Wie sich zynische Menschen selbst schaden

Psychologie nach Zahlen: Eine zynische Grundhaltung sabotiert das seelische und körperliche Wohlbefinden – und kann auf mindestens fünf Arten schaden.

Die Illustration zeigt einen Mann mit Brille, der Pfeil und Bogen in der Hand hält mit dem Pfeil gegen sich selbst gerichtet
Wer zynisch ist, läuft nicht nur Gefahr sich selbst sozial auszuschließen, sondern auch sich körperlich zu schaden. © Till Hafenbrak

Früher besaß der Zynismus eine deutlich positivere Bedeutung als heute. Er entsprang der antiken griechischen Philosophie, der zufolge der Mensch weitgehend frei von materiellen Bedürf­nissen leben sollte. Die antiken Zyniker und Zynikerinnen wählten bescheidene Lebensverhältnisse und hinterfragten ihr Leben und ihre Umwelt auf eine möglichst unvoreingenommene Weise.

Dagegen gilt heute oft als zynisch, wer seinem Umfeld ablehnend und spöttisch begegnet. In der Psychologie wird Zynismus als eine Form der Feindseligkeit eingestuft: Er gilt – im Unterschied zu „emotionaler Feindseligkeit“ und „feindseligem Verhalten“ wie Gewaltausbrüchen – als eine „kognitive Feindseligkeit“, als ein Denkmuster, das darauf zielt, andere herabzuwürdigen.

Doch der Zynismus prägt nicht nur die Gedanken. Als eine Grundhaltung sabotiert er auch das seelische und körperliche Wohlbefinden – und kann auf mindestens fünf Arten schaden, wie Forschende wiederholt dokumentierten.

1. Isolation

Zynische Personen pflegen deutlich seltener enge und innige Beziehungen – denn der Zynismus erschwert die Nähe zu anderen Menschen. Zyniker und Zynikerinnen sind generell sehr misstrauisch. Selbst in Freundschaften oder der Partnerschaft: Immerzu hinterfragen sie die Motive ihrer Mitmenschen. Das hat offenbar psychische Folgen: Amerikanische Forschende haben dokumentiert, dass eine zynische Lebenshaltung das Einfühlungsvermögen schmälern kann.

Da aber Empathie eine zentrale Voraussetzung ist, um enge Bindungen einzugehen, beraubt Zynismus den Menschen einer essenziellen sozialen Fähigkeit. Da verwundert es nicht, dass der Empathieverlust bewusste und unbewusste rassistische Vorurteile fördert, wie das Forschungsteam ebenfalls ermittelte. So isoliert sich eine zynische Person immer stärker von ihrer Umwelt.

Die Folge? Vereinsamung, die das Leben verkürzt. Studien belegen, dass Einsamkeit die Lebenserwartung deutlich reduzieren kann – sogar noch stärker als Übergewicht und Rauchen.

2. Depression

Eine zynische Haltung zum Leben schützt nicht vor Traurigkeit und Schmerz – im Gegenteil. Die zynische Denkweise untergräbt sowohl die Motivation als auch das Sinnempfinden im Leben. Der zynische Mensch ist mitunter nicht mehr in der Lage, sich mit seinem Alltag und seiner Arbeit zu identifizieren, was zu ernsthaften psychischen Störungen führen kann.

Zynische Personen leiden häufiger an Symptomen einer Depression als Personen mit einem eher positiven Weltbild. Eine Studie kam zu dem Ergebnis, dass Zynismus in jüngeren Bevölkerungsgruppen mit einem erhöhten Risiko für Suizid einhergeht.

3. Entzündungen

Bereits vor über einem Jahrzehnt wurde ein Zusammenhang zwischen vermehrten Entzündungen und einem Hang zum Zynismus nachgewiesen. Heute weiß man: Die zynische Grundhaltung bringt das Immunsystem aus der Balance – egal wie jung oder alt die betreffende Person ist.

Auch Geschlecht, sozioökonomischer Hintergrund und sogar das Gewicht sind in diesem Fall nicht ausschlaggebend: Der Zynismus scheint generell mit einer höheren Produktion von mindestens drei entzündungsfördernden Botenstoffen des Immunsystems einherzugehen. Entzündungen sind zwar überlebenswichtige Prozesse des Immunsystems. Bei einer zynisch eingestellten Person können sie allerdings chronisch und dadurch zu einem anhaltenden Risikofaktor werden.

4. Herzerkrankungen

Zynismus ist schlecht für das Herz. Unter anderem auch deshalb, weil die Entzündungsprozesse im Körper, die sich bei zynischen Menschen häufen, zur Arteriosklerose beitragen. Dies bringt Herz und Gefäße in Gefahr.

In einer aktuellen Studie aus den USA werteten Forschende die Lebenseinstellung und kardiovaskuläre Gesundheit von knapp 200 Personen über fünf Jahre hinweg aus. So fanden sie heraus, dass eine zynische Grundhaltung verhängnisvoller für die Herzgesundheit war als etwa durch Gewalt ausgelebtes aggressives Verhalten. Zynismus sei eine Dauerbelastung für das Herz, so das Fazit des Teams: Feindseligkeit signalisiert dem Körper einen drohenden Konflikt. Der Organismus befindet sich bei diesen Menschen öfter in einer Kampf-oder-Flucht-Situation – und das fordert seinen Tribut. Das Herz hat nicht genug Zeit, sich von diesem ständigen Stress zu erholen, und wird auf die Dauer geschädigt.

Eine Studie mit mehr als 97000 amerikanischen Teilnehmerinnen der Women’s Health Initiative lässt den Verdacht aufkommen, dass Zynismus nicht nur mit einem höheren Risiko von Herzerkrankungen, sondern auch anderen Krankheiten einhergehen könnte, beispielsweise Krebs.

5. Demenz

Zyniker und Zynikerinnen mit kardiovaskulären Erkrankungen sind einem höheren Risiko von Demenz ausgesetzt. Das legt eine schwedische Studie nahe, die die gesundheitliche und geistige Verfassung von mehr als 1000 Versuchspersonen über 23 Jahre hinweg verfolgte.

Amerikanische Forschende machen wiederum auf den Zusammenhang zwi­schen sozialer Isolation und Demenz aufmerksam – da zynische Menschen durch ihr ablehnendes Verhalten für gewöhnlich nur wenige soziale Kontakte pflegen, erhöht ihre zynische Grundhaltung auch indirekt das Risiko einer Demenzerkrankung.

Die regelmäßige Interaktion mit anderen Menschen wirkt grundsätzlich stimulierend auf das Gehirn: Kognitive Fähigkeiten – sei es die Sprachfunktion oder das Argumentieren – werden eingesetzt, erprobt und gefördert. Zynische Menschen jedoch kommen seltener in den Genuss eines solchen geistigen Austausches, was gerade bei Älteren den geistigen Verfall beschleunigen kann.

Nicht immer ist eine zynische Denkweise Folge einer feindseligen Grundeinstellung. Sie kann auch eine Reaktion auf Übermüdung und Erschöpfung sein – und gilt unter anderem als Symptom eines Burnouts. Grundsätzlich gilt: Wer Zynismus bei sich selbst beobachtet, sollte diesem nachgehen. Es lohnt sich, seine Ursache einzukreisen und an ihm zu arbeiten – zugunsten des körperlichen und geistigen Wohlergehen.

Quellen

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Dafna Sofrin Frumer u.a.: Cynicism – A Commonly Used Concept with Relevance to Mental Health. Israel Journal of Psychiatry, 56/33, 2019, 3-10

Margit Kriegbaum u.a.: The joint effect of unemployment and cynical hostility on all-cause mortality: results from a prospective cohort study, BMC Public Health, volume 19, 2019, Article number: 293. https://doi.org/10.1186/s12889-019-6622-7

Renzo Bianchi, Irvin Sam Schonfeld, Jay Verkuilen: A fivesample confirmatory factor analytic study of burnoutdepression overlap. Journal of Clinical Psychology, 76(4), 2020, 801-821. https://doi.org/10.1002/jclp.22927

Jonathan Niconchuk, Steve Alan Hyman: Physician Burnout. Current Anesthesiology Reports, 10, 2020, 227–232. https://doi.org/10.1007/s40140-020-00401-w

Kathleen Bokenberger u.a.: The Type A Behavior Pattern and Cardiovascular Disease as Predictors of Dementia, Health Psychology, 33/12, 2014, 1593–1601

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Dieser Artikel befindet sich in der Ausgabe: Psychologie Heute 5/2021: Frauen und ihre Väter
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