Wer mit der Verwandtschaft Weihnachten feiert, kennt es: Früher oder später bricht der Lagerkoller aus. Zur Vermeidung größerer Krisen sollte man deshalb möglichst schon vorher überlegen, wie viele Tage gemeinsam aushaltbar sind. Auch hilft es, sich Weihnachten als Theaterstück vorzustellen: Alle haben ihre Rolle, die Requisiten sind festgelegt. Aus einem Weihnachtsmärchen kann man nicht plötzlich Regietheater machen. Wenn es immer Braten mit Soße gab und einen Christbaum, lässt sich das in vielen Familien…
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machen. Wenn es immer Braten mit Soße gab und einen Christbaum, lässt sich das in vielen Familien nicht konfliktfrei durch veganes Curry und eine leere Ecke ersetzen.
Deshalb kann man Auszeitwünsche oft nur so formulieren, wie es die eigene Rolle zulässt. Fühlt sich der Rest der Familie zurückgewiesen durch den Wunsch, allein spazieren zu gehen oder sich beim Joggen abzureagieren, wird es vielleicht eher akzeptiert, sich mit dem neuen Buch oder Album zurückzuziehen und die Schenkenden dadurch gleichzeitig wertzuschätzen.
Wird auch das nicht akzeptiert, hilft nur Machen statt Reden: eine gemeinsame Aktivität planen, bei der man sich kurz abseilen oder schweigend in der Menschenmasse versinken kann – zum Beispiel im Theater, bei Gottesdiensten oder in der Therme, wenn alle in der Sauna hocken und man selbst kurz durchs Schwimmerbecken pflügt oder umgekehrt. Auch bewusste Mikropausen können Zeit allein verschaffen: auf die Toilette verschwinden, ausgedehnter duschen, Weinflaschen zum Glascontainer bringen und morgens für alle Brötchen kaufen. Hoffentlich ist die Bäckerschlange lang.
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Kann man Alleinsein erlernen? Ein Psychiater im Interview: "Es ist leichter, allein zu sein, wenn man mit etwas allein ist"
Quellen
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