Constantine Sedikides und einige seiner Mitarbeiter treffen sich zum Dinner bei „Ceno“, einem beliebten Lokal in der Nähe ihrer Universität. Es ist eine internationale Truppe, die sich am runden Tisch gegrillten Wolfsbarsch, Schmorbraten und andere Leckereien schmecken lässt: Der Professor für Sozialpsychologie ist gebürtiger Grieche, sein langjähriger Mitarbeiter Tim Wildschut kommt aus den Niederlanden, ebenso wie Joost Leunissen, der erst seit ein paar Monaten dabei ist. Neben ihm sitzen Jacob Juhl aus…
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wie Joost Leunissen, der erst seit ein paar Monaten dabei ist. Neben ihm sitzen Jacob Juhl aus den USA und VerBon Cheung, die aus Hongkong nach England kam. Es wird ein bisschen gefachsimpelt, man tauscht Erfahrungen über das Leben im Ausland aus und diskutiert über Politik.
Für die Journalistin aus Deutschland ist es ein Privileg, dabei zu sein. Nicht nur an diesem Abend, sondern schon den ganzen Tag begleitet sie die Forschergruppe. Wer sich für das Thema Nostalgie interessiert, ist in Southampton am richtigen Ort. Lange, sehr lange Zeit wurde die sentimentale Sehnsucht nach vergangenen Zeiten als lähmende, gar dysfunktionale Emotion angesehen. Seitdem der Schweizer Arzt Johannes Hofer den Begriff im 17. Jahrhundert erstmals verwendete, um die körperlichen und psychischen Leiden von Söldnern zu beschreiben, betrachteten Psychologen Nostalgie als Fluchtreaktion von Menschen, die den Anforderungen des Lebens nicht gewachsen sind und Angst vor der Zukunft haben. Diese Einschätzung gilt heute nicht mehr. Nostalgie wird nunmehr als eine Erfahrung angesehen, die durchaus schmerzliche Anteile hat, aber insgesamt äußerst nützlich ist.
Diese Neubewertung ist zu einem nicht unerheblichen Teil Sedikides und seinem Team zu verdanken. Wer in den Veröffentlichungen der Wissenschaftler blättert, ist verblüfft, wie viele positive Wirkungen sie und andere Forscher identifiziert haben: Nostalgie beeinflusst danach die Stimmung, das Selbstbewusstsein, die Sozialbeziehungen, den Blick aufs Leben, selbst das körperliche Wohlbefinden.
Der nostalgische Professor
Gebäude 44 auf dem Highfield Campus ist eine nüchterne Flachdachkonstruktion aus den 1960er Jahren: außen uniforme Fensterreihen, innen lange Gänge mit zahllosen roten Türen. Das Geografie- und das Psychologieinstitut teilen sich den Bau. Die Nostalgiegruppe residiert in Stockwerk vier. Eine Ecktür direkt am Treppenaufgang, an der „Forschungszentrum für Selbst und Identität“ steht, führt zu vier verbundenen Büros: einem kleinen Zimmer für die Sekretärin, zwei etwas vollgestopft wirkenden Räumen mit mehreren wissenschaftlichen Arbeitsplätzen, einem Einzelbüro für den Chef. Den Gang runter befinden sich weitere Mitarbeiterbüros und die Labors.
Sedikides, ein schwungvoller Mittfünfziger mit vollem Grauschopf und charmantem griechischem Akzent, hat sich eineinhalb Stunden Zeit für ein Interview genommen. Er lächelt viel und ist auf angenehme Art direkt. Im Prinzip, erzählt er, habe alles bei einem Mittagessen begonnen: „Ich saß mit einem befreundeten Kollegen, einem klinischen Psychologen, beim Lunch und sprach von der tiefen Wehmut, die ich empfand, wenn ich an Chapel Hill dachte.“ Nach sechs Jahren an der Universität North Carolina war der Professor 1999 mit seiner Familie in das englische Southampton gezogen. Er vermisste das nette Unistädtchen im Osten der USA, das sonnige Wetter und leckere Essen, Basketball, die dortigen Freunde. Er war nostalgischer als jemals zuvor in seinem Leben. Das sei nicht gesund, warnte der Kollege: „Du bist wahrscheinlich depressiv. Geh mal zu einem Therapeuten.“ Sedikides fühlte sich jedoch nicht krank. Er war zufrieden, schaute erwartungsvoll in die Zukunft, wollte nicht zurück in die USA – und dachte dennoch ein paar Mal die Woche sehnsuchtsvoll zurück. „Das Gefühl war nicht immer angenehm, aber tat mir insgesamt doch gut. Nostalgisch zu sein machte mich stärker, optimistischer, ließ mich die Kontinuität in meinem Leben sehen, verband, was war, mit dem, was kommen würde.“ Er beschloss, das Phänomen zu erkunden, und kümmerte sich um Forschungsgelder.
Ein Jahr lang traf er sich jede Woche mit zwei Mitarbeitern, um zu lesen, was es über Nostalgie gab: ein paar wenige psychologisch orientierte Texte, vor allem soziologische Schriften, Studien von Konsumforschern, mythologische und literarische Texte. Dann baten sie Studenten, nostalgische Ereignisse aus ihrem Leben aufzuschreiben. Tatsächlich drückten diese überwiegend positive Gefühle aus; oft ging es um die Beziehung zu geliebten Menschen. Dies führte zu neuen Fragen. Kann man Menschen gezielt in nostalgische Stimmung versetzen? Und was wäre die Folge? Weitere Studien wurden aufgelegt. „Wir sammelten Daten, zweifelten, machten mehr Experimente. Und ehe wir uns versahen, war es ein ganzes Forschungsgebiet.“ Sedikides lacht: „Es ist regelrecht explodiert. Jetzt habe ich Mühe, mit dem Lesen der Fachliteratur nachzukommen.“
Nostalgie ist in – auch in den sozialen Medien
So glatt, wie es hier klingt, lief es nicht. Von Kollegen hörte der Pionier aufmunternde Worte, aber man habe merken können, sagt er, dass viele es für eine ziemlich schräge Idee hielten, sich mit einem so abseitigen Thema zu befassen. Als die Southamptoner Gruppe 2005 gemeinsam mit amerikanischen Wissenschaftlern das erste empirische Paper bei einem Journal einreichte, wollten die Gutachter die Ergebnisse nicht glauben. „Sie nahmen uns nicht ab, dass Nostalgie wirklich so positive Wirkungen hat. Eine solche Reaktion ist schon überraschend. Aber es ist auch später immer wieder vorgekommen, bis Replikationsstudien von anderen Forschern zu ähnlichen Ergebnissen kamen.“
Tim Wildschut weiß von weiteren Einwänden zu berichten. Der ruhige, besonnen wirkende Forscher, der in einer kleinen Stadt bei Utrecht aufwuchs und an der Universität North Carolina promovierte, hat die Arbeit von Beginn an mit vorangetrieben. Unter Forschern sei Nostalgie ein Thema, das man entweder hasst oder liebt, erzählt der Niederländer bei einem Cappuccino in der Cafeteria. Manche Wissenschaftler bezweifelten, dass es sich wirklich um ein eigenständiges Phänomen handele, und hielten Nostalgie einfach für eine Form positiver Erinnerungen. Den Unterschied darzulegen sei ihnen bislang am überzeugendsten mithilfe von Musik gelungen, meint er: „Wenn man Menschen befragt, warum sie bestimmte Lieder als nostalgisch empfinden, dann sagen sie, es sei die Mischung aus Positivem und Negativem, die das Nostalgische ausmacht.“ Diese Unterscheidung ist nicht trivial: Eine nostalgische Stimmung ist paradoxerweise wohltuender als eine schlicht heitere, auch und gerade weil sie schmerzliche Anteile hat. So lassen sich bei Menschen, die nostalgischer Musik lauschen, positivere Wirkungen beobachten als bei solchen, die ein heiteres Lied hören, wie eine 2013 veröffentlichte Studienreihe anschaulich belegt. „Die Negativität ist wichtig“, betont Wildschut, „um Nostalgie von anderen Phänomenen abzugrenzen. Und sie ist wichtig, weil sie Nostalgie so wirkungsvoll macht.“
Anfangs sei es schon sehr schwer gewesen, resümiert er: „Und ist es zuweilen immer noch. Aber über die Jahre gelang es uns immer besser, Kollegen zu überzeugen, dass Nostalgie existiert und verdient, erforscht zu werden.“ Heute wird auch an Instituten in den USA, den Niederlanden, Australien, China und anderswo geforscht. Es ist laut Wildschut ein sehr kollaboratives Feld mit zahlreichen direkten und indirekten Kooperationen.
Überhaupt liegt Nostalgie im Trend. Wenn sich die Welt schnell verändert, klammern sich die Menschen verstärkt an positive Erlebnisse. Die neuen Medien bieten sich für nostalgische Ausflüge geradezu an. Auf YouTube kann man in alten Fernsehshows schwelgen, bei StayFriends Schulkameraden wiederfinden. Am Throwback Thursday posten Leute auf Twitter, Instagram und Facebook Fotos aus vergangenen Zeiten. „Vielleicht ist das sogar einer der Gründe, warum soziale Medien so erfolgreich sind“, meint Wildschut, „weil sie so eng mit Nostalgie verbunden sind.“
Wehmütige Menschen sind optimistischer
Wildschuts jüngere Kollegin VerBon Cheung lädt den Gast zu einem Rundgang ein. Erster Stopp sind die drei Labors des Forschungszentrums, in denen Studien zu Nostalgie und anderen Themen laufen. Das erste ist mit einer psychophysiologischen Messstation ausgerüstet, an der sich Blutdruck, Hautfeuchtigkeit, Atmung und Herz-Kreislauf-Reaktionen aufzeichnen lassen. Im „Labor für Beziehungsprozesse“ können Versuchsleiter durch einen Einwegspiegel unauffällig beobachten, wie zwei Personen oder kleine Gruppen interagieren. Das dritte schließlich beherbergt 14 Computerstationen, die mit Software für Fragebogenstudien und kognitive Experimente ausgestattet sind.
In diesem wurden auch Teile der genannten Untersuchungsreihe mit nostalgischen Liedern durchgeführt. Cheung hatte die Federführung bei diesem Projekt, an dem auch Wissenschaftler von den Universitäten Surrey, Missouri und Tilburg beteiligt waren. Rund zwei Jahre habe es gedauert, die Studien zusammenzustellen, sagt die lebhafte Forscherin, die mit viel Begeisterung von ihrer Arbeit erzählt. (Sie selbst sei keine sehr nostalgische Person, aber von der Komplexität des Gefühls fasziniert.) Das zentrale Ergebnis: Wenn man Menschen in wehmütige Stimmung versetzt, steigt ihr Optimismus. Die Veröffentlichung hat Aufmerksamkeit erregt. Medien von der New York Times über die Huffington Post bis zu Radio New Zealand berichteten. Dass Nostalgie, ein in die Vergangenheit gerichtetes Erleben, die Zuversicht für kommende Zeiten fördert, ist in der Tat verblüffend. Doch Cheung und ihre Kollegen haben den Mechanismus entschlüsselt, der dies möglich macht: „Nostalgie fördert das Gefühl, mit anderen Menschen verbunden zu sein, was wiederum das Selbstwertgefühl erhöht. Und das kurbelt dann den Optimismus an.“
Cheung und ihre Kollegen wollen auch herausfinden, inwieweit Nostalgie Menschen kreativer, zielorientierter und motivierter macht. Darüber hinaus arbeiten sie an zahlreichen weiteren Vorhaben. Welcher Zusammenhang besteht zwischen Nostalgieneigung und Empathie? Verändert sich das Zusammengehörigkeitsgefühl, wenn Mitglieder einer Gruppe wehmütige Erinnerungen teilen? Welche Folgen hat es, wenn Arbeitnehmer nostalgische Gefühle gegenüber ihrer Firma hegen? Kann man mithilfe von Nostalgie die Vorurteile gegenüber alten Menschen reduzieren? Zudem wollen die Forscher klimatische Aspekte weiter erkunden, zum Beispiel ob Menschen nicht nur bei kaltem Wetter, sondern auch bei Gewitter verstärkt nostalgische Erinnerungen pflegen.
Früher war alles besser? Das hat nichts mit Nostalgie zu tun
Nostalgie ist ein bemerkenswert komplexes Phänomen; das macht sie für Forscher so interessant. Sie beinhaltet emotionale, kognitive, motivationale und physische Aspekte. Sie befällt das Individuum, Paare, Gruppen, gar ganze Nationen. Sie kreist um Vergangenes und setzt es in Bezug zum Heutigen und Kommenden. Sie ist ein weltweites Phänomen, aber mit regionalen und kulturellen Besonderheiten. Möglicherweise eignet sie sich sogar als Werkzeug für ein gelungenes Leben, dessen Gebrauch man Menschen beibringen kann wie Achtsamkeit oder eine dankbare Haltung. In einem Projekt klären Sedikides und sein Team gerade, wie man solche Interventionen am wirkungsvollsten durchführen könnte. Sie untersuchen auch, welche Strategien besonders geeignet sind, um von wehmütigen Erinnerungen zu profitieren.
Eine Idee ist die sogenannte antizipatorische Nostalgie: Dabei begibt sich ein Mensch gezielt in denkwürdige Situationen und baut so ein Erinnerungspolster auf, das ihm in Zukunft nostalgische Momente liefert. Eine andere ist das vergleichsfreie Erinnern. „Es scheint ratsam zu sein“, erklärt Sedikides, „den Vergleich von Vergangenheit und Gegenwart zu meiden. Bei Nostalgie geht es darum, in liebevoller Weise an Zurückliegendes zu denken, nicht die Vergangenheit gegen die Jetztzeit auszuspielen. Der Gedanke ,Früher war alles besser‘, ist Realitätsflucht, nicht Nostalgie.“
Die Erkenntnisse der Forschung nutzt der Professor auch persönlich. Ihm ist bewusst, wodurch Nostalgie typischerweise ausgelöst wird – Momente von Einsamkeit und Langeweile, bestimmte Musik, Düfte oder Speisen – und wie mit wehmütigen Gefühlen am besten umzugehen ist. „Früher bin ich darüber oft einfach hinweggegangen, weil ich mit dem Kopf schon beim nächsten Projekt und der nächsten Aufgabe war. Wenn ich heute in einem Restaurant Fleischbällchen serviert bekomme, die mich an die Kochkünste meiner verstorbenen Mutter erinnern, dann bleibe ich bei diesem Moment. Ich erlebe noch mal, wie sie mir an meinem zwanzigsten Geburtstag dieses Gericht kochte, wie sie lächelte und vor Stolz strotzte. Im ersten Moment macht mich das traurig, aber dann verleiht es meinem Leben ein Gefühl von Herkunft und Sinn.“
Nostalgie setzt enge Bindungen voraus
Dabei gibt es durchaus Grenzen. Zu viel des Guten, räumt Sedikides ein, kann kontraproduktiv sein: „Wer den ganzen Tag mit nostalgischen Gefühlen zu Hause sitzt, sollte in der Tat einen Therapeuten aufsuchen oder sich zumindest mal mit Freunden treffen.“ Drei- oder viermal die Woche ein paar Minuten hält er für eine gesunde Dosis. Zudem ist Nostalgie nicht für jeden geeignet. Zum Beispiel nicht für Menschen, die enge Beziehungen zu anderen meiden. „Nostalgische Erinnerungen sind in der Regel sehr plastisch“, erklärt Wildschut, der hierzu eine Studie geleitet hat. „Es ist fast so, als wäre die Person, an die man denkt, wirklich zugegen. Bindungsscheue Menschen mögen das nicht.“ Folglich sollte man sie auch nicht dazu drängen. Das zumindest legt eine von Jacob Juhl und Kollegen an der Universität von North Dakota durchgeführte Untersuchung nahe. Als die Forscher beziehungsmeidende Probanden in nostalgische Stimmung versetzten, ließ deren Wunsch nach einer Bindung nach beziehungsweise stieg ihre Unzufriedenheit mit einer bestehenden Partnerschaft. Bei neurotischen, also emotional wenig belastbaren Menschen scheint Nostalgie ebenfalls schlecht zu wirken. So hat Juhl, der vor ein paar Monaten seine Dissertation abgeschlossen hat und seitdem in Southampton forscht, in seinen jüngsten Experimenten Hinweise darauf gefunden, dass Neurotiker psychologisch weniger von Nostalgie profitieren als andere Menschen. Noch ist er allerdings dabei, zu entschlüsseln, wie diese Effekte einzuschätzen sind.
Es ist halb neun, und die Forscher samt Gast machen sich auf, das Restaurant zu verlassen. Man steht noch ein paar Minuten vor dem Lokal. Gute Wünsche werden ausgetauscht und Hände geschüttelt. Alle sind in gelöster und fröhlicher Stimmung. Es waren rundum vergnügliche Stunden: ein schönes Restaurant, gelöste Stimmung, gute Gespräche – eines jener Ereignisse, an das man sich viele Jahre später mit Wehmut zurückerinnert.
„Das Leben ist lebenswert!“
In den letzten Jahren haben Forscher von der Universität Southampton und anderswo zahlreiche positive Wirkungen von Nostalgie identifiziert. Hier eine Auswahl ihrer Ergebnisse
Gemütslage: Britische Studenten, die ein nostalgisches Erlebnis aufschrieben, waren danach positiver gestimmt als eine Kontrollgruppe, die neutrale Ereignisse zu Papier gebracht hatte. Nostalgie, so das Resümee der Forscher, wirkt wie ein Vorrat an Hochgefühlen, von dem man in Zeiten von Einsamkeit oder Langeweile zehren kann.
Selbstbewusstsein: Nostalgie kurbelt das Selbstbewusstsein an. So lag bei der erwähnten britischen Studie in der Nostalgiegruppe auch die Selbstachtung tendenziell höher als in der Kontrollgruppe. Warum? Offenbar kann man in wehmütiger Stimmung sich selbst leichter in einem guten Licht sehen. In einem Experiment in den USA dachte eine Gruppe an einen nostalgischen Moment in der Vergangenheit, während die andere über ein positives zukünftiges Geschehen reflektierte. Jene, die sehnsuchtsvoll zurückdachten, hatten besseren Zugang zu positiven Selbstattributen und reagierten auf Kritik weniger defensiv als die Zukunftszugewandten.
Sinnsuche: Wehmütige Gedanken lassen das Leben bedeutungsvoller erscheinen. In einer Untersuchung mit amerikanischen Studenten konnten von Natur aus nostalgische Teilnehmer ihrem Leben mehr Sinn abgewinnen als nüchterne Zeitgenossen. Der Effekt tritt auch ein, wenn man nostalgische Gefühle künstlich erzeugt. In einer Onlinestudie lauschten niederländische Probanden ihren Lieblingsliedern; je nostalgischer sie auf einen Song reagierten, desto mehr gab er ihnen das Gefühl, ihr Leben sei lebenswert. Die sinngebende Wirkung hilft insbesondere, mit existenziellen Fragen umzugehen. Wer zu Nostalgie neigt, denkt weniger an den eigenen Tod, und wenn er daran denkt, kommt ihm die Endlichkeit des Lebens weniger sinnlos vor, auch das haben Wissenschaftler gezeigt.
Sozialleben: Nostalgie wirkt sich auf vielfältige Weise positiv auf die Beziehungen zu anderen Menschen aus, wie eine Reihe von Studien belegt. Paare, die gemeinsam in nostalgischen Erinnerungen schwelgten, fühlten sich stärker zusammengehörig als Partner, die über neutrale Ereignisse sprachen. Junge Chinesen in wehmütiger Stimmung zeigten sich spendenbereiter als Altersgenossen in neutraler Gemütslage. Britische Studenten, die an ein nostalgisches Erlebnis mit einer depressiven oder schizophrenen Person dachten, zeigten danach eine insgesamt positivere Einstellung gegenüber psychisch kranken Menschen. Dass Nostalgie Vorurteile und Stigmatisierungen reduziert, bestätigt eine Studie zu übergewichtigen Menschen.
Körperliches Wohlbefinden: Wer in nostalgischen Erinnerungen schwelgt, dem wird wärmer. Studenten von Universitäten in den Niederlanden und China, die eine Weile in einem kalten Raum saßen, schätzten die Temperatur des Raumes höher ein, wenn sie an ein nostalgisches Ereignis dachten. In wehmütiger Stimmung konnten sie ihre Hände zudem länger in kaltes Wasser halten als in neutraler Stimmung. Der Zusammenhang gilt ebenso andersherum: Kälte verlockt zu Nostalgie. Probanden, die in einem auf 20 Grad temperierten Raum saßen, waren nostalgischer als Teilnehmer in 24 und 28 Grad warmen Räumen.