermitteln? Und dann dachte ich: Nichts von diesem ganzen Dreck! Aber ich hatte nichts Neues, ich hatte nur das, was sich über Jahrzehnte eingeschrieben hat – und mich verhärtet hat wie einen Panzer. Und durch den Zusammenbruch ist dieser Panzer wirklich aufgebrochen. Heute bin ich auch in den schlimmen Zeiten glücklicher, als ich es früher jemals war. Und es ist erstaunlich, dass ich jetzt mitbekomme, was in mir passiert. Früher lief bei mir viel außen, es gab so eine Außenbühne, die hat gut funktioniert. Jetzt passieren die guten und die schrecklichen Dinge mehr nach innen hinein und von innen hinaus, es gibt eine Kommunikation zwischen dem Außen und dem Innen, das gab es sehr viele Jahre nicht.
In Ihrem Buch klingt auch an, dass Sie nicht in die allgemeine Psychiatriekritik einstimmen. Sie beschreiben die Klinik als hilfreich und heilsam.
Ich bin froh, dass es einen Ort gibt, wo ich hingehen kann, wenn es mich nicht mehr gibt. Ich gehe immer in die gleiche Psychiatrie, habe da einen Arzt, der mich kennt, der sich an mich erinnert. Es ist eine reine Depressionsstation, man hat da also Leute um sich, die alle ein ähnliches Problem haben, da wird das Monströse im Gespräch und Zusammensein mit anderen auf einmal zu einer Krankheit mit Symptomen. Das allein hilft schon, es ein bisschen zu bannen.
Für mich ist das gut. Ich muss da hin, wo ich wie ein Schiff einmal auf dem Trockendock liege, wo ich einmal aus dem Wasser bin, aus meiner Verantwortung gehoben bin und an die Stellen rankomme, wo man im Täglichen nicht rankommt. Im besten Fall entwickeln die Therapeuten mit Menschen, deren Leben auseinandergefallen ist, eine neue Erzählung, eine neue Version ihres Lebens, wie sie sein wollen. Und das finde ich einen guten Ansatz.
Im Rückblick betrachtet: Hat auch das Schreiben selbst Ihnen geholfen, die Krise besser zu verarbeiten?
Ich weiß es nicht. Dass ich schon während der Krise losgeschrieben habe und dabei auch geblieben bin, hatte für mich tatsächlich auch mit einer persönlichen Hoffnung zu tun: Ich habe die Ichlosigkeit gespürt und gemerkt, dass nicht mehr viel von mir da war. Gleichzeitig habe ich aber manchmal immer noch gedacht: „Vielleicht bin ich ja auch Schriftsteller. Vielleicht ist ja irgendwo noch ein Schriftsteller in mir und der könnte möglicherweise die Brücke sein von dem einen Benjamin, der jetzt in der Krise ist, zu dem andern, der später, nach der Krise da ist.“ Und so ist es wirklich. Das Buch hat sich auch für mich selbst als eine Art Kästchen entpuppt, in dem das alles auch für mich gesammelt ist, in aller Deutlichkeit. Es ist für mich tatsächlich eine Verbindung zwischen den verschiedenen Lebensphasen geworden.
Sie haben neulich einen Artikel über Ihre Depression im Spiegel geschrieben. Sie machen Ihre düstersten Gedanken öffentlich für Tausende. Gleichzeitig arbeiten Sie als Journalist, die Kollegen lesen das ebenfalls. Wie kommen Sie damit zurecht?
Ich habe nach meiner ersten Krise sehr schnell beschlossen, dass ich offen damit umgehen möchte. Ich glaube, dass in den dunklen Ecken, in den nicht erzählten Ecken immer die schlimmsten Dinge passieren: Man kennt das in langjährigen Beziehungen, dass das Unausgesprochene immer mehr ansetzt, dass sich da irgendwas ballt, sich so etwas Schleimiges zusammenfügt. Allen Leuten, mit denen ich zu tun habe, sage ich, dass sie nicht zu vorsichtig mit mir sein sollen, dass sie mich ruhig alles fragen können.
Trotzdem: Als ich das erste Mal, nachdem der Spiegel-Artikel erschienen ist, wieder zur Arbeit gekommen bin, war mir mulmig zumute. Ich fragte mich, ob die Leute mich jetzt komisch angucken oder mich seltsam finden. Aber als ich mich an den Schreibtisch gesetzt habe und angefangen habe zu arbeiten, ging das ganz gut. Ich habe ja viele verschiedene Rollen und Facetten, wie jeder Mensch. Und ich bin für die anderen dann vielleicht beim nächsten Mal, wenn sie mich sehen, nicht der Depressive, sondern – was weiß ich – der Typ mit dem Bart.
Psychologie und Literatur
In unserer Serie sprachen zuletzt:
Daniel Kehlmann über Aberglaube und Wissenschaft (Heft 6/2020)
Isabel Bogdan über das Weiterleben mit der Trauer (Heft 3/2020)
Lucy Fricke über Töchter und abwesende Väter (Heft 11/2019)
Juli Zeh über die Vergeblichkeit verbissener Identitätssuche (Heft 8/2019)
Stephan Thome über die bedrohliche Verlockung des Fremden (Heft 5/2019)
Sie können diese Hefte über unsere Website nachbestellen: psychologie-heute.de/shop
Leseprobe
Eigentlich könnte ich doch wieder gehen. Nur nicht zurück nach Hause. Das ginge nicht. Nicht zurück zu Friederike und den Kindern, nur nicht zurück zur Arbeit, nicht zurück in unser Haus, nicht zurück zu meinen Freunden. Das nicht. Aber raus doch schon irgendwie. Oder wie war das? Gut. Wenn ich gehe, würde ich mitkommen. Das lässt sich nicht verhindern. Aber daran würde ich mich gewöhnen müssen. Ich müsste nur packen. Und dann könnte ich hier rausgehen und irgendwo funktionieren. Irgendwie. Bevor sie mich hier rauswerfen. Oder entlassen. Aus meinem Lesebett im Krankenhaus. Die Pfleger gucken schon so. Haben die Pfleger nicht so komisch geguckt, als heute Morgen die Medikamente verteilt wurden? Und dann wäre ich da draußen im Nirgendwo. In irgendeiner selbstgemachten Kälte.
Aus dem Buch Wenn das noch geht, kann es nicht so schlimm sein von Benjamin Maack (Suhrkamp 2020)
Benjamin Maack schreibt bereits seit zwei Jahrzehnten und hat in dieser Zeit mehrere Bände mit Lyrik und mit experimentellen, düsteren Erzählungen veröffentlicht, zum Beispiel Monster und Die Welt ist ein Parkplatz und endet vor Disneyland, und mehrere Literaturpreise gewonnen. Er ist Redakteur beim Spiegel.