Sind Sie ein „Scanner“?

Gabriele Michel rezensiert das Buch von Annette Bauer über Scannerpersönlichkeiten.

Wir leben in aufgewühlten Zeiten. Globalisierung, Diversifizierung und die extreme Ausdehnung des Wahrnehmungshorizonts durch das Internet rufen offenbar das Bedürfnis nach Selbstvergewisserung wach: Wer bin ich, was macht mich aus, wo gehöre ich hin? Es sind solche Fragen, auf die ein Teil der aktuellen populärpsychologischen und sogenannten Lebenshilfeliteratur antwortet.

Annette Bauer beschäftigt sich in Vielbegabte, Tausendsassa, Multitalent? mit einer Gruppe von Menschen, die besonders gut ausgestattet zu sein scheinen für unsere komplexe, sich ständig verändernde westliche Welt: Sie verfügen über eine sogenannte Scannerpersönlichkeit. Definiert und bekanntgemacht hat diesen Persönlichkeitstyp die amerikanische Unternehmerin und Karriereberaterin Barbara Sher, die seit 1979 mehrere Bücher über vielbegabte Menschen geschrieben hat, die inzwischen auch ins Deutsche übersetzt sind.

Die Merkmale der „Scannerpersönlichkeit“ beschreibt Barbara Sher in Abgrenzung zu einem anderen Typus, den sie „Taucher“ nennt: Taucher brennen für eine Sache, der sie sich oft ein Leben lang widmen. Scanner hingegen bewegen sich neugierig durch die Vielfalt möglicher Themen, Berufe, Hobbys: Sie leben in einem ständigen Wechsel von Kennenlernen, Hineinstürzen, Aufsaugen, Durchleben und Wiederloslassen.

Oft sind sie mit mehreren Ideen oder Unternehmen gleichzeitig beschäftigt, denen sie sich parallel oder im Wechsel widmen. Offen für die unterschiedlichsten Dinge, sind sie initiativ und oft hocheffizient in der Durchführung des jeweiligen Projekts. Das müssen sie allerdings auch sein. Denn sie haben wenig Durchhaltevermögen, wenn etwas sie nicht mehr interessiert – Scanner hassen es, sich zu langweilen.

Was einen Scanner auszeichnet

Die Autorin, selbst Scannerin und als Coach in der Beratung von Vielbegabten tätig, beschreibt die Spezifika dieses Typs mit viel Sympathie, ohne die problematischen Seiten zu verschweigen: Äußerlich sichtbar ist vor allem die Schwierigkeit, Dinge zu Ende zu bringen – innerlich ist es der Kampf mit dem Gefühl von Unzulänglichkeit sowie der Tatsache, von sich selbst getrieben und überfordert zu sein.

Was Scanner eindeutig auszeichnet: eine schier unerschöpfliche Begeisterung und Bereitschaft, Neues auszuprobieren, auch wenn dabei Rückschläge oder Scheitern drohen. In dem Punkt haben sie eine kindlich anmutende Aufbruchsenergie – Kinder lernen auch unbeirrt Rollschuhfahren, obwohl sie wissen, dass das nicht ohne Stürze und Blessuren abgehen wird. Und wenn Vielbegabte für eine Sache entflammt sind, sind sie sehr kreativ.

Dass ein solches Leben anstrengend ist, liegt auf der Hand. Damit Scanner nicht in einem Burnout oder einer Depression landen, bedarf es der steten Selbstfürsorge. Dafür gibt Bauer im letzten Teil ihres Buches vielfältige Anregungen aus dem Bereich der Achtsamkeitsübungen.

Da sich für Scannerpersönlichkeiten den Recherchen der Autorin zufolge wenig Reibungspunkte mit ihren Mitmenschen ergeben, ist dies anschaulich zu lesende Buch vor allem für die Betroffenen interessant, die sich darin wahrgenommen, wertgeschätzt und unterstützt fühlen werden.

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