Egoisten

Manche Menschen stellen im Kontakt mit anderen stets ihre eigenen Interessen in den Vordergrund. Wie man sich vor egoistischem Verhalten schützen kann.

Eine junge attraktive Frau hält eine Zeitung in der Hand, auf der sie selbst abgebildet ist, und liest darin
Die Hinwendung von Ich zum Du ist für manche Menschen sehr schwierig. © Christina Baeriswyl

Eigentlich wollte Frank (Name geändert) zusammen mit seiner Frau den sechsten Geburtstag der Tochter ausrichten und eine Schatzsuche vorbereiten. Doch dann schlägt ein Kollege dem 43-Jährigen für den Tag eine Radtour vor und Frank sagt spontan zu. Also betreut seine Frau allein im Garten eine wilde Horde von acht Kindern im Vorschulalter. Am Abend ist sie vollkommen abgekämpft.

Frank dagegen kommt entspannt von seinem Ausflug zurück, macht sich gut gelaunt ein Bier auf. Dass er sich rücksichtslos verhalten…

Sie wollen den ganzen Artikel downloaden? Mit der PH+-Flatrate haben Sie unbegrenzten Zugriff auf über 2.000 Artikel. Jetzt bestellen

nennt, wehrt Frank ab: Er habe nur gemacht, was ihm passend schien. Seine Frau solle sich nicht aufregen. Es gebe doch ständig Situationen, in denen auch er sich nur nach der Familie richte.

Eine ähnliche Wahrnehmung von sich und ihren Beziehungen hat die Lehrerin Maike (Name geändert): Regelmäßig wendet sich die 38-Jährige bei Schwierigkeiten an ihre beste Freundin, fragt nach deren Unterstützung bei der Steuer­erklärung oder bei Liebeskummer und bekommt diese auch oft. Doch als die Freundin sie ihrerseits einmal um Hilfe bittet, lehnt Maike ab: Sie habe eine stressige Arbeitswoche hinter sich und müsse sich nun endlich mal um sich selbst kümmern. Die Freundin renoviert allein ihre Küche und grübelt darüber nach, ob Maike selbstsüchtig ist oder tatsächlich nur gut für sich sorgt.

Ungleichgewicht zwischen Geben und Nehmen

Noch schroffer reagiert der Kollege, der sich – ohne andere im Team zu fragen – in den Urlaubsplan fürs ganze Jahr einträgt. „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst“, lautet das Motto des Endfünfzigers. Auch nach ausführlichen Diskussionen mit Kolleginnen und Kollegen besteht er auf seinen Ferienterminen. Erst als sich eine Führungskraft einschaltet, rudert er zurück.

Alle drei Szenen sind Momentaufnahmen von egoistischem Verhalten. Bricht man die Interaktionen aufs Wesentliche herunter, erlebt man drei Menschen, die ihre Bedürfnisse und Belange konsequent über die von anderen stellen. „Egoistinnen und Egoisten nehmen sich immer das größte Stück vom Kuchen und fühlen sich damit auch im Recht. Sie achten nicht darauf, was für andere übrigbleibt“, sagt der Psychiater und Psychotherapeut Raphael Bonelli aus Wien.

Ein klinischer Fachbegriff oder gar eine psychiatrische Diagnose ist „Egoismus“ indes nicht. Anders als „Narzissmus“ oder „Perfektionismus“ hat er keinen Krankheitswert. Eher definiere sich hier ein bestimmter Beziehungsstil, eine fehlende Balance von Geben und Nehmen im Kontakt mit anderen, sagt Bonelli.

Ähnliche Wörter anbieten

„In der Psychotherapie kann man egoistisches Verhalten zur Sprache bringen, indem man Begriffe wie Egozentrik oder Ich-Haftigkeit anbietet. So besteht die Chance, dass ein Patient das konkrete Verhalten – die Selbstbezogenheit – eher versteht und annimmt.“ Bezeichne man andere dagegen als Narzisstinnen oder Narzissten, spitze sich die Situation in der Beziehung oder im Job sofort zu.

Obwohl es Parallelen zwischen Narzissmus und Egoismus gibt, sollte man beide Begriffe ohnehin nicht gleichsetzen. „Nicht jeder Egoist ist auch ein Narzisst. Aber jeder Narzisst ist auch egoistisch und denkt primär an sich“, erklärt Bonelli. Hinzu kommt bei narzisstischen Menschen noch die Tendenz, andere abzuwerten und kleinzumachen, um sich selbst grandios zu fühlen. Ein Mechanismus, der den Aufbau vertrauensvoller Beziehungen erschwert und der bei Egoisten und Egoistinnen nicht ausgeprägt ist.

Zunahme einer "entsolidarisierten Gesellschaft"

Ob durch Egoismus eine belastende Schieflage entsteht oder ob der Hang zum Eigennutz nur ein bisschen lästig ist, kann man als Gegenüber oft nicht gleich einschätzen. Denn ein gewisses Maß an Egozentriertheit ist im Alltag weit verbreitet. In einer Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach aus dem Jahr 2019 fanden 73 Prozent der Befragten, dass der Egoismus in Deutschland in den letzten Jahren zugenommen habe. Sie beklagten auch, dass der gesellschaftliche Zusammenhalt abnehme und man eine stärkere Rücksichtslosigkeit im öffentlichen Raum beobachten könne, zum Beispiel im Umgang mit Rettungskräften.

Längsschnittstudien aus der Sozialpsychologie bestätigen diesen Eindruck. An der Universität Bielefeld führte der Soziologe Wilhelm Heitmeyer zwischen 2002 und 2012 immer wieder Befragungen durch, in denen er das Ausmaß an Abwertung, Spaltung und Vorurteilen hierzulande erfasste. Dazu fragte er Versuchsteilnehmerinnen und -teilnehmer beispielsweise, wie sehr sie Aussagen zustimmten wie: „In unserer Gesellschaft nehmen wir zu viel Rücksicht auf Versager.“ Oder: „Wir können uns in dieser Gesellschaft nicht mehr viel Nachsicht leisten.“

Heitmeyer konnte belegen, dass immer mehr Menschen solchen egoistischen und wenig solidarischen Aussagen zustimmen, und spricht von einer „entsolidarisierten Gesellschaft“, die in den letzten beiden Jahrzehnten Fahrt aufgenommen habe.

Jeder hat beide Pole in sich

Werte haben sich verschoben, eine Jeder-muss-gucken-wo-er-bleibt-Haltung ist eher Konsens als noch vor 20 Jahren. Und auch in Experimenten aus der Spieltheorie, in denen man beobachtet, unter welchen Bedingungen Menschen kooperieren oder konkurrieren, zeigt sich immer wieder, dass erstaunlich viele Versuchsteilnehmerinnen zwar vorder­gründig kooperieren, letztlich aber „Ausbeuterstrategien“ anwenden und daran interessiert sind, ihren eigenen Gewinn zu maximieren. Eine Untersuchung von Manfred Milinski und Lutz Becks am Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie deutet darauf hin, dass diese „netten Ausbeuter“ mit ihren Strategien sehr erfolgreich sind.

Doch nicht hinter jedem eigennützigen Verhalten steckt ein ausgewachsener Egoist. Alle Menschen haben beide Pole in sich – Geben und Nehmen. „Wir zeigen täglich sowohl egoistische als auch selbstlose Verhaltensweisen“, sagt die Psychologieprofessorin Anne Böckler-Raettig, die an der Leibniz-Universität Hannover zu prosozialem Verhalten forscht. Mit dem eigenen Egoismus und dem der anderen muss sich letztlich jeder immer mal wieder auseinandersetzen. Besonders bei der Betrachtung des alltäglichen Gegen- und Miteinanders ist es gut zu wissen, dass nicht nur die anderen Egoistinnen sind.

Situationsabhängiger Egoismus

Darüber hinaus schwankt Egoismus je nach Situation. So ist seit Jahrzehnten aus sozialpsychologischen Experimenten bekannt, dass Menschen in Stress- und Zeitdrucksituationen anderen weniger helfen und verstärkt an sich selbst denken. Werden Versuchsteilnehmende etwa gebeten, eine Präsentation unter Zeitdruck vorzubereiten und vorzutragen, neigen sie dazu, eine hilfebedürftige Person links liegenzulassen.

Haben die Probandinnen und Probanden hingegen keinen Stress, helfen sie häufiger. Das Team von Anne Böckler-Raettig fand in einer Untersuchung heraus, dass Menschen, die in einem Training gelernt hatten, im Alltag positive Emotionen wie Dankbarkeit oder Mitgefühl deutlicher zu spüren, sich weniger egoistisch verhielten, hilfsbereiter und großzügiger waren.

Der Dark Factor

Aber auch wenn Egoismus in der Gesellschaft tendenziell zunimmt, gibt es individuelle Unterschiede: Manche Menschen sind rücksichtsloser als andere. Benjamin Hilbig, Professor für Psychologie an der Universität Koblenz-Landau, hat einen Persönlichkeitstest zum dunklen Kern unseres Wesens entwickelt. Dieser Dark Factor beschreibt das Ausmaß, in dem ein Mensch „eigennützig den eigenen Vorteil“ maximiert, „ohne darauf zu achten oder billigend in Kauf nehmend, dass andere zu Schaden kommen“. Diese Schattenseite des Menschen äußert sich in Eigenschaften wie Egoismus, Narzissmus und Machtstreben.

Hilbig und seine Kollegen, die den Persönlichkeitsfrage­bogen bisher mit über 300000 Personen weltweit getestet haben, können mittlerweile sagen, dass bei manchen Menschen egoistische Seiten nur wenig ausgeprägt sind, bei anderen sehr stark. „Jemand, der einen hohen Dark Factor hat, verhält sich nicht ständig selbstsüchtig“, erklärt Hilbig. „Doch die Bereitschaft und die Wahrscheinlichkeit, sich egoistisch zu verhalten und einen Schaden für andere in Kauf zu nehmen, ist höher.“ In stressigen Situationen zum Beispiel. Wenn viel auf dem Spiel steht. Oder wenn man sich ungerecht behandelt fühlt.

Egoismus nicht bagatellisieren

Auch der Psychotherapeut Raphael Bonelli hat in seiner Praxis die Erfahrung gemacht, dass Egoismus unterschiedlich weit verbreitet ist. Und dass ein ausgeprägter Hang zu selbstsüchtigem Verhalten Beziehungspartner und Freundinnen belasten und erschöpfen kann. Deshalb halte er auch nichts davon, eine Tendenz zum Egoismus zu bagatellisieren.

„Wenn jemand häufig davon spricht, dass man einen ,gesunden Egoismus‘ brauche oder ,auch mal an sich selbst denken muss‘, dann ist wahrscheinlich schon zu viel Ego im Spiel“, sagt Bonelli. Wenn also die Lehrerin Maike ständig betont, wie wichtig es ihr ist, sich um sich selbst zu kümmern, kann man davon ausgehen, dass sie eine Person ist, die auf ihren Vorteil achtet.

Es ist ein erster wichtiger Schritt, bewusst wahrzunehmen, ob eine Partnerin, ein Freund oder eine Kollegin regelmäßig zum egoistischen Pol tendiert. Denn oft hadern Menschen, die auf Egoistinnen und Egoisten treffen, mit ihren eigenen Emotionen: Sie fühlen sich übergangen und ohnmächtig, wissen aber – wie die Freundin der Lehrerin Maike – nicht so richtig, ob sie ihrem Eindruck trauen können.

Strategien, sich zu schützen

Um Klarheit zu gewinnen, hilft es, aufkommende Störgefühle genau zu registrieren. „Wenn man sich häufiger vom eigennützigen Verhalten des anderen überrascht oder verletzt fühlt, sollte man das ernst nehmen“, so Bonelli. Hat man erst mal festgestellt, dass jemand oft selbstsüchtig agiert, kann man anfangen, sich zu schützen.

Welche Strategie man dabei verfolgt, hat mit der Art der Beziehung zu tun: In entfernten Verbindungen, etwa zu Nachbarinnen oder Arbeitskollegen, kommen Eigennutz und Egoismus häufiger vor, sind auch eher gesellschaftlich akzeptiert. Man sollte damit rechnen und es nicht persönlich nehmen. Der Wirtschaftswissenschaftler Armin Falk von der Universität Bonn hat etwa in mehreren Publikationen betont, dass die meisten Menschen eine Tendenz zum Eigennutz stärker in der Außenwelt ausleben als im privaten Rahmen.

In engen Freundschaften oder Liebesbeziehungen, in denen man sehr vertraut ist, sind die meisten bereit, mehr zu geben als bei unverbindlichen Kontakten oder gar in Konkurrenzsituationen am Arbeitsplatz. Hat man also mit einem egoistischen Kollegen wie dem oben erwähnten Urlaubsblockierer zu tun, ist eine sachliche Abgrenzung meist ausreichend. Eine allzu tiefe persönliche Auseinandersetzung ist nicht nötig oder sogar kontraproduktiv, klare Regeln reichen hier völlig. 

Gespräch suchen

Handelt es sich bei dem egoistischen Gegenüber um jemanden, mit dem man in einer Liebesbeziehung oder engen Freundschaft steht, sieht die Sache anders aus. „Je enger eine Verbindung, umso wichtiger wird es, rücksichtslosen Eigennutz zu thematisieren und wenn möglich durch einen zugewandten Umgang zu ersetzen“, sagt der Paartherapeut und Sachbuchautor Holger Kuntze aus Berlin.

Vor allem Liebesbeziehungen lebten davon, dass man einander Gutes wolle und immer wieder bereit sei, dem anderen etwas zu geben. Wenn dieser wohlwollend-gebende Pol zu wenig ausgeprägt ist, verliert man – anders als bei Bekanntschaften – irgendwann die Basis der Verbindung. Andererseits kann man in der Liebe oft auf mehr Substanz bauen und so Egokonflikten vielfältiger und tiefgreifender begegnen – sich gemeinsam weiterentwickeln.

Wenn ein Lieblingsmensch also oft selbstsüchtig denkt und handelt, ist es entscheidend, zügig und klar anzusprechen, wie und wann man den anderen als egoistisch erlebt und was daraus folgt. Paartherapeut Kuntze nennt Faustregeln für solche Gespräche: „Erst mal ist es gut, dem anderen wahrhaftig zu sagen, wann und warum man sein Verhalten als egoistisch erlebt. Dann sollte man seine Betroffenheit schildern und ansprechen, an welchen Stellen man den Eindruck hat, dass das Verhalten des anderen einem schadet.“

Als etwa die Frau von Frank – der den Kindergeburtstag für eine Radtour sausen ließ – anfing, sich mit ihrem Mann über sein egoistisches Verhalten auseinanderzusetzen, war es ihr wichtig zu erklären, was sein Egotrip für sie bedeutete: Sie erzählte ihm in einem ruhigen Gespräch, wie sie bei der Feier in elenden Stress geraten war, dass sie sich abends nicht nur ausgelaugt und müde, sondern auch im Stich gelassen gefühlt hatte.

Nicht mit Normen argumentieren

„Es ist gut, über das zu sprechen, was einen ganz persönlich stört. Das Argumentieren mit Normen verhärtet dagegen die Fronten“, so Kuntze. Phrasen wie „So egoistisch darf ein Ehemann nicht sein“ oder „Es gehört sich nicht, am Geburtstag der Tochter nicht da zu sein“ führen nur zu Abwehr. Auch direkte Schuldzuweisungen wie „du Egoist“ greifen zu kurz – selbst wenn sie als erste Reaktion verständlich sind. Denn typischerweise dementieren Egoistinnen und Egoisten solche Vorwürfe heftig.

Vielleicht weil sie ihre Rücksichtslosigkeit tatsächlich nicht wahrnehmen und dies Teil ihres Problems ist. Vielleicht weil sie in der Vergangenheit schon ähnliche Gespräche geführt haben und deshalb dichtmachen. Viele Menschen mit egoistischen Tendenzen werden erst zugänglich, wenn sie eine Ahnung davon bekommen, wie sehr ihr Verhalten ihren Partner oder ihre Partnerin belastet und was sie damit ausgelöst haben.

So war es beispielsweise bei Frank, der seine erste Abwehr – „Ich mach doch nur, was mir passend erscheint“ – zum Teil fallenlassen konnte. Er begriff, dass ein Kindergeburtstag kein Spaßtermin voller Cupcakes und Luftballons ist, sondern einer der Stresshöhepunkte im Leben mit Kindern. Und gab zu, dass er das nicht gesehen und seine Frau deshalb übergangen hatte. Am siebten Geburtstag der Tochter wollen sie nun gemeinsam da sein. Doch das ist nicht der entscheidende Schritt: Wichtiger ist, dass Frank anerkennt, dass er gelegentlich ein Egoproblem hat, mit dem er Menschen, die ihm wichtig sind, empfindlich schadet.

Macht mich die Beziehung noch froh?

Doch nicht immer lassen sich Egoisten und Egoistinnen von einem Gespräch berühren. Viele erkennen nicht an, dass ihre Selbstsucht für andere zum Nachteil werden kann. Wenn ein Partner die Schilderungen vehement abschmettert, höhnisch abwertet oder der Ansicht ist, dass ihm alles, was er sich wünscht, uneingeschränkt zusteht, ist das ein Warnzeichen. „Wer in engen Beziehungen keinerlei Veranlassung sieht, sich gemeinsam vom Pol des Nehmens immer mehr zum Pol das Gebens hin zu entwickeln, zeigt, dass ihm die Verbindung nicht sehr am Herzen liegt oder es ihm schwerfällt, sich von seiner Ich-Zentriertheit zu lösen“, sagt Psychotherapeut Bonelli.

Dann kann es sein, dass der Partner nicht nur egoistisch ist, sondern auch narzisstische Tendenzen hat, andere schnell abqualifiziert und ohne Empathie behandelt. In einem solchen Fall wird es schwer, Geben und Nehmen in eine passende Balance zu bringen. Wer feststellt, dass das Gegenüber nicht nur eigennützig agiert, sondern immer wieder eine verletzende und entwertende Seite auslebt, sollte gut auf sich achten. Und sich gelegentlich fragen, ob einen die Verbindung froh macht oder ob man Schaden nimmt.

"Geben-Seite" bestärken

Auch wenn Gespräche über Egoismus in Beziehungen oder Freundschaften konstruktiv verlaufen, wird es immer wieder Situationen im Alltag geben, in denen eine selbstbezogene Person rücksichtslos handelt. Dann können auch kleinere Strategien helfen, zum Beispiel die Egoistin ohne viel Streit an ihren gesunden Seiten zu packen, sie dort zu bestärken und wahrzunehmen, wo sie auf der „Geben-Seite“ agiert, zugewandt, zärtlich oder hilfsbereit ist: „Fast jeder Mensch hat auch Fähigkeiten und Werte, die eine Verbindung fördern und dem Egoismus entgegenlaufen“, sagt Raphael Bonelli.

Es kann einem gemeinsamen Tag eine andere Richtung geben, wenn man die Partnerin, die gerade die Familienwaschmaschine wieder einmal nur mit ihren eigenen Sachen gefüllt hat, ohne Groll bittet, abends für alle ihre leckere Pasta Napoli zu kochen. Oder wenn man versucht, wohlwollend all die Aspekte zu betonen, bei denen der Partner mit seinem Humor und seinem Sachverstand „gebend“ und nicht nur „nehmend“ agiert.

Deutliche Kommunikation

Übertünchen braucht man das selbstsüchtige Verhalten des anderen allerdings nicht. Im Gegenteil. Laut Paartherapeut Holger Kuntze ist es ein bedeutsamer Punkt für alle Beziehungen, die sich in einer Schieflage zwischen Geben und Nehmen befinden, dass man immer wieder deutlich benennt, was aus dem Ruder läuft.

Wenn man sich beispielsweise von seinem Partner wünscht, dass er täglich die Spülmaschine ausräumt, er das aber nicht macht, sollte man es ansprechen, ohne sich in Vorwürfe zu verrennen. Eine ungewöhnliche Strategie besteht darin, dem anderen zu sagen: „Ich räume jetzt selbst die Spülmaschine aus. Ich stehe dafür zur Verfügung. Besprochen haben wir, dass du das machst.“ Dann räumt man die Spülmaschine aus.

Dieser klare Wunsch, den man ganz ohne Drama vorbringt, kann etwas in der Beziehungsdynamik verändern: Der Partner muss sich mit den Bitten und Bedürfnissen auseinandersetzen und spürt schnell, dass er jetzt dran wäre. Gleichzeitig liefert man keinen Angriffspunkt für sinnlose Streitereien nach dem Motto „Mach mir keine Vorwürfe“ oder „Du greifst mich ständig an“. Denn diese Diskussionen sind oft Nebelkerzen und führen vor allem dazu, dass die eher selbstsüchtige Partei von den geäußerten Bitten und Bedürfnissen ablenkt und in ihrer egozentrischen Position bleibt.

Zuhören üben

All das klingt nach langwierigen Lernprozessen. Und tatsächlich begleitet Paare oder enge Freundschaften diese Thematik meist über Jahre und Jahrzehnte. Unverbesserlich muss Egoismus aber nicht sein. „Wer selbst immer wieder übt, den eigenen Impuls zum Egoismus bewusst durch Zuwendung zu ersetzen, kann auf Dauer zu einem liebevolleren Menschen werden“, sagt Raphael Bonelli. Dafür braucht die Person, die besser nehmen als geben kann, aber auch die Bereitschaft, etwas zu verändern. Und ein Wissen darum, wie man Zuwendung und Selbstlosigkeit trainiert.

Eine einfache, bekannte Übung ist laut Paartherapeut Holger Kuntze, der Partnerin zehn Minuten lang nur zuzuhören und zu fragen: „Was willst du?“ Oder: „Was brauchst du?“ Die Partnerin erzählt ohne Unterbrechung, welche Bedürfnisse und Wünsche sie hat. Der andere lässt das Gehörte sacken und sagt in dem Augenblick nichts weiter dazu. Die etwas künstliche Situation reguliert Emotionen und lenkt die Aufmerksamkeit: Man verlässt den Kampfmodus, stellt sich ganz auf das Gegenüber ein.

„Jeder Dialog, den wir abends am Küchentisch führen, bei dem erst der eine und dann der andere sagt, was er sich wünscht, gerät schnell zum Schlagabtausch. Sofort bringen wir unsere Interessen in Stellung, verteidigen uns, sind nur bei uns selbst“, sagt Kuntze. Wenn man dem anderen durch Zuhören bewusst Raum gibt, verändert sich das. Man wird zugewandter.

Schmerzhafte Herausforderung

Viele Menschen erleben bei dieser einfachen Übung wohltuend, dass es schön ist, aufeinander einzugehen. Es gibt allerdings auch Menschen, die eine solche Übung nach einer halben Minute abbrechen, die Moderationskarten mit den Fragen in die Ecke pfeffern und mit einem verzweifelten „Ich kann das nicht!“ aufgeben. Die Idee, sich ganz auf einen anderen Menschen einzustellen, ist so ungewohnt und schmerzhaft, dass sie es kaum aushalten.

Aber warum ist die Hinwendung vom Ich zum Du für manche Menschen so schwierig? Wieso schmerzt es sie, das Ego mal fünf Minuten beiseitezulassen? „Wir alle wollen versorgt werden. Im tiefsten Inneren ist es schwer, das kindliche Wollen abzulegen und sich erwachsener zu verhalten“, sagt Holger Kuntze. „Aber es ist möglich, einen Reifungsprozess zu durchleben.“

Raphael Bonelli sieht das kritischer: Die Schwierigkeit, auch mal eine andere Person in den Vordergrund zu stellen als sich selbst, verbindet er mit einer mangelnden Frustrationstoleranz, die oft bereits in der Kindheit entsteht. Wem die Eltern nie vermittelt oder vorgelebt haben, sich selbst hintanzustellen, bescheiden zu bleiben, im Kontakt mit Freunden, Geschwistern, Großeltern auch mal die Nummer zwei zu sein, müsse das später mühsam lernen. Und zwar oft erst, wenn der Partner oder eine Freundin fordert, dass das Gegenüber gelegentlich von seiner Eigendrehung ablässt.

Freundschaft als Option ohne Verlässlichkeit

Der zunehmende Egoismus, den Bonelli bei seinen Patientinnen und Patienten in den letzten Jahren wahrnimmt, hat aber auch gesellschaftliche Gründe: Vor allem die Tendenz zur zunehmenden Individualisierung begünstige das Kreisen um die eigenen Bedürfnisse. Der Druck, die eigene Berufsbiografie zu gestalten, lange Jahre als Single, zahlreiche Umzüge, die das Leben und Arbeiten in einer globalen Gesellschaft mit sich bringen, die Tendenz, sich körperlich und geistig zu optimieren, all das führt laut Bonelli vermehrt zu einer verzerrten Form der Eigenliebe, in der andere Menschen kaum Platz haben.

So wie bei der Lehrerin Maike, die ihre Freundin zwar ständig um Hilfe bittet, aber selbst reflexartig abwehrt, sobald jemand eine Bitte an sie richtet. Maike zeigt ein großes Maß an Unverbindlichkeit, definiert Freundschaft als eine Option ohne jede Verlässlichkeit.

Aus der Selbstzentriertheit aussteigen

„Die Idee, dass Gemeinschaft und Gemeinsamkeit immer nur dann entstehen, wenn beide Freundinnen oder Beziehungspartner auf der gleichen Wellenlänge sind, ist weit verbreitet“, sagt Holger Kuntze. Doch genau darin schlummere das Potenzial für eine weitere Zunahme von Egoismus. Freundschaften würden reine Zweckgemeinschaften, man lerne nichts dazu, komme nicht aus der eigenen Komfortzone heraus. Dass erst andere Menschen uns helfen, eine gewisse Selbstlosigkeit zu erlernen, darauf deutet auch eine Studie des mittlerweile verstorbenen Psychologen John Cacioppo von der University of Chicago hin.

Ein gutes Jahrzehnt lang befragte er 230 ausgesuchte Versuchsteilnehmerinnen und -teilnehmer immer wieder zum Thema Einsamkeit. Er stellte dabei unter anderem fest, dass sich Egozentrik und Einsamkeit gegenseitig bedingen und verstärken: Wer jahrelang einsam war, wurde jedenfalls tendenziell egozent­rischer und konnte sich weniger gut auf andere Menschen ­einstellen. Wer in Kontakt und Verbundenheit lebt, hat also möglichweise eher eine Chance, aus seiner Selbstzentriertheit auszusteigen.

Scheingerechtigkeit in Paarbeziehungen

Natürlich gibt es auch überzeugte Egoistinnen und Egoisten oder solche, die die Eigennützigkeit einfach nicht aufgeben können. Ob man sich mit ihnen abmühen will oder lieber gleich die Freundschaft oder Beziehung beendet, muss jeder selbst entscheiden. „Es gibt kein objektives Gesetz, mit welchem Gleichgewicht von Geben und Nehmen man in Beziehungen oder engen Freundschaften zufrieden sein darf“, sagt Holger Kuntze. Eine 50:50-Verteilung sei jedenfalls nicht notwendig, um gemeinsam glücklich zu sein – und auch nicht realistisch.

Viele Paare geraten mit diesem Anspruch in eine Art der Scheingerechtigkeit, rechnen akribisch auf, wer wann ein nettes Kompliment gemacht oder abends allein aufs Kind aufgepasst hat. Eine solche Buchführung wie in einer Geschäftsbeziehung bringt häufig mehr Krach als Einigung, so Kuntze. Wichtiger sei eine emotionale Balance, in der jeder der Partner das Gefühl hat, in seinen Bedürfnissen und mit seinem Wesen gesehen zu werden.

Wenn das Ungleichgewicht zu groß wird

Ähnliches gilt für Freundschaften. Ab einer bestimmten Schieflage, wenn das prozentuale Ungleichgewicht zwischen Geben und Nehmen immer größer wird, kippt aber so gut wie jede Beziehung. Wenn etwa eine Frau darauf besteht, permanent Affären zu haben, obwohl der Partner das nicht will. Oder wenn ein Mann droht, sich zu trennen, wenn die Partnerin einmal abends mit ihren Freundinnen ausgeht. Oder wenn angeblich dicke Freunde letztlich unverbindlich bleiben und jedes Engagement für den anderen ablehnen.

Die beste Freundin der Lehrerin Maike hat jedenfalls einen Schlussstrich gezogen. Als sie das Gespräch mit Maike suchte und in ihm schilderte, dass sie sich gelegentlich auch von ihr Hilfe wünsche, reagierte Maike genervt. Sie habe keine Lust auf Menschen, die etwas von ihr forderten und sie einengten. Die Freundin war von der klaren Zurückweisung erst überrumpelt, dann fand sie sie heilsam. Sie zog sich aus dem Kontakt zurück und suchte sich Freundinnen mit mehr Geberqualitäten. Ganz egoistisch denkt sie bei der Wahl ihrer Freunde nun auch mal an sich selbst.

Dark Factor

Der Dark Factor – auch D-Faktor genannt – beziffert die Ausprägung des dunklen Kerns der Persönlichkeit. Unter Personen mit hohem D-Faktor sind solche, die den Schaden anderer nicht sehen, ihn billigend in Kauf nehmen, und solche, die andere absichtlich schädigen. Der Persönlichkeitsfragebogen dazu erfasst neben Eigenschaften wie Egoismus und Narzissmus auch Sadismus und Psychopathie. Einen Test, der misst, wie hoch Ihr D-Faktor ist, finden Sie hier.

Vertrauen ist besser

Im Straßenverkehr, im Umweltschutz, in der Supermarktschlange scheinen oft eher die anderen ausgemachte Egoistinnen oder Egoisten zu sein. Doch das ist eine verzerrte Wahrnehmung

Der Nachbar hat seinen SUV schon wieder halb auf dem Fußgängerweg geparkt. Die Kollegin schwingt Reden über Nachhaltigkeit und druckt mittags gefühlt 500 Blatt mit dem alten Laserdrucker aus. Und während der ersten Wellen der Coronapandemie fiel uns ohnehin ständig jemand ins Auge, der gegen die Abstandsregeln verstieß. Ob in der Nachbarschaft oder in den Nachrichten – oft scheint es uns, als seien in unserer Gesellschaft sehr viele Menschen ausgemachte Egoistinnen und Egoisten und diejenigen, die Gutes tun, dagegen in der Minderheit. Aber stimmt das?

Anne Böckler-Raettig, Psychologieprofessorin an der Leibniz-Universität Hannover, widerspricht dem Eindruck. „Der Riss geht nicht durch die Gesellschaft, in der die einen Egoisten, die anderen Altruisten sind. Vielmehr sind wir alle mal egoistisch und auf den eigenen Vorteil bedacht, mal selbstlos und hilfsbereit.“ Es wäre also angemessen, die Menschen in unserer Umgebung und auch uns selbst in beiden Aspekten wahrzunehmen – Geben und Nehmen.

Mit zweierlei Maß

Dass wir andere oft sehr schnell des Egoismus beschuldigen, hat noch einen weiteren Grund: „Von einem Egoisten oder einer Egoistin sprechen wir bereits, wenn wir erlebt haben, dass jemand ab und zu eigennützig handelt. Bevor wir aber jemanden als Altruisten oder Altruistin bezeichnen, muss diese Person schon viel Gutes tun und ausnahmslos selbstlos handeln“, erklärt Böckler-Raettig.

Wir messen also mit zweierlei Maß und stempeln andere schnell ab, wenn wir sie dabei ertappen, gedanken- und rücksichtslos zu sein. Dabei sind das Momentaufnahmen. Wir wissen nicht, ob der Nachbar, der gerade sein Auto quer auf dem Weg parkt, gestern für eine Hilfsorganisation gespendet hat. Aber wir sollten es in Betracht ziehen. „Ich halte es für wichtig, dass wir anderen einen gewissen Vertrauensvorschuss geben und annehmen, dass sie auch gelegentlich helfen und Gutes tun“, sagt Böckler-Raettig.

Diese Haltung führt nicht nur dazu, dass wir andere weniger streng beurteilen. Sie kann auch den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken. Denn unsere Grundüberzeugungen über den Menschen und seine Absichten prägen wiederum unser eigenes Verhalten. Studien der Universität Koblenz-Landau zeigen, dass eine latente Neigung, andere Menschen rücksichtslos zu behandeln, sich dann besonders entfaltet, wenn sie mit einer entsprechenden Ideologie gekoppelt ist. Wer glaubt, dass alle Menschen ohnehin egoistisch sind oder „jeder eh macht, was er will“, neigt viel stärker dazu, sich ebenfalls selbstsüchtig zu verhalten. Verkürzt gesagt: Wer andere nur als Egoistinnen sieht, handelt selbst egoistischer.

Vertrauen aufbauen

Um unser Vertrauen in die Integrität unserer Mitmenschen auszubauen, kann es helfen, uns selbst im Alltag zu beobachten: Wir alle betreiben eine Art innere Buchführung, rechnen im Geiste nach, wie viel Gutes wir an einem Tag schon getan haben und ob das vielleicht schon reicht.

In verschiedenen Experimenten der Sozialpsychologie wurde beobachtet, dass Probandinnen und Probanden, die gerade über ihre positiven Eigenschaften einen Aufsatz geschrieben hatten, später weniger großzügig waren, als es darum ging, einen Geldbetrag zu spenden. Diese moralische Lizensierung ist nicht verwerflich, sie hilft uns, in einer Balance zu bleiben und nicht zu viel zu geben. Es kann allerdings passend sein, diesen Mechanismus auch anderen zuzugestehen, die wir gerade bei selbstsüchtigen Handlungen beobachten. Auch das wäre ja ein Akt der Großzügigkeit.

„Den Schaden sehen“

Dass mal ein Kollege, mal die Teamleiterin egoistisch handelt, gehört zum Joballtag. Die Psychologin Heidrun Schüler-Lubienetzki weiß, wann man eigennütziges Verhalten ignorieren kann – und wann man zügig handeln sollte

Frau Schüler-Lubienetzki, welche typischen Egoaktionen machen es anderen im Job schwer?

Egoismus verstärkt sich, sobald Verteilungskonflikte auftreten: Wenn es eine neue Aufteilung der Büros gibt oder ver­bindliche Regeln bei der Arbeitsteilung fehlen, werden die Ellenbogen ausgefahren. Ein weiterer Klassiker ist, die Erfolge und Arbeitsergebnisse von Kolleginnen und Kollegen aufs eigene Konto zu buchen.

Wie kann ich mit rücksichtslosen Menschen im Job umgehen?

Fragen Sie sich, in welchen Situationen Sie das Nachsehen haben. Beim Analy­sieren der Situation bemerkt man oft, dass das egoistische Verhalten nicht absichtsvoll und eher ungeschickt ist. Erwartungen wurden nicht klar kommuniziert, es gab Missverständnisse. Solange das der Fall ist, kommt man mit direktem Feedback weiter.

Sie können dem Kollegen oder der Kollegin dann sachlich sagen, was Sie in welcher Situation gestört hat, und gemeinsam zu einer verbindlichen Regelung kommen. Es gibt aber auch Fälle, da gab es längst Gespräche. Wenn Sie merken, dass getroffene Vereinbarungen für das Gegenüber keine Gültigkeit haben, wird es kniffelig. Dann reden Sie über das Thema besser mit einer Führungskraft.

Sie raten dazu, zügig die Vorgesetzten zu informieren?

Ein erstes Gespräch kann zwischen den Betroffenen stattfinden, das ist manchmal auch ganz unkompliziert. Wenn sich am egoistischen Verhalten aber nichts ändert, sollten Sie gucken, was für ein Schaden durch das Verhalten für Sie und fürs Unternehmen entsteht. Wenn Arbeitsprozesse blockiert werden, die Firma Geld verliert oder Ihr Ruf in Miss­kredit gerät, sollten Sie zügig handeln und sich eben auch nicht scheuen, Vorgesetzte einzubeziehen.

Warum ist es wichtig, schnell zu sein?

Je früher man in einer Konfliktsituation offen handelt, desto größer ist die Chance, dass man das Problem ohne bleibende Schäden löst. Darüber hinaus gibt es Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die nach Macht streben, die ihre egoistischen Mo­tive um jeden Preis durchsetzen wollen. Diese Toxiker richten in den Teams einen immensen wirtschaftlichen und psychischen Schaden an. Einen Umgang mit Ihnen zu finden ist auf der kollegialen Ebene fast unmöglich. Auch deshalb ist es ratsam, sich nicht lange allein aufzureiben, wenn jemand im Team ungewöhnlich eigennützig agiert.

Es hilft also, alltäglichen und gefährlichen Egoismus zu unterscheiden?

Genau. Wenn Sie das differenzieren, dann können Sie bewusst entscheiden, ob Sie mit einem Kollegen oder einer Kollegin überhaupt in ein Gespräch gehen wollen. Im Arbeitsleben haben wir es schließlich mit vielen Menschen zu tun, die sich egozentrisch verhalten. Etwa weil sie psychisch eingeschränkt sind, eitel oder cholerisch. Diese Kollegen sind nicht leicht zu ertragen. Stellt man für sich aber fest, dass sie harmlos sind oder auch Konstruktives ins Team einbringen, kann es professionell sein zu sagen: Die Kollegin nervt mich. Ihre Egozentrik ist aber harmlos – ich belaste mich damit nicht weiter.

Gibt es auch äußere Umstände, die Egoismus im Job beeinflussen?

Fehlt in einem Team der gemeinsame Kompass, fehlen klare Regeln und Ziele, entsteht korrosive Energie. Alle arbeiten gegeneinander. Umso wichtiger ist, dass Führungskräfte eine klare Ausrichtung schaffen. Und dass sie Vorbilder sind: Ei­ne großzügige Chefin, die ihre Mitarbeiter an Erfolgen teilhaben lässt, lebt Teamgeist vor. So nimmt man den Egoistinnen und Egoisten den Wind aus den Segeln.

Heidrun Schüler-Lubienetzki, ist Psychologin. Zusammen mit ihrem Mann Ulf Lubienetzki führt sie eine Firma für Business-Coaching in Hamburg. Ihr Buch Schwierige Menschen am ­Arbeitsplatz ist bei Springer ­erschienen

Dieser Artikel befindet sich in der Ausgabe: Psychologie Heute 11/2021: Egoisten