Buddhistische Ansätze in der westlichen Psychotherapie

Die buddhistische Psychologie schlägt sich mehr und mehr in westlichen Therapien nieder. Um welche Therapieformen und Einflüsse handelt es sich dabei?

Die Illustration zeigt einen Mann mit blauer Badehose, der in sauberes Wasser eintaucht, mit dem Kopf zuerst
Unter William James tauchte die westliche Psychotherapie zu ersten mal in die Lehren des Buddhismus ein. © Christina Baeriswyl für Psychologie Heute

Der amerikanische Psychologe und Philosoph William James (1842–1910) gilt als einer der Pioniere der Religionspsychologie. Er erkannte schon früh die psychologische Dimension der buddhistischen Lehre. „Dies ist die Psychologie, die in 25 Jahren jedermann studieren wird“, sagte er in einer Vorlesung.

Ende der sechziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts drang die buddhistische Lehre in das Bewusstsein der westlichen Psychologie vor. Wichtige psychoanalytische Denkerinnen und Denker wie Erich Fromm und Karen…

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der westlichen Psychologie vor. Wichtige psychoanalytische Denkerinnen und Denker wie Erich Fromm und Karen Horney waren vom Buddhismus fasziniert.

In den 80er und 90er Jahren öffneten sich Psychotherapieverfahren wie die Verhaltenstherapie für die buddhistische Geistesschulung. Es wurde deutlich, dass rein kognitive Interventionen nicht zum Erfolg führen. Die Einsicht, dass ein bestimmtes Verhalten destruktiv ist, führt noch lange nicht zur Veränderung. Die seit diesen Jahrzehnten sehr präsente „dritte Welle der Verhaltenstherapie“ setzt verstärkt auf Akzeptanz und integriert ausgewählte Methoden des Buddhismus in die Therapie, vor allem die Achtsamkeitsmeditation. Zur dritten Welle gehören sowohl achtsamkeitsintegrierende als auch achtsamkeitsbasierte Methoden.

MBSR und die mindfulness-based cognitive therapy (MBCT) machen die Achtsamkeitspraxis zum zentralen Element der Behandlung. MBCT ist ein 8-wöchiges achtsamkeitsbasiertes und kognitives Trainingsprogramm für Menschen mit Depressionserfahrungen. Sitzmeditation, achtsame Bewegung, Gehmeditation und Übungen zur Körperwahrnehmung gehören zum Programm. MBCT wird in der S3-Leitlinie für die wissenschaftlich fundierte Therapie bei Depressionen als Rückfallprävention empfohlen und ist auch für den Umgang mit Stress, Schmerzen und Ängsten hilfreich.

Die dialektisch-behaviorale Therapie (DBT), die Akzeptanz- und Commitmenttherapie (ACT) und die compas­sion-focused therapy (CFT) integrieren Elemente der Achtsamkeitspraxis und Qualitäten wie Freundlichkeit und Mitgefühl in einen größeren therapeutischen Rahmen. ACT-Therapeuten ermuntern ihre Patienten, anders als gewohnt mit Gedanken umzugehen. Sie können die Gedanken beispielsweise als Opernarie, Schlager oder Popsong singen oder Gedanken in Reimform bringen, sie rückwärts buchstabieren oder die Syntax verändern.

Die von der amerikanischen Psychologin Marsha M. Linehan in den 1980er Jahren ursprünglich für die Behandlung von Borderlinepatientinnen entwickelte dialektisch-behaviorale Therapie basiert auf der kognitiven Verhaltenstherapie und integriert Achtsamkeitsmeditation, Strategien zu Stressmanagement und Selbstmitgefühlsübungen.

Dabei spielen Grundprinzipien der buddhistischen Psychologie eine ganz zentrale Rolle:

Akzeptanz: alles annehmen, was auftaucht, und nicht dagegen ankämpfen

Distanz: Abstand gewinnen zu Gedanken, Gefühlen und Körperempfindungen

Befreiung: starre Selbstkonzepte und Fixierungen auflösen

Beharrlichkeit: stetig üben und dranbleiben.

Besonders der Übungscharakter wird betont. Bei allen Verfahren vermitteln die Therapeuten sogenannte Skills: Fähigkeiten und Strategien, die den Patientinnen und Patienten in Momenten der Anspannung helfen. Diese werden nur wirksam, wenn die Patienten sie regelmäßig praktizieren, bis sie sie verinnerlicht haben und in schwierigen Situationen spontan abrufen können.

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Dieser Artikel befindet sich in der Ausgabe: Psychologie Heute 9/2023: Hast du ein Problem und willst es nicht haben, dann hast du schon zwei