Keine Angst vor ... Menschen

Liv Schlett umging zwischenmenschliche Situationen. Wie ihr Lebensziel, Autorin zu werden, ihr half die Angst zu überwinden.

Liv Schlett erzählt: 

„Mir reicht’s, ich komm jetzt vorbei!“, sagte meine beste Freundin, als ich Kopfschmerzen vorgeschoben und zum dritten Mal unsere Verabredung abgesagt hatte. Ich brach in Tränen aus, meine Mutter tröstete mich. Am Ende war das Treffen sogar ganz okay.

Trotzdem hatte ich oft Angst, dass andere keine gute Zeit mit mir haben. Dass ich anstrengend bin, blöd und langweilig, obwohl ich eigentlich gern lustig bin. Je mehr ich jemanden mochte, desto größer war meine Angst. Manchmal habe ich sie auch jetzt noch.

Ich habe immer versucht, anderen keine „Arbeit“ zu machen. Ich bin die Zweitälteste von sechs Kindern. Das hatte sicher Auswirkungen. Außerdem hatte ich Essstörungen und sah nicht aus, wie ich aussehen wollte. So wurden Kontakte immer schwieriger für mich. Irgendwann musste ich in die Psychiatrie.

Es gab nicht den einen Moment, der die Wende brachte, aber in der Psychiatrie lernte ich, Bedürfnisse zu erkennen und Beziehungen aufzubauen. Und ich erinnerte mich an mein Lebensziel: Autorin werden.

Ich wusste: Wenn ich das erreichen will, muss ich mit Menschen in Kontakt sein können – mit Verlagen sprechen, Lesungen halten, zu Buchmessen fahren.

Mein Ziel hilft mir, mich zu überwinden. Inzwischen studiere ich kreatives Schreiben. Bald erscheint mein erster Roman. Außerdem habe ich mit anderen ein Buch über unsere Psychiatriezeit herausgebracht. Vor 350 Leuten daraus zu lesen war eine Herausforderung. Mir war übel wie vor einer Prüfung. Aber als ich las, war ich plötzlich beflügelt und merkte: Ich krieg das hin.

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Dieser Artikel befindet sich in der Ausgabe: Psychologie Heute 10/2021: Zeit finden
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