Positives Streiten lernen

Türenknallen oder beleidigter Rückzug: In seinem Buch zeigt Guy Bodemann, wie Paare destruktives Konfliktverhalten erkennen und verändern können.

„Streitet euch!“, ruft uns der renommierte Schweizer Paartherapeut und Professor für Psychologie Guy Bodenmann im Titel des vorliegenden Buches zu. Aber ist das nicht schlecht, wenn Paare sich streiten?

Keineswegs, meint Guy Bodenmann: „Konflikte bei Paaren gehören dazu. Es ist illusorisch zu denken, dass zwei Menschen, die auf engem Raum leben und ihren Lebensrhythmus aufeinander abstimmen müssen, immer gleicher Meinung sind.“

Das Wie des Konflikts

Selbstverständlich kommt es hier auf das Wie an – ob ein Streit mit Türenknallen und beleidigtem Rückzug endet oder ob beide dazu in der Lage sind, eigene und fremde Bedürfnisse auszuhandeln, macht den entscheidenden Unterschied. Ein Paar, das zu Letzterem fähig ist, braucht dieses Buch natürlich nicht. Allen anderen bietet Bodenmann hier Hilfestellung, eine produktive Streitkultur zu entwickeln.

Er tut dies gut strukturiert, in klarer Sprache und mit der zupackend-lösungsorientierten Art des erfahrenen Verhaltenstherapeuten. Zunächst führt Bodenmann unterschiedliche Konflikttypen auf (wie vermeidend, passiv-aggressiv, gewaltsam) und veranschaulicht jeden Typus anhand von kurzen Fallbeschreibungen.

Anschließend gibt es einen durchaus erhellenden Fragebogen, bei dem das Paar den beschriebenen Fall selbst analysieren und eine Selbsteinschätzung abgeben kann, inwieweit ihm dieses Muster bekannt vorkommt.

Die SaGeBe-Methode

Was können Paare tun, die eine produktive Streitkultur entwickeln wollen? Bodenmanns Antwort ist die „SaGeBe-Methode“ – eine Form der Kommunikation, in der ich die Sachinformation, das Gefühl und mein Bedürfnis benenne, anstatt in destruktive Verallgemeinerungen und Anklagen zu verfallen. Mmh, wieso kommt uns das so bekannt vor? Bodenmanns SaGeBe ist praktisch identisch mit der gewaltfreien Kommunikation nach Rosenberg, was er so jedoch nicht benennt.

Nun ist es sicher hilfreich, einen reflektierten und respektvollen Kommunikationsstil zu üben. Zugleich aber schränkt dieser Lösungsansatz die Zielgruppe des Buches von der anderen Seite her ein, denn diese Art der Kommunikation setzt ein Maß an Reflexionsbereitschaft, Fähigkeit zur Selbstberuhigung und partnerschaftlichem Goodwill voraus, zu dem viele Paare in der Krise nach meiner paartherapeutischen Erfahrung nicht mehr in der Lage sind. Mit einem Partner oder einer Partnerin, der oder die bereit ist, mit mir die Übungen dieses Buches zu machen, führe ich nämlich bereits eine recht kooperative Beziehung.

Vielleicht doch eine Paartherapie

Der Autor appelliert: „Weiter sollte das Paar die Macht-Dominanz-Thematik bearbeiten und herausfinden, woher sie kommt und wie sie verändert und überwunden werden kann.“ Dieses vernunftbasierte Vorgehen gerät da an seine Grenzen, wo Menschen eben nicht mehr rational funktionieren. Und so bleibt für die besonders Betroffenen nur ein Ausweg:

„Gelingt dies dem Paar nicht aus eigener Kraft, ist es ratsam, eine Paartherapie aufzusuchen.“ Mit diesen Einschränkungen bietet das Werk einige Anregungen, wie eine positive Streitkultur aussehen und entwickelt werden kann.

Marc Rackelmann ist Körperpsychotherapeut, Paar- und Sexualtherapeut, Supervisor und Ausbilder mit eigener Praxis in Berlin.

Guy Bodenmann: Streitet euch! Wie Konflikte Paare und ihre Kinder stärken. Patmos 2023, 200 S., € 22,–

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Dieser Artikel befindet sich in der Ausgabe: Psychologie Heute 2/2024: Von hier aus kann ich meine Sorgen kaum noch sehen
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