So bringen Sie sich in Takt

Der Vormarsch von Kunstlicht nimmt uns gesunde Dunkelheit und Ruhe. Wie finden wir zurück zu einem natürlichen Tag-Nacht-Rhythmus? Fünf Empfehlungen

Ein Mann steht auf einer Wiese und schaut interessiert in den Nachthimmel, der voller Sterne ist
Zwischen Bündeln aus Kunstlicht erkennt er den Nachthimmel. Doch von wahrer Dunkelheit ist keine Spur. © Tafreshi, Babak/Science Photo Library

1. Mehr Dunkelheit zulassen

Schon als Kinder lernen viele Menschen, dass Dunkelheit gefährlich ist. Die Folge: Wir meiden sie oft ein Leben lang. Die Biologin Annette Krop-Benesch rät, die Dunkelheit mit den Augen eines neugierigen Forschenden zu erkunden: Wie fühle ich mich, wenn mich weniger oder gar kein Licht umgibt? Die eigene Wohlfühlbeleuchtung findet man am bes­ten Schritt für Schritt. „Man fängt im Dunkeln an, macht dann ein Licht an und schaut, ob es reicht. Wenn nicht, folgt ein zweites und so…

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fängt im Dunkeln an, macht dann ein Licht an und schaut, ob es reicht. Wenn nicht, folgt ein zweites und so weiter“, sagt Krop-Benesch.

2. Natürliches Licht tanken

„Unser Organismus liebt große Kontraste zwischen Tag und Nacht – und die verschwimmen heute immer mehr“, sagt die Schlafforscherin Christine Blume von der Universität Basel. Sie empfiehlt, im Alltag bewusst natürliches Licht zu tanken. Zum Beispiel indem man zu Fuß oder mit dem Fahrrad zur Arbeit pendelt, sich in der Mittagspause auf eine Bank im Freien setzt oder einen Spaziergang macht. „Das wirkt sich auch positiv auf die Stimmung aus, denn Licht hat eine antidepressive Wirkung“, sagt sie.

3. Täglich die innere Uhr stellen

Der amerikanische Neurobiologe Andrew Huberman wendet sein Gesicht morgens bewusst eine Weile der Sonne zu. Morning sunlight viewing nennt der Stanford-Professor sein tägliches Ritual. Damit synchronisiert er zum einen seine innere Uhr. Zum anderen regt Sonnenlicht die Produktion des Glückshormons Serotonin an. Künstliches Licht hat diese Wirkung nicht. An trüben Tagen könnten Tageslichtlampen helfen, sagt die Biologin Krop-Benesch. „Am besten morgens für eine halbe bis ganze Stunde, bei späterer Nutzung schläft man womöglich nicht so gut.“

4. Smart beleuchten

„Es gibt inzwischen viele intelligente Beleuchtungssysteme, die tagsüber ein helleres, blaues Licht und nachts ein sanftes, orangefarbenes Licht erzeugen“, sagt der australische Psychologe Andrew Philipps. Die Lichtfarbe und Intensität lassen sich meist bequem per App steuern. Stichwort Smartphone: Wer abends den Nachtmodus nutzt, tut seinem zirkadianen Rhythmus etwas Gutes. Noch besser ist, elektronische Geräte mindestens eine Stunde vor dem Schlafengehen wegzulegen.

5. Zum Nachttouristen werden

Dauerhaft umziehen, um der Lichtverschmutzung zu entgehen – das kommt für die meisten Menschen nicht infrage. Krop-Benesch rät stattdessen zu Ausflügen in dunklere Regionen, zum Beispiel in einen Sternenpark, wie sie im Havelland, in der Rhön oder in der Eifel eingerichtet wurden. „Da reicht schon ein Wochenendtrip, um das Wow-Erlebnis eines klaren Nachthimmels zu spüren“, sagt sie.

Wollen Sie mehr zum Thema erfahren? Dann lesen Sie gernen, welche fatalen Folgen der Verlust der Dunkelheit auf die Gesundheit des Menschen und die Umwelt hat in Wir Nachtlosen.

Quellen

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Johan Eklöf: Das Verschwinden der Nacht. Wie künstliches Licht die uralten Rhythmen unserer Umwelt zerstört. Ein Sachbuch über Lichtverschmutzung und die Folgen für die Natur. Droemer 2022

Annette Krop-Benesch: Licht aus!? Lichtverschmutzung – Die unterschätzte Gefahr. Rowohlt Taschenbuch 2019

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Dieser Artikel befindet sich in der Ausgabe: Psychologie Heute 5/2024: Aber danach fang ich wirklich an