Stand der Forschung
Als Maßstab gibt es etwa den Index gesunden Essens (Healthy Eating Index) samt einer alternativen Variante (Alternative Healthy Eating Index), den Entzündungsindex (Dietary Inflammatory Index), eine Kost gegen Bluthochdruck (Dietary Approaches to Stop Hypertension – DASH) und natürlich die mediterrane Ernährung, die von der UNESCO sogar zum Weltkulturerbe gezählt wird. Ein Team des University College London um Camille Lassale trug für einen 2019 veröffentlichten Vergleich Studien…
Sie wollen den ganzen Artikel downloaden? Mit der PH+-Flatrate haben Sie unbegrenzten Zugriff auf über 2.000 Artikel. Jetzt bestellen
London um Camille Lassale trug für einen 2019 veröffentlichten Vergleich Studien zur Frage zusammen, wie diese Ernährungsformen gegen Depressionen abschneiden.
Die überzeugendsten Belege fanden sich für die Mittelmeerkost. Vier Langzeitstudien zeigten: Menschen, die sich stark an diese Empfehlungen halten, haben nur zwei Drittel des Depressionsrisikos von denen, die es wenig tun. Aber auch die anderen empfohlenen Ernährungsformen schnitten nicht schlecht ab. Ohnehin gehen sie alle in die gleiche Richtung. Die zehn Regeln der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) bieten „eine Schnittmenge zwischen diesen Ernährungsweisen“, sagt der Ernährungswissenschaftler Lars Libuda von der Universität Paderborn.
Von allem etwas
Die DGE rät, sich vielfältig zu ernähren, mindestens drei Portionen Gemüse und zwei Portionen Obst am Tag zu essen, dazu Hülsenfrüchte und ungesalzene Nüsse. Bei Brot, Nudeln, Reis und Mehl sollte Vollkorn bevorzugt werden. Unter den tierischen Nahrungsmitteln empfiehlt die DGE Milch und Milchprodukte sowie ein- bis zweimal die Woche Fisch. Der Fleischverzehr dagegen sollte auf wöchentlich 300 bis 600 Gramm beschränkt werden. Rapsöl gilt als gut, ebenso wie Olivenöl, Walnuss-, Lein- und Sojaöl, nicht aber Kokosfett, Palmöl und tierische Schmalze. Margarine ist besser als Butter, weil sie mehr ungesättigte Fettsäuren enthält.
Salz (maximal 6 Gramm) und Zucker sollten sparsam konsumiert werden, wobei viel davon in verarbeiteten Lebensmitteln versteckt ist. Die Weltgesundheitsorganisation legt nahe, täglich nicht mehr als 50 Gramm freien Zucker zu sich zu nehmen – Zucker in Früchten beispielsweise zählt nicht mit, wohl aber der in Fruchtsäften natürlicherweise enthaltene Zucker. Außerdem all der verschiedenen Lebensmitteln künstlich hinzugefügte, ob in Cola, Ketchup oder fertiger Salatsoße. Der Durst solle mit Wasser oder ungezuckertem Tee gelöscht werden, Saftschorle mit viel Wasser gehe auch. Limonade, purer Saft oder Nektar enthalten der Empfehlung zufolge zu viel Zucker, Alkohol ist zu kalorienreich – von seinen sonstigen Gefahren abgesehen.
Ergänzungsmittel bei Veganern
Jegliche Nahrung sollte schonend zubereitet und achtsam genossen werden. Vegetarische Ernährung wird in einigen Studien überraschend mit mehr Depressionen in Verbindung gebracht; andere, bessere Studien zeigen eher eine schützende Wirkung. Ein endgültiges Urteil steht noch aus. Vorsicht ist bei einer rein veganen Ernährung geboten. „Zum Beispiel Vitamin B12 sollte man definitiv supplementieren“, meint Professor Libuda. Denn Vitamin B12-Mangel erhöht möglicherweise die Wahrscheinlichkeit für eine Depression. Generell gilt aber: Vitamintabletten und andere Mikronährstoffe sollten nur dann geschluckt werden, wenn wirklich ein Mangel an den entsprechenden Stoffen diagnostiziert wurde.
So steht es auch in der deutschen Leitlinie zu Depressionen. Es sei durchaus möglich, beispielsweise zu viel Vitamin B6 zu sich zu nehmen, was der Leber schaden kann. „Vor allem aber kann die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln die Inaktivität der Patient*innen verstärken, da scheinbar keine Notwendigkeit mehr besteht, gesundes Essen zuzubereiten, sich im Freien aufzuhalten oder Sport zu treiben“, fürchten die Autorinnen und Autoren der Leitlinie.
In der großen europäischen „MooDFOOD-Studie“ mit gut tausend übergewichtigen und teilweise depressiven Erwachsenen zeigte sich sogar: Eine tägliche Kapsel mit Omega-3-Fettsäuren und zusätzlich Selen, Folsäure, Vitamin D und Kalzium führte bei bestimmten Patientengruppen überraschend zu mehr Depressionssymptomen.
Lesen Sie auch den Hauptartikel "Die Depression wegessen" aus demselben Heft 8/2023.
Quellen
Sauliha R. Alli u. a.: "The Gut Microbiome in Depression and Potential Benefit of Prebiotics, Probiotics and Synbiotics: A Systematic Review of Clinical Trials and Observational Studies". International Journal of Molecular Sciences, 23/9), 2022, 4494. DOI: 10.3390/ijms23094494.
Joana S. Cruz-Pereira u. a., „Depression’s Unholy Trinity: Dysregulated Stress, Immunity, and the Microbiome“, Annual Review of Psychology 71/1, 2020, 49–78, DOI: 10.1146/annurev-psych-122216-011613.
Die Ernährungs-Docs NDR: „Gute Ernährung kann helfen, Depression zu lindern“, zugegriffen am 13. Oktober 2022, https://www.ndr.de/ratgeber/gesundheit/Gute-Ernaehrung-kann-helfen-Depression-zu-lindern,depression254.html.
Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V.: "Vollwertig essen und trinken nach den 10 Regeln der DGE". Zugegriffen am 23. Januar 2023. URL: https://www.dge.de/ernaehrungspraxis/vollwertige-ernaehrung/10-regeln-der-dge/.
Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V.: "Empfehlungen zur maximalen Zuckerzufuhr in Deutschland". Zugegriffen am 23. Januar 2023. URL: https://dge-mv.de/html/empfehlungen-zur-maximalen-zuckerzufuhr-in-deutschland/.
Joseph Firth u. a.: „The Effects of Dietary Improvement on Symptoms of Depression and Anxiety: A Meta-Analysis of Randomized Controlled Trials“, Psychosomatic Medicine 81/ 3, 2019, 265–80. DOI: 10.1097/PSY.0000000000000673.
Eric M. Hecht u. a.: „Cross-Sectional Examination of Ultra-Processed Food Consumption and Adverse Mental Health Symptoms“, Public Health Nutrition 25/ 11, 2022, 3225–34. DOI:10.1017/S1368980022001586.
Mark Hofmeister u. a.: "The Effect of Interventions Targeting Gut Microbiota on Depressive Symptoms: A Systematic Review and Meta-Analysis". Canadian Medical Association Open Access Journal, 9/4, 2021, E1195–1204. DOI: 10.9778/cmajo.20200283.
Frank Jacobi u. a.: „Erratum zu: Psychische Störungen in der Allgemeinbevölkerung. Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland und ihr Zusatzmodul ‚Psychische Gesundheit‘ (DEGS1-MH)“, Der Nervenarzt 87/1, 2016, 88–90. DOI:10.1007/s00115-015-4458-7.
Rishika Jain u. a.: "Association between Vegetarian and Vegan Diets and Depression: A Systematic Review". Nutrition Bulletin, 47/1, 2022, 27–49. DOI: 10.1111/nbu.12540.
Sarah E. Jackson u. a.: "Is There a Relationship between Chocolate Consumption and Symptoms of Depression? A Cross-Sectional Survey of 13,626 US Adults". Depression and Anxiety, 36/10, 2019, 987–95. DOI: 10.1002/da.22950.
Felice N. Jacka u. a.: „Diet and Depression: Exploring the Biological Mechanisms of Action“, Molecular Psychiatry 26/ 1, 2021, 134–50. DOI: 10.1038/s41380-020-00925-x.
John R. Kelly u. a.: "Transferring the Blues: Depression-Associated Gut Microbiota Induces Neurobehavioural Changes in the Rat". Journal of Psychiatric Research, 82/1, 2016, 109–18. DOI: 10.1016/j.jpsychires.2016.07.019.
Camille Lassale u. a.: "Healthy Dietary Indices and Risk of Depressive Outcomes: A Systematic Review and Meta-Analysis of Observational Studies". Molecular Psychiatry, 24/7, 2019, 965–86. DOI: 10.1038/s41380-018-0237-8.
Lars Libuda u.a.: Ernährung und psychische Erkrankungen. Der Nervenarzt, 88, 2017, 87–10. DOI: 10.1007/s00115-016-0262-2.
Dami Kang, Youngyo Kim, und Youjin Je: "Non-Alcoholic Beverage Consumption and Risk of Depression: Epidemiological Evidence from Observational Studies". European Journal of Clinical Nutrition, 72/11, 2018, 1506–16. DOI: 10.1038/s41430-018-0121-2.
Faezeh Saghafian u. a.: "Fruit and Vegetable Consumption and Risk of Depression: Accumulative Evidence from an Updated Systematic Review and Meta-Analysis of Epidemiological Studies". British Journal of Nutrition, 119/10, 2018, 1087–1101. DOI: 10.1017/S0007114518000697.
Bonnie A. White u.a.: „Many Apples a Day Keep the Blues Away – Daily Experiences of Negative and Positive Affect and Food Consumption in Young Adults“, British Journal of Health Psychology 18/4, 2013, 782–98. DOI: 10.1111/bjhp.12021.