„Double Bind gibt es auch in Unternehmen.“

Unmögliche Anforderungen stellen und Konsequenzen androhen: Wie Chefs sogenannte "Double Binds" verwenden, um sich vor Verantwortung zu immunisieren

Die Illustration zeigt den Wirtschaftswissenschaftler, Christian Julmi, der sagt, dass es Double Bind auch in Unternehmen gibt
Christian Julmi ist Wirtschaftswissenschaftler und Privatdozent an der FernUniversität in Hagen. © Jan Rieckhoff für Psychologie Heute

Es gibt Führungskräfte, die double binds erzeugen, um sich aus der Verantwortung zu stehlen. Das funktioniert gut, schadet aber den Betroffenen. Double Binds sind folglich nicht nur Familiensache, sondern auch in Unternehmen zu finden. Gut erforscht ist etwa das Double-Bind-Dilemma von Frauen in Führungspositionen. Dieses entsteht durch unsere normativen Vorstellungen von Führung: Führungskräfte sollen entscheidungsfreudig, unabhängig und durchsetzungsstark sein. Dumm nur, dass dies Eigenschaften sind, die wir traditionell Männern zuschreiben. Von Frauen erwarten wir aber ein freundliches, fürsorgliches und selbstloses Agieren, also das Gegenteil von unserem Bild des starken Leaders.

Die Folge: Frauen, die den weiblichen Klischees entsprechen, wird ihre Führungskompetenz abgesprochen, während Frauen, die ihnen nicht entsprechen, als wenig authentisch – also zickig, kratzbürstig, unsympathisch – gelten. Egal was die Frau macht, sie bleibt auf ihrem Weg nach oben auf dem Boden der Tatsachen kleben.

„Geht nicht gibt’s nicht!“

Führungskräfte können auch selbst zu Tätern werden und Double Binds erzeugen. So geschehen in dem VW-Ab­gasskandal. Das Management drängte Ingenieurinnen und Ingenieure, einen Dieselmotor zu entwickeln, der schnell, billig und grün sein sollte – offenkundig ein Ding der Unmöglichkeit. Wer insistierte, bekam zu hören: „Dann finden wir jemand anderen!“ Und wer die Paradoxie ansprach, dem wurde geantwortet: „Geht nicht gibt’s nicht!“ Was machen also Ingenieurinnen, die ihren Job behalten wollen? Sie bauen einen Motor, der schnell und billig ist – und bei den Abgaswerten „beschönigt“.

Hier zeigt sich, weshalb die Erzeugung von Double Binds so attraktiv ist: Sie immunisieren vor Verantwortung. Nach Bekanntwerden des Skandals hat das Management versucht, das Problem auf das Fehlverhalten einzelner Ingenieure abzuwälzen. Klar: Man hatte diese ja nicht direkt angewiesen, die Betrugssoftware zu installieren. Glücklicherweise ist die Rechnung bei VW nicht aufgegangen und das Management wurde in Mithaftung genommen. Gleichwohl mag man sich die Dunkelziffer erfolgreicher Fälle nicht vorstellen, von denen wir nie etwas hören werden.

Paratoxische Führung führt zum Burnout

Der Fachbegriff für solche Praktiken lautet paratoxische Führung, also Führung, die zugleich paradox und toxisch ist. Das ist ganz leicht, das kann jeder. Schon die Aufforderung „Erledigen Sie die Aufgabe schnell und perfekt!“ bringt Sie in die schöne Lage, entweder die Bearbeitungszeit oder das Ergebnis bemängeln zu können. Schuld sind immer die anderen, und wenn Sie das immer wieder gut erklären, dann glauben die das irgendwann auch.

Oder: „Maximieren Sie die Kundenzufriedenheit!“ Oder oder oder… Man könnte einen Katalog verfassen, wenn es für Betroffene nicht so fatal wäre. Paratoxische Führung fördert neben Hilflosigkeit Burnout, Angstzustände und Depressionen. Ebenso vermindert sie die Leistungsfähigkeit, weshalb paratoxische Führungspraktiken auch schlecht für Unternehmen sind. Es wäre also im Sinne aller (außer der Täter und Täterinnen), diese in den Blick zu nehmen und sich Kommunikation in Unternehmen genauer anzusehen. Bislang scheitert es meist schon am Erkennen des Problems.

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