Hand in Hand gegen die Depression

Depressionen bei Paaren: Wenn der eine morgens nicht aus dem Bett kommt, muss der Partner alle Aufgaben übernehmen. Falsch, erklärt Guy Bodenmann.

Morgens fällt das Aufstehen schwer, die eigene Arbeit wird überhaupt nicht geschätzt, alles ist zu viel und dann kommen auch noch Suizidgedanken auf. Depressive grübeln viel, fühlen sich kraft- und wertlos und sehen alles in einem negativen Licht. Doch meist leidet nicht nur der oder die Betroffene unter dieser schwerwiegenden Erkrankung, sondern insbesondere der Partner oder die Partnerin. In seinem neuen Buch Schatten über der Partnerschaft. Wie Paare Depressionen gemeinsam bewältigen können zeigt der Züricher Paarforscher Guy Bodenmann eindrücklich, wie die psychische Störung die Beziehung beeinträchtigt.

Respektvolle Kommunikation als Schlüssel

Das klassische Muster beschreibt der Professor für klinische Psychologie so: Der „gesunde Partner“ übernimmt immer mehr Aufgaben, um die depressive Person zu schonen. Doch die gutgemeinte Unterstützung erweist sich als fatal, denn der Leidende fühlt sich in seiner Ansicht, wertlos zu sein, geradezu bestärkt.

So beginnt ein Teufelskreis, bei dem der depressive Part des Paares immer mehr in Lethargie verfällt, weint, klagt, im Bett liegt und grübelt, während der andere sich noch mehr Aufgaben aufbürdet und sich schließlich – völlig erschöpft – selbst zurückzieht. Die Beziehungsprobleme sind vorprogrammiert. Oft schlägt die Überfürsorglichkeit des gesunden Partners sogar in Feindseligkeit um, warnt Bodenmann.

Besser sei es daher, der depressiven Partnerin weiterhin Aufgaben zuzutrauen, ihre negativen Denkmuster zu durchbrechen, sie auch bei Lustlosigkeit wieder zu Aktivitäten zu ermuntern und so die Beziehung als Quelle zur Besserung zu nutzen.

Bodenmann rät, dass beide in Abhängigkeit ihrer Kräfte etwas zum gemeinsamen Bewältigen der Aufgaben beisteuern und sich keine zu ambitionierten Ziele setzen. Einer konstruktiven und respektvollen Kommunikation komme dabei eine Schlüsselrolle zu. Beide sollten einander ihre Sicht schildern, Gefühle und Bedürfnisse mitteilen, sich zuhören und eine Strategie festlegen. Gegenseitige Vorwürfe seien kontraproduktiv. Nichts destabilisiere mehr, als wenn der eigene Partner einen abwerte oder zurückstoße.

Negative Denkweisen und monotone Lebensbedingungen

Paartherapeut Bodenmann schildert in seinem Buch anhand vieler Beispiele, wie Betroffene in einen Negativstrudel geraten, wie aus gegenseitigen Vorwürfen, schulmeisterlichen Belehrungen und passiv-aggressivem Verhalten eine Ehekrise entsteht und sich die Depression immer mehr zementiert.

Dafür führt er zunächst in die verschiedenen Formen der psychischen Störung ein, nennt Auslöser und Charakteristika. Vor einer voreiligen Diagnose warnt er, da diese zu Stigmatisierungseffekten führen kann. Auch Antidepressiva sieht Bodenmann kritisch, weil sie nicht an den Ursachen der Depression ansetzten. Vielleicht räumt der Therapeut auch deshalb den Auslösern, den Persönlichkeitsmerkmalen sowie den negativen Denkmustern oder den monotonen Lebensbedingungen in seinem Ratgeber so viel Raum ein. Die konkreten Hilfestellungen fallen dagegen dann vergleichsweise knapp aus. Dies schmälert aber kaum den Erkenntnisgewinn des aufschlussreichen Werks.

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Dieser Artikel befindet sich in der Ausgabe: Psychologie Heute 8/2023: Das ewig hilfreiche Kind
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