Warum ist gutes Design effizient?

Das Design eines Raums hat nicht nur etwas mit Ästhetik zu tun. Architektur kann psychische Bedürfnisse erfüllen, so Michael Heinrich.

Design hat nach landläufiger Meinung viel mit Ästhetik, aber nichts mit Effizienz zu tun. Sie sagen, dass das nicht stimmt. Warum?

Jede und jeder von uns nimmt permanent ästhetische Signale wahr, ob wir im Büro sitzen, uns im Urlaub im Strandcafé entspannen oder Menschen begegnen. Ununterbrochen treffen wir – schnell und unbewusst – ästhetische Urteile und handeln danach. Sie sind unser wichtigster Wegweiser.

Wir fühlen uns hingezogen, wenn wir eine Landschaft, das Ambiente eines Raums oder eine Person schön finden. Dann freuen wir uns, entwickeln wohltuende Gefühle. Wenn wir ein Umfeld unschön oder trostlos finden, passiert das Gegenteil. Die Ästhetik von Architektur und Design hat das Potenzial, wichtige psychische Grundbedürfnisse zu erfüllen und damit die Gesundheit und Leistungsfähigkeit von Menschen zu unterstützen, also effizient zu sein.

Um welche Bedürfnisse geht es?

Als Beispiel dafür, wie die ästhetischen Signale unsere Bedürfnisse erfüllen, können wir die beiden Pole „Ruhe“ und „Aktivierung“ unterscheiden. Menschen sehnen sich auf der einen Seite nach Geborgenheit, nach Schutz und Ruhe. Und auf der anderen Seite suchen sie Anregung, wollen die Welt entdecken, etwas tun. Diese Bedürfnisse schließen sich nicht aus. Architektur sollte beide erfüllen.

Was bedeutet das für die Einrichtung von Räumen?

Wenn wir Ruhe und Geborgenheit suchen, fühlen wir uns in einem Wohnzimmer wohl, das weiche Materialien hat und Wärme ausstrahlt, ein Gefühl von Harmonie, Geborgenheit und Sicherheit vermittelt und uns so hilft, uns zu entspannen. Aber langweilig darf es eben auch nicht sein.

Und wir ziehen auch weitreichende Schlussfolgerungen aus Umgebungen: Wenn etwa in einem Großraumbüro die Schreibtische lieblos hintereinander aufgereiht sind und die Menschen zu nah beieinandersitzen, wo das Licht grell ist und blendet, kommt schnell der Gedanke auf: Hier zählt der individuelle Beitrag der Mitarbeitenden wenig, hier gibt es eine strenge Hierarchie und ein entsprechendes Menschenbild. In solch einer Umgebung fühlen wir uns unwohl und können nicht gut arbeiten.

Aber eine Innenarchitektur, die die Leistungsfähigkeit auf angenehme Weise stimuliert, anstatt sie aus den Menschen herauszupressen, ist sehr wohl möglich. Man kann beispielsweise Zonen schaffen für bestimmte Tätigkeiten und Bedürfnisse. Entscheidend ist bei der Planung, dass man weiß, was man tut. Es kommt auf das richtige Zusammenspiel von mehreren Faktoren an: Formen, Materialien, Abstände, Licht, Linienführung, Geruch. Wir nehmen ja mit allen Sinnen wahr. Lifestyle-Aspekte kommen dann noch als Ausdruck sozialer Zugehörigkeiten hinzu.

Wie geht man mit Farben um?

Das ist ein Thema für sich. Denn einerseits nehmen wir rein physiologisch Farben alle auf ähnliche Weise wahr und sie wirken unmittelbar auf uns. Aber ob sie uns guttun und wir sie mögen, hängt auch vom kulturellen Vorwissen und unserer persönlichen Erfahrung ab.

Michael Heinrich ist Professor für psychologische Ästhetik und Design sowie ­Studiendekan an der Hochschule Coburg.

Quelle

Michael Heinrich: Metadisziplinäre Ästhetik: Ein Konzeptrahmen für Architektur, Gestaltung und Evidence Based Design. In: Tanja C. Vollmer (Hrsg.): Architekturpsychologische Perspektiven, Springer 2023. DOI: 10.1007/978-3-658-40607-3_6

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