Schizophrenie: Fakten, Mythen und Therapie-Ansätze

Schizophrenie ist eine oft missverstandene psychiatrische Erkrankung. Wie fühlt es sich an, mit Halluzinationen und verzerrter Wahrnehmungen zu leben?

Eine junge Frau mit fixierendem Blick schaut böse, während ihr zweites Ich sich seitlich abwendet
Menschen mit Schizophrenie haben eine „gespaltene“ Persönlichkeit und mehrere Identitäten? Das ist nur einer der Mythen über diese oft missverstandene psychiatrische Erkrankung. © KatarzynaBialasiewicz/Getty Images

Definition: Schizophrenie

Der Terminus „Schizophrenie“ ist eine Wortschöpfung, die auf den Schweizer Psychiater Paul Eugen Bleuler zurückgeht. Sie setzt sich aus den griechischen Begriffen „schizein“ (spalten) und „phren“ (Seele oder Geist) zusammen. Bleuler nutzte ihn erstmals 1908 bei einem Fachvortrag.

Die Schizophrenie ist eine Form psychotischer Erkrankungen: Dazu zählen schwere psychische Störungen, bei denen sich die Wahrnehmung der Realität deutlich verändert. Charakteristische Merkmale einer Psychose sind Wahnvorstellungen, zum Beispiel überwacht zu werden, oder Halluzinationen. Manche Betroffene hören Stimmen, die ihnen Befehle erteilen. Auch formale Denkstörungen sind typisch. Darunter versteht man etwa plötzlich einschießende Gedanken, die mit der aktuellen Situation nichts zu tun haben und sich nicht unterdrücken lassen.

Psychosen können organische Ursachen haben, wie eine Entzündung im Gehirn; man spricht dann von einer organischen oder exogenen Psychose. Sogenannte substanzinduzierte Psychosen werden durch Medikamente oder Drogen hervorgerufen. Die Schizophrenie zählt zu den endogenen Psychosen, für die es keinen klar erkennbaren Auslöser gibt. Sie ist in dieser Gruppe die Erkrankung mit dem schwersten Verlauf.

Laien verwechseln die Schizophrenie aufgrund des ähnlichen Namens mitunter mit der schizoiden Persönlichkeitsstörung. Bei dieser Erkrankung steht jedoch eine andere Symptomatik im Vordergrund: Auch hier können Betroffene kühl und distanziert wirken, sie erleben aber in der Regel keine psychotischen Symptome. Oft fallen sie nur dadurch auf, dass sie sich kaum auf Freundschaften oder Liebesbeziehungen einlassen können. Ebenso wenig haben Menschen mit Schizophrenie, anders als der Begriff vielleicht vermuten lässt, eine „gespaltene“ Persönlichkeit: Sie verkörpern nicht mehrere Identitäten, die abwechselnd die Kontrolle über ihr Fühlen und Denken übernehmen. Dieses Phänomen ist charakteristisch für die Dissoziative Identitätsstörung.

Wie viele Menschen haben Schizophrenie?

Rund 7 von 1000 Menschen erkranken im Laufe ihres Lebens an Schizophrenie. Allerdings variiert diese Rate von Region zu Region und hängt von verschiedenen Faktoren ab. So sind Männer etwa anderthalbmal so oft betroffen wie Frauen. Städter erkranken – im Vergleich zu Menschen, die auf dem Land leben – häufiger. Das gilt auch für Personen mit einem niedrigen sozioökonomischen Status.

Besonders gefährdet sind Migrantinnen und Migranten. Sie tragen verschiedenen Studien zufolge ein zwei- bis dreifach erhöhtes Risiko. Möglicherweise spielen dabei belastende Erfahrungen im Kontext der Migration eine Rolle, zum Beispiel Diskriminierung oder fehlende soziale Unterstützung. Auch mit dem Geburtszeitpunkt scheint es einen Zusammenhang zu geben: Wer im späten Winter oder Frühling zur Welt kommt, ist etwas gefährdeter als Sommer- oder Herbstkinder. Der Grund dafür ist nicht bekannt. Ein möglicher Faktor ist jedoch der geringere Vitamin-D-Spiegel der werdenden Mütter in den sonnenarmen Monaten.

Symptome einer Schizophrenie

Eine Schizophrenie-Erkrankung geht mit charakteristischen Veränderungen des Erlebens und Verhaltens einher. In der Psychiatrie spricht man auch von Positiv- und Negativsymptomen.

Positivsymptome

Oft verläuft die Schizophrenie in Schüben. Am Anfang eines solchen Schubs zeigen die Betroffenen in der Regel Positivsymptome. Die Bezeichnung „positiv“ meint, dass diese Veränderungen bei gesunden Menschen in der Regel nicht beobachtet werden: Sie kommen zum normalen Erleben und Verhalten „hinzu“. Dazu zählen jene Merkmale, die Laien oft als Erstes mit der Erkrankung verbinden, wie zum Beispiel Wahnvorstellungen: Manche Betroffene glauben, von Außerirdischen verfolgt zu werden, interpretieren Zeitungs-Schlagzeilen als geheime Botschaften, die an sie gerichtet sind, oder haben das Gefühl, dass wildfremde Menschen über sie reden.

Ein weiteres Anzeichen können Sinnestäuschungen, Halluzinationen, sein: Die Patientinnen und Patienten hören Stimmen, die ihnen Befehle erteilen, oder sehen Dinge, die nicht da sind. Sie sind aber davon überzeugt, dass das, was sie wahrnehmen, real ist. Auch formale Denkstörungen zählen zu den Positivsymptomen. Darunter versteht man beispielsweise unzusammenhängende Gedanken, die sich wie ein unaufhaltsamer Strom aneinanderreihen und das normale Denken unvermittelt unterbrechen. Die Sprache kann desorganisiert wirken: „Oft springen die Betroffenen im Gespräch von Assoziation zu Assoziation, und zwar so sehr, dass man in ihren Äußerungen gar keinen Sinn mehr findet“, erklärt Frauke Schultze-Lutter, Psychologin an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.

Negativsymptome

Im späteren Verlauf eines Schubes klingen die Positivsymptome meist ab. Nun treten die sogenannten Negativsymptome in den Vordergrund: Patientinnen zeigen dann weniger ungewöhnliche oder untypische Verhaltensweisen, sondern wirken in ihrem Denken und Fühlen zunehmend verarmt. Sie sind beispielsweise kaum noch fähig, sich zu freuen oder andere Emotionen zu empfinden. Sie verlieren das Interesse an ihrer Umgebung und ehemaligen Hobbies, reden kaum noch und ziehen sich von ihren Bekannten zurück. Oft fällt es ihnen schwer, gewohnten Aktivitäten nachzugehen. Diese Verarmung spiegelt sich manchmal auch in Gestik und Mimik: Die Gesichtszüge können ausdruckslos oder starr wirken, die Stimme monoton.

Kognitive Symptome

Zu Beginn der Schizophrenieforschung ging man noch davon aus, dass die Erkrankung die geistige Leistungsfähigkeit nicht beeinträchtigt. Inzwischen haben Studien jedoch gezeigt, dass Betroffene statistisch betrachtet bei verschiedenen Tests der Hirnfunktion schlechter abschneiden als Gesunde. Der mentale Abbau ist irreversibel. Er setzt manchen Untersuchungen zufolge bereits Jahre vor der ersten psychotischen Episode mit ihren typischen Halluzinationen und Wahnvorstellungen ein und scheint mit einer Abnahme der Hirnsubstanz einherzugehen: Im Schnitt haben Menschen mit Schizophrenie ein um zwei Prozent geringeres Hirnvolumen als Nicht-Erkrankte.

Ursachen: Wodurch wird Schizophrenie ausgelöst?

Ob jemand an einer Schizophrenie erkrankt oder nicht, ist unter anderem eine Frage der Erbanlagen: Der genetische Einfluss liegt Studien zufolge bei 60 bis 80 Prozent. Hinzu kommen Umwelteinflüsse, die das Erkrankungsrisiko ebenfalls steigern: virale Infekte der Mutter während der Schwangerschaft, Vernachlässigung oder Missbrauch in der Kindheit oder der Konsum von Drogen.

Genetische Faktoren

Schon Anfang des 20. Jahrhunderts wusste man, dass Schizophrenie in manchen Familien gehäuft vorkommt. Ist ein Elternteil erkrankt, haben die Kinder gegenüber der Normalbevölkerung ein sechsfach erhöhtes Risiko, ebenfalls eine Schizophrenie zu entwickeln. Sind beide Elternteile betroffen, steigt die Wahrscheinlichkeit auf knapp 50 Prozent.

Allerdings gibt es nicht das eine Schizophrenie-Gen. Vielmehr sieht man heute Veränderungen an über 100 Stellen im Erbgut in Zusammenhang mit einem größeren Krankheitsrisiko. Viele davon sind für die Entwicklung des Gehirns und der Verbindungen zwischen den Nervenzellen wichtig, andere für die Regulation des Immunsystems. Die meisten erhöhen die Wahrscheinlichkeit nur wenig, haben also jeweils nur einen kleinen Effekt. Experten rechnen damit, dass noch weit mehr Erbanlagen beteiligt sind – vermutlich mehrere tausend.

Neurobiologische Faktoren

Schizophrene Erkrankungen gehen nach heutigem Forschungsstand mit einer veränderten neuronalen Informationsverarbeitung einher. So nehmen viele Forschende an, dass bei Betroffenen der Datenaustausch zwischen verschiedenen Bereichen des Gehirns nicht ausreichend funktioniert. Diese Auffassung wird als Dyskonnektivitäts-Hypothese bezeichnet. Als Ursache werden Gene und Umwelteinflüsse vermutet, die im Zusammenspiel die Hirnentwicklung beeinträchtigen. Oft wird dadurch schon im Embryo oder in den ersten Lebensjahren der Grundstein für die Erkrankung gelegt. Menschen, die im Laufe ihres Lebens an einer Schizophrenie erkranken, zeigen statistisch häufiger Entwicklungsdefizite in der Kindheit. Sie lernen etwa vergleichsweise spät zu sprechen oder zu laufen.

Zum Ausbruch kommt die Störung mehrheitlich erst im frühen Erwachsenenalter. Die meisten Neuerkrankungen werden in der Altersgruppe der 20- bis 25-Jährigen diagnostiziert. Forschende vermuten, dass dies durch zu starkes „Pruning“ ausgelöst werden könnte. Unter Pruning versteht man den natürlichen „Rückschnitt“ von Verbindungen zwischen Nervenzellen in der Pubertät; ein Vorgang, der im Rahmen einer gesunden Hirnentwicklung dafür sorgt, redundante neuronale Vernetzungen abzubauen und diejenigen, die häufig aktiviert werden, effizienter aufeinander abzustimmen.

Bei vielen Betroffenen sind Hohlräume, sogenannte Ventrikel, im Gehirn auffällig vergrößert. Gleichzeitig ist ihr Hirnvolumen im Schnitt um zwei Prozent geringer als bei Gesunden. Eine wichtige Rolle bei der Krankheitsentstehung scheint zudem bestimmten Hirnbotenstoffen zuzukommen, den Neurotransmittern Dopamin und Glutamat. So setzen bestimmte Nervenzellen von Patienten mehr Dopamin frei, als es üblich ist. Die heute gängigen Medikamente erzielen ihre Wirkung dadurch, dass sie einen Rezeptor für Dopamin blockieren. Die vermehrte Ausschüttung wird dadurch kompensiert.

Umwelteinflüsse

Neben bestimmten Erbanlagen scheinen auch Umwelteinflüsse diese Störungen der Informationsverarbeitung zu begünstigen. Allein oder im Zusammenspiel mit Risiko-Genen, können etwa virale Infekte der Mutter in der Schwangerschaft die Hirnentwicklung beeinflussen, wie Influenza oder Röteln. Auch Rauchen oder eine Fehlernährung der Schwangeren können die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass das Kind später an einer Schizophrenie erkrankt.

Als weitere Faktoren haben sich Kopfverletzungen und Hirnhautentzündungen im Kindheitsalter herausgestellt, ebenso wie der Konsum von Cannabis oder anderen Drogen in der Jugend und im frühen Erwachsenenalter. Wer in einer Großstadt aufwächst, ist ebenfalls etwas stärker gefährdet als Menschen, die in ländlicheren Gegenden groß wurden. Die Gründe dafür sind noch nicht gesichert bekannt; möglicherweise spielen Lärm, Umweltbelastung und Stress eine Rolle. Der Beitrag jedes einzelnen dieser Faktoren ist auch hier gering: So ist eine Virusgrippe in der Schwangerschaft ist kein Grund zu größerer Besorgnis. Es ist aber sicher eine gute Idee zu versuchen, Infekte in dieser Phase möglichst zu vermeiden.

Stress

Schlimme Erfahrungen in der Kindheit könnten ebenfalls das Risiko erhöhen, an einer Schizophrenie zu erkranken. Dazu zählen etwa sexueller Missbrauch und andere Traumata, emotionale oder körperliche Misshandlung, Vernachlässigung, Verlust der Eltern, aber auch extreme Fälle von Bullying. Allerdings ist nicht klar, ob diese Erfahrungen auf direktem Weg wirken. Zwar gilt als gesichert, dass traumatische Ereignisse Stressregulations-Mechanismen der Betroffenen nachhaltig beeinträchtigen können: Traumatisierte Menschen reagieren stärker auf Stressoren und befinden sich in einem dauerhaft erhöhten Stresszustand. Hinzu kommt, dass die permanente Ausschüttung von Stresshormonen Nervenzellen schädigen kann.

Andererseits gibt es auch indirekte Mechanismen. Beispielsweise erhöhen Kindheitstraumata die Wahrscheinlichkeit, zu Drogen zu greifen. Drogenkonsum begünstigt dann wiederum die Entstehung der Störung.

Diagnose der Schizophrenie

Eine Schizophrenie-Erkrankung lässt sich anhand charakteristischer Merkmale diagnostizieren. Einige dieser Kriterien haben sich in den letzten Jahren geändert. In der medizinischen Praxis finden zwei Klassifizierungs-Systeme für Krankheiten Anwendung: das DSM (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders), das von der US-amerikanischen psychiatrischen Gesellschaft herausgegeben wird, und die ICD (International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems) der Weltgesundheitsorganisation WHO.

Schizophrenie nach DSM-5

Im DSM-5, der aktuellen Auflage des DSM, werden für psychotische Störungen fünf charakteristische Symptome beschrieben:

  1. Wahnvorstellungen

  2. Halluzinationen

  3. eine desorganisierte (zusammenhangslose) Sprache

  4. grob desorganisiertes oder katatonisches Verhalten (darunter fallen beispielsweise stark verlangsamte oder stereotyp wiederholte Bewegungen oder auch plötzliches Lachen oder Singen ohne äußeren Anlass)

  5. Negativsymptome (zum Beispiel Antriebslosigkeit, Gefühlsverflachung)

Für die Diagnose Schizophrenie ist es erforderlich, dass zwei oder mehr dieser Symptome über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten auftreten. Mindestens eines davon muss zudem in die Kategorien eins bis drei fallen.

Schizophrenie nach ICD-10

Die 10. Auflage der ICD wird seit 1994 von den Mitgliedsstaaten der WHO genutzt. Sie ist damit bereits etwas in die Jahre gekommen. Die ICD-11 gilt offiziell schon seit Januar 2022, wird aber erst 2027 verbindlich.

In Deutschland findet die ICD-10-Klassifikation noch verbreitet Anwendung. Ihr zufolge äußert sich eine Schizophrenie in „grundlegenden und charakteristischen Störungen von Denken und Wahrnehmung“ sowie „inadäquaten oder verflachten Affekten“. Auch die ICD nennt Wahn, Halluzinationen, Denkstörungen und Negativsymptome als wesentliche Merkmale. Als Haupt- oder Erstrangsymptome gelten unter anderem das Hören von Stimmen oder bizarre Wahnvorstellungen. Dazu gesellen sich oft Nebensymptome wie wirre Gedanken. Laut ICD-10 reicht es für die Diagnose, wenn eines der Haupt- oder zwei der Nebensymptome für mindestens einen Monat auftreten.

Die ICD-10-Klassifikation unterscheidet zudem verschiedene Unterformen der Schizophrenie:

  • Paranoide Schizophrenie: Die Betroffenen werden von beständigen Wahnvorstellungen geplagt, meist begleitet von akustischen Halluzinationen. Störungen der Stimmung, der Sprache oder der Motorik fehlen, oder sind wenig ausgeprägt.

  • Hebephrene Schizophrenie: Bei dieser Form stehen die Veränderungen von Gefühlserleben und Antrieb im Vordergrund. Charakteristisch sind zudem unangemessenes oder zielloses Verhalten und eine zerfahrene, desorganisierte Sprache.

  • Katatone Schizophrenie: Diese Unterform äußert sich vor allem in motorischen Auffälligkeiten. Die Betroffenen bewegen sich merkwürdig, wiederholen stereotyp immer wieder dieselben Gesten oder verharren stundenlang in ungewöhnlichen Positionen.

  • Undifferenzierte Schizophrenie: Bei dieser Form handelt es sich um eine Mischform, bei der sowohl wahnhafte Symptome als auch Denkstörungen und katatone motorische Auffälligkeiten vorkommen.

  • Postschizophrene Depression: Viele Schizophrenie-Patientinnen entwickeln nach Abklingen der typischen Schizophrenie-Merkmale eine Depression. Wenn dabei noch einige Positiv- oder Negativsymptome vorhanden sind, spricht man von einer postschizophrenen Depression.

  • Schizophrenes Residuum: Darunter versteht die ICD-10 das chronische Stadium einer Schizophrenie, das sich nach Abklingen der typischen Psychose-Symptome (Wahn und Halluzination) entwickelt. Charakteristische Merkmale sind Negativsymptome wie ein verminderter Antrieb, eine monotone Stimme und starre Mimik sowie eine Verarmung von Denken und Fühlen.

  • Schizophrenia simplex: Bei dieser Form entwickelt sich eine ähnliche Negativsymptomatik wie beim schizophrenen Residuum, ohne dass zuvor psychotische Symptome aufgetreten sind. Hinzu kommen fortschreitende kognitive Einbußen.

Schizophrenie nach ICD-11

In der ICD-11 muss nun wie im DSM-5 für die Diagnose „Schizophrenie“ zumindest eines der Positivsymptome Wahn, Halluzinationen und Denkstörungen vorhanden sein. Außerdem wurde die Unterscheidung in die oben genannten Subtypen aufgegeben. „Es hat sich inzwischen herausgestellt, dass diese Aufteilung nicht wirklich gewinnbringend ist“, erklärt die Psychologin Frauke Schultze-Lutter von der Universität Düsseldorf. So sind die Unterformen nicht stabil – die paranoide Schizophrenie kann sich etwa durchaus zum hebephrenen Typus entwickeln. Auch für die Prognose eines Therapieerfolgs haben die Kategorien kaum einen Nutzen.

Differentialdiagnosen bei Schizophrenie

Auch bei anderen Erkrankungen können Schizophrenie-ähnliche Symptome auftreten. So können Hirntumore, Epilepsien, Hirnhaut- oder Gehirnentzündungen mit Wahnvorstellungen und Halluzinationen einhergehen. Ähnlich sieht es nach der Einnahme bestimmter Drogen aus, wie Ecstasy, Kokain, LSD oder Alkohol. Die Diagnose Schizophrenie sollte daher nur gestellt werden, wenn diese Ursachen ausgeschlossen werden können.

Daneben gibt es psychische Störungen, die zwar mit der Schizophrenie verwandt sind, sich aber in einigen Punkten von ihr unterscheiden. Dazu zählen etwa schizoaffektive Störungen. Hier treten neben Schizophrenie-Symptomen deutlich depressive oder manische Stimmungsänderungen auf. Bei der wahnhaften Störung stehen hingegen Wahnvorstellungen im Vordergrund, die nicht von Halluzinationen, Denkstörungen oder Negativsymptomen begleitet sind.

Verlauf und Prognose einer schizophrenen Erkrankung

Die Schizophrenie ist eine der schwersten psychiatrischen Erkrankungen. Zwar gibt es inzwischen Medikamente, mit denen sich die Positivsymptome wirksam bekämpfen lassen. Insgesamt seien durchschlagende Erfolge in den letzten 30 Jahren aber ausgeblieben, meint die Düsseldorfer Psychologin Frauke Schultze-Lutter. So ist die Lebenserwartung der Betroffenen im Schnitt um 15 bis 20 Jahre geringer als bei Gesunden. Mehr als 80 Prozent von ihnen, sind zudem nicht dazu in der Lage, einer geregelten Arbeit nachzugehen. Doch der Verlauf ist von Person zu Person verschieden. Es gibt auch Patienten, die sich nach einer Episode der Erkrankung erholen, ohne je wieder Symptome zu erleben. Bei anderen bleiben Symptome zwar vorhanden, sind aber so gering ausgeprägt, dass die Betroffenen einigermaßen normal leben können. Neueren Studien zufolge fallen etwa 35 Prozent der Erkrankten in diese beiden Gruppen. Weitere 40 Prozent sind dauerhaft auf Hilfe angewiesen.

Die vier Phasen einer Erkankung

Eine Schizophrenie verläuft häufig in verschiedenen Phasen, wobei nicht jede Phase bei allen Betroffenen vorkommt.

  • Prodromal-Phase: Die Störung kann plötzlich ausbrechen. Oft kündigt sie sich aber lange davor an. In der Medizin spricht man auch von der sogenannten Prodromal-Phase. Die Symptome, die sich in dieser Zeit zeigen, sind sehr unterschiedlich: Sozialer Rückzug, Schlafstörungen, Ängste, Konzentrationsstörungen, aber auch undefinierbare Gefühle eines inneren Wandels oder die Entwicklung völlig neuer Interessen. Bei drei Vierteln der Betroffenen finden sich solche frühen Anzeichen. Im Schnitt beginnen sie ein Jahr vor den ersten Psychose-Symptomen, mitunter jedoch auch schon deutlich früher.

  • Akutphase: Die erste psychotische Episode tritt in der Regel im frühen Erwachsenenalter auf, mit 20 bis 30 Jahren. Männer berichten einen im Schnitt drei bis vier Jahre früheren Symptombeginn als Frauen. In der Akutphase beobachtet man oft vor allem die typischen Positivsymptome.

  • Residualphase: Daran schließt sich die Residualphase an, in der die Wahnvorstellungen, Halluzinationen, Sprach- und Denkstörungen abklingen. Stattdessen treten in dieser Zeit oft Negativsymptome wie Antriebsverlust, sozialer Rückzug und Gefühlsverflachung in den Vordergrund. Auch Depressionen können in dieser Zeit auftreten.

  • Chronische Phase: Diese Symptome können nach und nach verschwinden, bis hin zur völligen Genesung. Es kann aber auch zu einem weiteren akuten Schub kommen, oder die Krankheits-Merkmale verfestigen sich, man spricht dann von der chronischen Phase.

Faktoren für eine günstige oder ungünstige Prognose

Zu Beginn einer Schizophrenie ist schwer abzuschätzen, welchen Verlauf sie nehmen wird. Als ungünstig für die Prognose gilt, wenn die Erkrankung früh ausbricht. Auch eine familiäre Häufung psychiatrischer Erkrankungen erhöht die Wahrscheinlichkeit, schwer zu erkranken. Wichtig ist eine frühe Therapie: Je länger es dauert, bis die erste psychotische Episode behandelt wird, desto gravierender kann sich die Störung entwickeln. Rückfälle haben einen ähnlichen Effekt; man versucht daher, sie durch Behandlungsmaßnahmen zu verhindern oder, falls das nicht klappt, schnell zu therapieren. Auch ausgeprägte Negativsymptome und kognitive Defizite gehen meist mit einer schlechten Prognose einher. Sie lassen sich nur schwer behandeln und beeinträchtigen die Patientinnen erheblich.

Expertinnen und Experten empfehlen einen frühzeitigen Therapiebeginn, noch bevor sich das vollständige Bild der Störung etabliert. „Wir sprechen auch von indizierter Prävention“, erklärt die Düsseldorfer Psychologin Frauke Schultze-Lutter. „Eine Psychose entsteht ja meist nicht über Nacht, sondern entwickelt sich schleichend. Die Betroffenen merken das in der Regel – 30 Prozent von ihnen suchen bereits in diesem Stadium Hilfe, etwa wenn sie kleinere kurzzeitige Wahrnehmungsstörungen bei sich bemerken.“ Die Wissenschaftlerin leitet ein Teilprojekt in einem Forschungsvorhaben, das den Fokus auf diese Gruppe von Patienten legt. Ziel ist es, frühzeitig diejenigen zu identifizieren, die dann wirklich eine Psychose bekommen. Außerdem wollen die Wissenschaftlerinnen herausfinden, welche Behandlungsoptionen den Übergang vom Vorstadium zur manifesten Störung verhindern können.

Schizophrenie im Kindesalter

Die meisten Betroffenen erkranken in der späten Jugend oder im frühen Erwachsenenalter an Schizophrenie. Manchmal wird die Störung aber schon zu Beginn der Pubertät oder noch früher diagnostiziert. Im Englischen hat sich dafür der Fachbegriff „Childhood onset schizophrenia“ etabliert, abgekürzt COS. Übersetzt bedeutet das etwa: Schizophrenie, die in der Kindheit einsetzt. Von einer COS spricht man, wenn die Patientinnen maximal 13 Jahre alt sind. Lediglich eines von 10 000 Kindern ist betroffen. Man vermutet sehr ähnliche Krankheitsursachen wie bei der später einsetzenden Form. Warum der Krankheitsbeginn vorverlagert ist, ist nicht bekannt.

Spät-Schizophrenie

In manchen Fällen manifestiert sich eine Schizophrenie dagegen erst im höheren Lebensalter - mit 50 oder 60 Jahren, sehr selten auch danach. Diese Spät-Schizophrenie oder late-onset schizophrenia, kurz LOS, ist noch kaum erforscht. Es gibt jedoch Hinweise darauf, dass sie weniger gravierend verläuft als die Schizophrenie des frühen Erwachsenenalters. Anders als die Schizophrenie in früheren Lebensphasen soll sie zudem Frauen häufiger betreffen.

Langzeitfolgen der Schizophrenie

Wie die Schizophrenie das Leben Betroffener beeinflusst, kann sich individuell stark unterscheiden. Die Störung verläuft zwar oft schwer, dennoch variiert die Prognose. In 70 Prozent der Fälle nimmt die Erkrankung einen episodischen Verlauf: Auf eine akute Phase mit ausgeprägten Symptomen folgt eine Zeitspanne, in der sich die Erkrankung nur wenig bemerkbar macht, bis die Patienten irgendwann wieder einen Rückfall erleiden. Manche haben auch zwischen den Episoden stärkere Symptome. Diese können das Leben der Betroffenen erheblich beeinträchtigen. Bei etwa fünf bis zehn Prozent der Erkrankten gibt es keine abgegrenzten Phasen: Sie leiden dauerhaft unter Wahrnehmungs- und Verhaltensänderungen, die sich oft mit der Zeit verstärken.

Ist die Schizophrenie heilbar?

Je nach Studie heilt die Erkrankung bei acht bis 20 Prozent der Patientinnen aus oder schwächt sich dauerhaft so stark ab, dass sie sich im Alltag nicht mehr bemerkbar macht. Letzteres bezeichnet man als Remission. Daneben gibt es Betroffene, bei denen die Erkrankung einen relativ guten Verlauf nimmt: Sie führen ein weitgehend selbstständiges Leben, zeigen nur wenige Verhaltensauffälligkeiten und es gelingt ihnen, wichtige zwischenmenschliche Beziehungen aufrechtzuerhalten.

Therapie bei Schizophrenie

Die Schizophrenie wird heute meist mit Medikamenten und psychotherapeutischen sowie psychosozialen Verfahren behandelt. Eine frühzeitige Therapie gilt als wichtig, damit die Erkrankung milder verläuft.

Biologisch-somatische Therapie

In diesen Bereich fällt vor allem die Behandlung mit Medikamenten, den Antipsychotika. Die heute zugelassenen Wirkstoffe arbeiten alle nach demselben Prinzip: Sie blockieren einen Rezeptor für Dopamin, ein Molekül, das bestimmte Arten von Nervenzellen für die Weiterleitung von Informationen nutzen. Dadurch scheinen sich vor allem die Positivsymptome, also Wahnvorstellungen, Halluzinationen und wirre Gedanken, reduzieren zu lassen. Die motorischen Störungen, die bei den ersten Antipsychotika als Nebenwirkungen auftraten, sind bei der zweiten Generation dieser Wirkstoffe nicht mehr zu beobachten. Sie können allerdings zu Gewichtszunahme führen und das Risiko für Diabetes erhöhen. Manche Antipsychotika lassen sich in niedriger Dosierung auch zur Behandlung von Negativsymptomen einsetzen; ein Beispiel dafür ist Amisulprid.

Zu den somatischen Verfahren zählen auch die Elektrokonvulsionstherapie (EKT) und die repetitive transkranielle Magnetstimulation (rTMS). Bei der rTMS wird das Gehirn starken magnetischen Impulsen ausgesetzt. Es gibt Hinweise darauf, dass dadurch vor allem akustische Halluzinationen nebenwirkungsarm gemildert werden können. Bei der EKT, die bereits in den 1930er Jahren entwickelt wurde, erfolgt die Behandlung dagegen mit Strompulsen, die über Elektroden am Kopf verabreicht werden. Auch diese Methode ist bei der Therapie der akuten Symptomatik oft zumindest teilweise erfolgreich.

Psychotherapie

Die Behandlungsleitlinien empfehlen zur Behandlung der Schizophrenie immer auch eine Psychotherapie. Dazu zählen einerseits Aufklärungsmaßnahmen: Wie kann ich Stress in meinem Leben verringern? Wäre es gut Sport zu treiben? Welche Verhaltensweisen sollte ich dagegen meiden? Wie sieht es mit Nikotin, Alkohol und dem Konsum von Drogen aus? Diese Psychoedukation bezieht auch die Angehörigen der Betroffenen mit ein.

Auch eine kognitive Verhaltenstherapie wird in den Leitlinien empfohlen. Dabei lernen Patienten beispielsweise, ihre Wahrnehmungsstörungen als solche zu identifizieren: Die Stimme, die ich gerade höre, ist nicht echt. Ziel ist es, Realität von Einbildung besser unterscheiden zu können. Leider bekommen noch zu wenige Betroffene nach Abklingen ihrer akuten Symptome eine Psychotherapie verschrieben.

Soziotherapie

Viele Patientinnen und Patienten mit einer Schizophrenie sind unsicher, ängstlich und ziehen sich zurück. Das beeinträchtigt auch ihre Fähigkeiten, selbstständig ärztliche und therapeutische Leistungen in Anspruch zu nehmen. Dann können Soziotherapien als Brücke dienen: Hier werden Betroffene dabei unterstützt, Psychotherapietermine einzuhalten, verschriebene Medikamente einzunehmen und selbst zu erkennen, wann sie Hilfe brauchen. Zudem werden sie motiviert, Sozialkontakte zu pflegen.

Was tun bei einer Schizophrenie?

Eine Schizophrenie stellt nicht nur für die Betroffenen, sondern auch für die Angehörigen eine enorme Belastung dar. Es ist daher sehr wichtig, rechtzeitig Hilfe zu suchen.

Tipps für Betroffene

Eine Schizophrenie kommt oft nicht aus heiterem Himmel, sondern kündigt sich Monate oder sogar Jahre vorher an. Wer bemerkt, dass sich Denken und Wahrnehmung verändern –sich etwa wie aus dem Nichts aufdringliche Gedanken einschieben, man verstärkt neutrale Informationen auf sich bezieht, sich nicht konzentrieren kann und das Interesse an Hobbies und Freunden verliert – sollte auf jeden Fall eine Ärztin oder einen Psychotherapeuten aufsuchen.

Das gilt besonders während der akuten Phase einer Schizophrenie. Symptome wie Halluzinationen, Wahnvorstellungen, wirre Gedanken, sozial auffälliges oder verstörendes Verhalten wie auch stereotype Bewegungen oder minutenlanges Erstarren können die Betroffenen und ihr Umfeld stark belasten oder gefährden und sollten professionell abgeklärt werden. Oft sind die Betroffenen in dieser Phase nicht mehr in der Lage, selbst Hilfe zu suchen. In diesem Fall sollten das Freunde und Angehörige übernehmen.

Nach Abklingen der Akutphase sollten Betroffene darauf achten, auch psychotherapeutische Hilfsangebote verschrieben zu bekommen. Ein wichtiger Aspekt ist die Aufklärung über die Krankheit: Wie kann ich das Risiko weiterer Episoden reduzieren? Welche Verhaltensweisen sollte ich meiden? Spezielle kognitive Verhaltenstherapien können zudem dabei helfen, mit Symptomen wie Halluzinationen oder Wahnvorstellungen besser umzugehen.

Tipps für Angehörige

Angehörige bemerken in der Regel schnell, wenn sich ein nahestehender Mensch drastisch verändert. Wenn Sie diesen Eindruck haben, sollten Sie sich mit dem sozialpsychiatrischen Dienst Ihres Wohnorts oder einem Arzt oder einer Therapeutin in Verbindung setzen.

Eine schwere psychiatrische Erkrankung ist auch für Freundinnen und Freunde oder Angehörige eine enorme Belastung. Angehörigengruppen und der sozialpsychiatrische Dienst können Tipps für den Umgang mit der Erkrankung und die Bewältigung von Problemen im Alltag geben. Viele Menschen fühlen sich zudem weniger verloren, wenn sie sich umfassend über die Erkrankung informieren, durch psychoedukative Maßnahmen, Bücher oder das Internet.

Weitere Informationen

Informationen zu Selbsthilfegruppen in Deutschland: www.selbsthilfenetz.de/

Suche nach Therapeutinnen und Therapeuten: www.therapie.de/therapeutensuche/

Informationen zum Früherkennungs-Projekt CARE: care-network.eu/

Literatur zum Weiterlesen:

Quellen

ICD-10 Schizophrenie: https://www.dimdi.de/static/de/klassifikationen/icd/icd-10-gm/kode-suche/htmlgm2013/block-f20-f29.htm

S3-Leitlinien zur Behandlung von Schizophrenie: https://register.awmf.org/assets/guidelines/038-009l_S3_Schizophrenie_2019-03.pdf

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