Wie Geld doch glücklich macht

Flat-TV oder Fernreise? Wer etwas kauft, glaubt zu wissen, was ihn glücklich macht. Wie wir maximal zufrieden werden, haben Psychologen erforscht.

Eine junge Frau mit dunklem Lockenkopf und Sonnenbrille sitzt lachend mit einem Drink in der Hand an einer Strandbar
Macht es uns glücklich Geld für Reisen auszugeben? © Vladimir Vladimirov/Getty Images

Was kann, was soll ich mit meinem Geld tun? Diese Frage stellen sich Menschen nicht erst seit der Finanzkrise. Die Antwort scheint einfach: Geld lässt sich vermehren oder ausgeben. Bei der ersten Option ist klar, dass jeder, der nicht gerade selbst Anlageberater ist, sich Unterstützung von Fachleuten holen sollte.

Seltsamerweise glauben die meisten Menschen jedoch genau zu wissen, wie sie ihr Geld ausgeben müssen, um sich selbst glücklich zu machen. Rat suchen sie nur selten. Und wer sollte auch Experte fürs…

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sie nur selten. Und wer sollte auch Experte fürs richtige Ausgeben sein? So folgen viele ihren Eingebungen und kaufen Fernseher, Autos und Eigenheime. Von all diesen Dingen erhoffen sie sich einen Zuwachs an Zufriedenheit.

Na und, könnte man sagen, wo ist das Problem? Das Problem ist: Konsumenten, die beim Geldausgeben ihrem Bauchgefühl vertrauen, liegen oft falsch, manchmal ein bisschen, manchmal völlig. Das hat die Glücksforschung des vergangenen Jahrzehnts gezeigt. Fernseher, Autos und Eigenheime machen langfristig kaum glücklich.

Aber es gibt gute Nachrichten. Mittlerweile haben Psychologen herausgefunden, nach welchen Regeln wir unser Geld ausgeben sollten, wenn wir unser Lebensglück steigern wollen. Was also ist zu beachten, wenn man möglichst viel Zufriedenheit für jeden ausgegebenen Euro erhalten möchte? Die einschlägige Forschung lässt sich in fünf Prinzipien zusammenfassen:

Prinzip 1: Erfahrungen sind besser als Dinge

Das Glück steckt eher nicht in den Dingen. Materielle Güter haben sich als verhältnismäßig schlechte Zufriedenheitslieferanten erwiesen. Besser schneiden immaterielle Güter ab, zum Beispiel positive Erfahrungen. Psychologisch gesehen ist es äußerst lohnend, von Zeit zu Zeit in einem außergewöhnlich guten Restaurant zu essen – obwohl davon am Ende nichts außer Erinnerungen bleiben. Es kommt nicht so sehr darauf an, wie viel Geld Sie in Erlebnisse investieren, weder eine Untergrenze noch eine Obergrenze lässt sich festlegen. Schon für zwei Euro können wir eine Erfahrung kaufen, die uns zufrieden macht. Aber auch wenn wir 200 000 Euro dafür ausgeben, werden wir eine Investition in ein tolles Erlebnis kaum bereuen.

Wie halten Sie es mit Erfahrungen? Versuchen Sie, sich daran zu erinnern, wie Sie sich etwas gegönnt haben, um sich gut zu fühlen. Und dann denken Sie daran, wie Sie etwas Materielles erworben haben, ein Schmuckstück, Kleidung oder eine Technikspielerei. Vergleichen Sie das mit einer Investition, die Ihnen eine besondere Erfahrung vermittelt hat: eine Reise, ein Konzert oder der Besuch in einem guten Restaurant. Welche dieser Ausgaben hat Sie glücklicher gemacht?

Die Psychologen Leaf van Boven und Thomas Gilovich stellten diese Frage mehr als 1200 Amerikanern. Und die waren sich weitgehend einig. 57 Prozent sagten, die immaterielle Erfahrung habe sie letztlich zufriedener gemacht. Vom Gegenteil waren nur 34 Prozent der Teilnehmer überzeugt. Andere Studien bringen ähnliche Ergebnisse. Immer wieder zeigt sich: Menschen fühlen sich besser, wenn sie sich an Reisen, Konzerte oder Restaurantbesuche erinnern. Sie finden, das ausgegebene Geld sei „gut angelegt“.

Und das Beste ist: Wer sich für den Kauf immaterieller Güter entscheidet, erhält als kostenlose Dreingabe die Vorfreude. Das bedeutet: Abends in einem feinen Restaurant zu speisen fühlt sich nicht nur besser an, als vor dem Fernseher herumzuliegen. Sie freuen sich wahrscheinlich auch schon Tage zuvor auf diesen besonderen Höhepunkt. Das gilt auch für andere Erfahrungen. So haben Untersuchungen gezeigt, dass sich Menschen schon einige Zeit vor ihrer Abreise in den Urlaub zufriedener fühlen als üblich.

Auch Firmen nutzen diese Erkenntnisse. Das Internetunternehmen Google etwa entlohnt verdiente Mitarbeiter nicht nur mit Bonuszahlungen. Wie Personalchef Laszlo Bock berichtet, können finanzielle Prämien unter den Mitarbeitern eher entzweiend wirken. Vor allem seien sie aber „einfach nicht so sinnstiftend wie Lebenserfahrungen“. Google bietet stattdessen andere, wechselnde Anreize für Mitarbeiter. Beispielsweise organisierte das Unternehmen mit Angestellten aus verschiedenen Abteilungen eine Reise durch Costa Rica.

Es mag paradox erscheinen, aber unter bestimmten Umständen bezahlen Kunden sogar für Erfahrungen, selbst wenn sie unangenehm und schmerzhaft sind. Ein großer Erfolg ist zum Beispiel der Wettbewerb Tough Mudder, zu Deutsch etwa: zäher Matschmann. Für die Ehre, eine kilometerlange Hindernisstrecke durch dick und dünn zu bewältigen, geben Erwachsene gutes Geld aus. Weltweit haben daran schon mehr als eine halbe Million Menschen teilgenommen. Allein in Deutschland sind für das Jahr 2014 fünf solcher Läufe geplant.

Prinzip 2: Weniger ist mehr

Geld ist ein Tauschmittel. Wer das nötige Kleingeld hat, kann sich manches leisten. Und ein Schokoriegel oder ein Coffee to go sind eigentlich fast immer möglich. Das klingt besser, als es ist. Wer alles haben kann oder sich zumindest bewusst ist, dass er alles haben könnte, zahlt einen psychologischen Preis dafür: Er genießt die einzelnen Käufe weniger, weil er sie für selbstverständlich hält.

Die Macht der Gewohnheit verhindert auch, dass wir an kostspieligen Anschaffungen langfristig Vergnügen haben. So haben Jing Xu und Norbert Schwarz von der University of Michigan gezeigt, dass Besitzer teurer Autos im Alltag nicht mehr Freude hinterm Steuer empfinden als andere. Die Wissenschaftler baten Freiwillige unter anderem, das Vergnügen ihrer letzten Fahrt einzuschätzen. Ob die Fahrzeuge 400 Dollar oder 40 000 Dollar wert waren, hatte keinen Einfluss darauf, ob die Erinnerungen daran eher angenehm oder eher unschön waren. Warum? Weil wir auf der Fahrt zum Supermarkt eher daran denken, ob wir diesen achtzigjährigen Langsamfahrer vor uns jemals überholen können oder ob es gleich im Geschäft auch Grillhähnchen gibt – also an wahrscheinlich alles andere als an das Auto, das wir gerade lenken. Sobald wir uns daran gewöhnt haben, verlieren wir selbst die Vorzüge eines BMW Z4 aus unserem Blickfeld.

Glücklicherweise sind Menschen in der Lage, sich ihre Genüsse klug einzuteilen. Wir alle können lernen, das eigentlich Schöne und Gute neu wertzuschätzen. Etwa indem wir uns nicht jeden Morgen auf dem Weg zur Arbeit einen Latte macchiato gönnen, sondern diesen Genuss wieder zu der Besonderheit machen, als den wir ihn irgendwann einmal empfunden haben. An den anderen Tagen reicht auch Filterkaffee.

Mittlerweile haben auch einige Unternehmen den Reiz der seltenen Freuden erkannt. In den USA hat zum Beispiel der Mietwagenanbieter Zipcar Fahrzeuge im Angebot, die für den Alltag zu extravagant sind, für einen Nachmittag aber durchaus den Reiz des Besonderen haben. Und ein Hersteller von Toilettenpapier setzt zu Marketingzwecken auf das Prinzip seltener Annehmlichkeiten. Auf großen Sportveranstaltungen offerierte die amerikanische Firma die kostenlose Nutzung einer Toilette vom Feinsten, ausgestattet mit angenehmer Deckenbeleuchtung, edlem Holzboden und Fernsehen. Die Kunden waren begeistert. Ihr alltägliches Geschäft wurde dort, wo sie überfüllte Horrorklos erwartet hatten, zu einem besonderen Vergnügen.

Prinzip 3: Zeit kaufen, Freiheit kaufen

Eigentlich ermöglicht Geld, sich von besonders unangenehmen Aufgaben freizukaufen (denken Sie an: Putzen, Bügeln, schwere Gartenarbeit). In der gewonnenen Zeit könnte man Sport treiben, Gitarre spielen oder etwas anderes tun, das wirklich Spaß macht. Eine Forschergruppe um den Ökonomie-Nobelpreisträger Daniel Kahneman hat aber gezeigt, dass wohlhabende Menschen paradoxerweise auch nicht mehr glücksförderliche Aktivitäten in ihren Tagen unterbringen als andere. Warum? Sie verwenden mehr Zeit für Arbeit – und nutzen ihr Vermögen nicht, um etwas zu unternehmen, das ihr Wohlbefinden steigert. Zudem verbringt der durchschnittliche Gutverdiener seine Zeit auch sonst mit Tätigkeiten, die Anspannung und Stress mit sich bringen. Solche Aktivitäten sind dem American Time Use Survey zufolge etwa Einkaufen und Pendeln.

Nicht alle Menschen sind wohlhabend, und nicht alle verabscheuen Putzen oder Pendeln. Die Möglichkeiten und Vorlieben jedes Einzelnen unterscheiden sich also. Trotzdem lassen sich drei allgemeine Prinzipien benennen: Die meisten Personen profitieren davon, wenn sie ihr Geld einsetzen, um ihren Arbeitsweg zu verkürzen. Oder wenn sie das Geld, das sie normalerweise für neue Fernseher ausgeben würden, lieber in neue Erfahrungen investieren, und wenn sie sich mehr Zeit mit Freunden und Familie gönnen.

Pendeln: Mit dem Auto zur Arbeit zu fahren gehört für viele Menschen zu den negativen Höhepunkten des Tages. Beispielsweise geben Frauen in den USA und in Frankreich an, sich über 25 Prozent der Fahrzeit in einem unerfreulichen Gemütszustand zu befinden. Wer eine Stunde unterwegs ist, kommt dabei also auf mehr als 15 schlechte Minuten. Wie die Schweizer Ökonomen Alois Stutzer und Bruno Frey gezeigt haben, berichten auch in Deutschland Angestellte, die längere Wege zur Arbeit auf sich nehmen, von einer geringeren Lebenszufriedenheit.

Warum pendeln Menschen überhaupt? Im Wesentlichen aus zwei Gründen: Entweder waren im Grünen, in großer Distanz zum Arbeitsplatz, die Preise für Häuser niedriger, sodass man mehr Haus fürs Geld bekommt. Oder man wohnt schon an einem Ort und ergreift dann die Chance, einen besser bezahlten Job an einem weiter entfernten Ort anzunehmen.

Wer weite Wege pendeln muss, hat allerdings wenig von seinem schönen Haus: Er ist nicht zufriedener mit seiner Wohnsituation als andere. Beim Job sieht es noch ungünstiger aus. Wer Stunden braucht, bis er im Büro ist, ist im Durchschnitt sogar weniger zufrieden mit seiner Arbeit. Aus Glücksperspektive ist es deshalb meist sinnvoll, auf Einkommen zu verzichten und einen Job anzunehmen, der nahe am Wohnort liegt.

Fernsehen: Einer der größten Glücksdiebe ist das Fernsehen. Die durchschnittliche Fernsehzeit ist in vielen Ländern ähnlich hoch wie die Arbeitszeit. Dabei zeigt Studie auf Studie, dass es weniger zufrieden macht, auf dem Sofa zu liegen und sich berieseln zu lassen, als sich einer aktiven Freizeitbeschäftigung zu widmen.

Bruno Frey, Christine Benesch und Alois Stutzer haben anhand einer Stichprobe von mehr als 100 000 Menschen aus 32 europäischen Ländern belegt, dass Menschen, die mehr als 30 Minuten pro Tag fernsehen, weniger zufrieden mit ihrem Leben sind als diejenigen, die in ihrer Freizeit andere Dinge unternehmen. Natürlich gilt auch hier: Vollständige Abstinenz muss nicht sein. Ab und zu eine tolle Sendung anzusehen kann wirklich glücklich machen.

Fernsehen hat allerdings einen Vorteil: Es ist, langfristig gesehen, kostengünstig. Wer das Sofa verlässt, um mit Freunden ein Restaurant zu besuchen oder um an einem Malkurs teilzunehmen, der bezahlt dafür immer wieder neu. Aber – siehe oben – es ist gut angelegtes Geld.

Socializing: Glücksforscher sind sich weitgehend einig, dass soziale Beziehungen der wichtigste Faktor für das menschliche Wohlergehen sind. Auf den ersten Blick scheinen die positiven Emotionen, die Sie zusammen mit Freunden und Familie erleben, kostenlos zu sein. Und wir alle wissen, dass Geld keine Freunde kauft. Doch stimmt das tatsächlich? Bitte rechnen Sie einmal zusammen, was Sie in den vergangenen sechs Monaten in das Zusammensein mit Freunden und Familie investiert haben: Denken Sie an den Babysitter, den Sie benötigt haben, um einen schönen Abend mit Ihrem Partner zu verbringen, erinnern Sie sich an die teuren Zug- und Flugreisen zu Freunden und Verwandten. Selbst mit den Kollegen nach einem langen Arbeitstag noch auf ein Bier in die Kneipe zu gehen kostet mehr, als das Bier allein vor dem Fernseher zu trinken. Es lohnt sich dennoch, Geld dafür auszugeben, möglichst viel Zeit mit anderen Menschen zu verbringen.

Selbst große Unternehmen haben den Wert der Freizeit erkannt. Heute sind Sabbaticals nicht mehr nur Universitätsprofessoren vorbehalten. So bieten der Halbleiterhersteller Intel und der Outdoorbekleidungshersteller Patagonia ihren Angestellten an, längere Zeit fern vom Büro zu verbringen. Bei Patagonia etwa dürfen sich die Mitarbeiter zwei Monate bei voller Bezahlung freistellen lassen, sofern sie sich in dieser Zeit dem Umweltschutz widmen.

Prinzip 4: Sofort bezahlen, später konsumieren

Nichts überzeugt uns mehr als die Gegenwart. Was wir sofort haben können, wollen wir in der Regel nicht erst irgendwann. Wer wartet heute noch darauf, sich seine Wünsche zu erfüllen? Bei einer Shoppingtour können Sie alles mitnehmen, was Ihnen gefällt, zumindest wenn Sie eine Kreditkarte dabeihaben. Die Rechnung kommt später. Über Geräte wie das iPad können Sie Romane, Spiele, Filme und Musik innerhalb von Sekundenbruchteilen erwerben. Zwischen Wunsch und Wunscherfüllung liegen nur noch wenige Klicks. Das ist zwar praktisch, aber das Sofort-haben-später-bezahlen-Prinzip trägt nicht zur Zufriedenheit bei. Die Nachteile liegen auf der Hand: Sie laufen Gefahr, mehr auszugeben, als Sie sich eigentlich leisten können. Und Sie zögern den grundsätzlich unangenehmen Vorgang des Bezahlens hinaus.

Sie erhalten mehr Glück für weniger Geld, wenn Sie dieses Prinzip umdrehen, also erst bezahlen und später genießen. Wer seine Rechnungen sofort begleicht, geht ein geringeres Risiko ein, sich zu verschulden. Wie wir zuvor gesehen haben, besteht zwischen der Höhe des Einkommens und dem Wohlbefinden nur ein schwacher Zusammenhang. Ganz anders sieht das aus, wenn Sie auf Ihrem Kontoauszug eine Zahl sehen, der ein Minuszeichen vorangeht. Defizit und Unglück sind eng miteinander verbunden. Mit anderen Worten: Am Schuldenstand eines Menschen lässt sich das Wohlbefinden verhältnismäßig gut vorhersagen.

In den USA berichtet jeder Zweite, besorgt über seine Schulden zu sein. Amerikanische Haushalte haben mehr als 6000 Dollar Schulden auf ihren Kreditkarten angehäuft; jeder US-Bürger ist mit mehr als 2500 Dollar im Soll. Damit sind weitere Probleme verbunden. Wie der Familienforscher Jeffrey Dew ermittelt hat, tragen Eheleute, die mit ihren Zahlungen weit im Rückstand liegen, auch in vielen anderen Lebensbereichen Konflikte miteinander aus.

Darüber hinaus ist der Vorgang des Bezahlens fast immer unangenehm, für manche geradezu schmerzhaft. Deshalb ist es besser, dieses Erlebnis möglichst frühzeitig hinter sich zu bringen. So können Sie zum Beispiel die angenehme Erfahrung einer Reise vom lästigen Bezahlen entkoppeln. Während des Urlaubs müssen Sie dann kaum noch über Geld nachdenken. All-inclusive-Kreuzfahrten treiben dieses Prinzip auf die Spitze – dort ist jede Kleinigkeit bereits bezahlt, bevor das Schiff den Hafen verlässt.

Natürlich wissen wir, dass nicht jeder Einkauf warten kann. Wir brauchen schon heute etwas zu essen. Wann also ist es sinnvoll, sofort zu zahlen und später zu konsumieren?

  • Wenn die Verzögerung Ihnen Zeit gibt, sich verlockende Details Ihres Kaufs vor dem inneren Auge auszumalen.

  • Wenn es sich um etwas Besonderes handelt, das Ihnen tatsächlich oder im übertragenen Sinne das Wasser im Mund zusammenlaufen lässt. Dagegen sollten Sie neutrale Ausgaben wie einen Ölwechsel am Auto nicht hinauszögern.

  • Wenn Sie ein flüchtiges Gut, ein Erlebnis erwerben: Früh zu bezahlen verlängert die Vorfreude und ermöglicht Ihnen, den Kauf schon im Voraus wertzuschätzen.

Prinzip 5: In andere investieren

Wer sein Geld mit anderen teilt, erhält mehr Glück für einen ausgegebenen Euro. Selbst geringe Aufwendungen machen dabei einen Unterschied auf dem individuellen Glückskonto. Dabei scheint dieser Befund universell zu gelten. Eine großangelegte Untersuchung, an der auch wir beteiligt waren, hat gezeigt, dass dieser Zusammenhang gleichermaßen in reichen wie armen Ländern besteht, von Kanada bis Uganda, von Indien bis Südafrika.

Offenbar hat Freigiebigkeit auch eine positive Wirkung auf die Gesundheit. Der Evolutionspsychologe William Michael Brown hat mit einer Untersuchung an mehr als 1000 Senioren belegt: Wer andere finanziell oder anderweitig unterstützte, war insgesamt weniger krank. Zwar profitierten Menschen, die noch weitgehend fit waren, am stärksten. Doch auch diejenigen, die bereits ihre Tätigkeiten einschränken mussten, waren gesünder, wenn sie anderen halfen.

Wissenschaftler haben gezeigt, dass prosoziales Verhalten dem Gebenden grundsätzlich zugute kommt (siehe auch Interview mit Adam Grant in Heft 11/2013). Doch für Ihre Glücksgefühle ist darüber hinaus bedeutsam, wem Sie etwas Gutes tun. Wichtig ist, dass der Empfänger Ihnen etwas bedeutet. Wer Geld für ihm nahestehende Personen– etwa den Partner, gute Freunde oder nahe Angehörige – ausgibt, fühlt sich danach meist zufriedener, als wenn er Freunde von Freunden oder den Stiefonkel beschenkt.

Sehr wahrscheinlich erhalten Sie den größten Glückszuwachs für Ihren Euro, wenn Sie damit die Verbindung zu jemandem stärken, den Sie gernhaben. Allerdings ist es möglich, ein Gefühl der Nähe auch zu Fremden aufzubauen. Wer für wohltätige Zwecke spendet, fühlt sich besser, wenn er einen emotionalen Bezug zum Empfänger herstellen kann, ihn wenigstens von einem Foto „kennt“ oder Briefkontakt hat.

Diesen Wohlfühlfaktor nutzen auch Firmen. Sie ermutigen Spender, Kunden oder Mitarbeiter, Geld für andere auszugeben. Beispielsweise belohnte eine amerikanische Möbelhauskette ihre Kunden mit Geschenkgutscheinen. Mit diesen konnten die Käufer über die Website einer gemeinnützigen Organisation direkt Schulen mit Lehrmaterialien unterstützen. Dieses Vorgehen stellte nicht nur eine emotionale Nähe zwischen dem Spender und dem Empfänger her, es nützte auch dem Unternehmen. Denn Menschen, die zum „Wohltäter“ wurden, kamen infolgedessen häufiger als Kunden zurück.

Epilog

Versuchen Sie, möglichst viele dieser fünf Prinzipien in Ihren Alltag zu integrieren. Oft lassen sich sogar mehrere davon mit einem einzigen Kauf abdecken. Das Ziel ist, so viel Zufriedenheit wie möglich aus jedem Fünf-Euro-Schein herauszuwringen.

Das beginnt bereits im Kleinen, bei eher unscheinbaren Dingen. Wie wäre es beispielsweise mit einem Gutschein für einen Cafébesuch: Er wirft das meiste Glück ab, wenn Sie damit jemanden auf eine Tasse einladen und ihn begleiten. So haben Sie nicht nur etwas für andere getan (Prinzip 5), sondern auch ein kleines Erlebnis gekauft (Prinzip 1). Zudem haben Sie Ihre Zeit auf eine positivere Weise gestaltet, eine Alltagsroutine durchbrochen (Prinzip 3). Sie könnten sogar noch weitere Prinzipien anwenden, wenn Sie den Gutschein schon zu Beginn der Woche bezahlen (Prinzip 4), aber von Montag bis Donnerstag Filterkaffee trinken und sich erst am Freitag einen besonderen Genuss genehmigen, vielleicht einen Frappuccino (Prinzip 2).

Geld auszugeben kann durchaus glücklich machen. Die Forschungsergebnisse, die wir vorgestellt haben, erklären auch, warum großer Wohlstand oft nicht das Maß an Wohlbefinden mit sich bringt, das man erwarten würde. Beispielsweise vermuten Amerikaner, ihre Lebenszufriedenheit würde sich verdoppeln, wenn ihr Gehalt von 25 000 auf 55 000 Dollar stiege. Dabei zeigen die Daten, dass der Glückszuwachs in der Realität sehr viel geringer ist. Oberhalb eines Grenzwerts von 75 000 Dollar ist überhaupt kein Glückszuwachs mehr zu verzeichnen.

Was ist der Grund für dieses Missverhältnis? Tatsächlich geben Menschen ihr Geld aus – aber sie geben es eben nicht so aus, dass es sie wirklich glücklich macht. Es lohnt sich also, vor dem Geldausgeben ein wenig nachzudenken und die Fantasie einzuschalten.

Elizabeth Dunn ist Professorin an der University of British Columbia, Kanada. Michael Norton lehrt als Professor an der Harvard Business School in Cambridge in den USA.

Die verlorene Zeit

Sich mehr Zeit zu kaufen – das klingt einfach, ist es aber nicht. Ein Teil des Problems entspringt einem wichtigen Unterschied zwischen Zeit und Geld. Wenn Sie jetzt, in dieser Woche, wenig Geld zur Verfügung haben, können Sie ungefähr hochrechnen, wie es nächste Woche oder nächsten Monat aussehen wird.

Wenn Sie dagegen heute unter Zeitmangel leiden, sind Sie sich meist sicher, dass es bald besser wird. Natürlich, diese Woche ist der Dienstag wirklich sehr voll. Sie haben einen Zahnarzttermin, haben 50 ungelesene E-Mails im Postfach, und beim Job endet bald eine wichtige Abgabefrist. Nicht zu vergessen das Geburtstagsgeschenk, dass, Sie irgendwann auch noch kaufen müssen, und das entscheidende Fußballspiel, das am Abend im Fernsehen übertragen wird und das Sie auf keinen Fall verpassen dürfen.

Aber alle anderen Dienstage in der Zukunft scheinen noch weitgehend frei von Verpflichtungen und Plänen zu sein. Und weil das heute so aussieht, geben Sie wahrscheinlich kein Geld dafür aus, um morgen mehr Zeit zu haben. Schließlich scheint ihre Zeit kostenlos verfügbar zu sein. Das Seltsame daran ist: Je näher Dienstage (und alle anderen Tage) rücken, desto vollgestopfter werden sie.

Ein Tipp: Denken Sie beim nächsten Einkauf auch daran, wie diese Investition Ihren nächsten Dienstag beeinflussen wird. Werden Sie Ihre Zeit anders verbringen? Diese einfache Überlegung hilft oft, verzerrte Vorhersagen zu vermeiden. Denn wenn wir einen neuen Fernseher kaufen, stellen wir uns eher vor, wie wir mit all unseren Freunden gebannt das entscheidende Match auf dem neuen Gerät verfolgen. Doch wie realistisch ist diese Idee? Der Gedanke an den kommenden, ganz konkreten Dienstag verrät es.

Der Fünf-Dollar-Umschlag

Vancouver, Kanada an einem schönen Sommermorgen. Mit einem Karton voller Umschläge nähert sich unsere Studentin Lara Aknin (mittlerweile ist sie selbst Professorin) Passanten. Sie hat eine ausgefallene Bitte an die Vorübergehenden: „Möchten Sie Teil eines Experiments sein?“ Wer zustimmt, den fragt Aknin, für wie glücklich er sich gerade hält, und bittet um die Telefonnummer. Dann überreicht sie ihren Probanden einen mysteriösen Umschlag, der einen Fünfdollarschein sowie eine kurze Notiz enthält. Einige lesen:

„Bitte nutzen Sie diese fünf Dollar heute bis 17 Uhr, um sich selbst etwas zu gönnen oder um Ihre üblichen Ausgaben zu begleichen (Miete, Rechnungen, Schulden).“

Andere finden einen Zettel, auf dem steht:

„Bitte nutzen Sie diese fünf Dollar heute bis 17 Uhr, um jemand anderes eine Freude zu machen, oder spenden Sie das Geld für einen wohltätigen Zweck.“

Abends erhalten die Freiwilligen einen Anruf, wieder sollen sie angeben, wie glücklich sie gerade sind. Später wird die Auswertung der Daten zeigen, dass diejenigen, die ihr Geld zum Wohle anderer ausgegeben haben, sich abends als deutlich zufriedener einschätzen. Dagegen waren morgens noch keine Unterschiede zwischen den Gruppen erkennbar.

Ist es wichtig, wie hoch der Betrag ist, den jemand für andere ausgibt? Um auch auf diese Frage eine Antwort zu erhalten, hatte Aknin einigen anderen Passanten Umschläge gegeben, die eine 20-Dollar-Note enthielten. Die Analyse belegt, dass es keinen Einfluss auf das Wohlbefinden der Probanden hatte, ob sie fünf oder 20 Dollar ausgeben durften. Wofür sie dieses Guthaben aufwendeten, war entscheidend, nicht, wie viel sie erhalten hatten.

Die Ergebnisse dieses Experiments legen nahe, dass schon geringe Beträge, die wir für andere aufwenden, unser eigenes Glück erhöhen.

Elizabeth Dunn, Lara Aknin, Michael Norton: Spending money on others promotes happiness. Science, 2008, 319/5870, 1687–1688.

Video auf der Seite der Harvard Business School:

http://hbswk.hbs.edu/item/7321.html

„Nicht nur für Reiche“

In ihrem Buch Happy Money stellen Elizabeth Dunn und Michael Norton fünf Prinzipien für glückliches Geldausgeben vor

Frau Dunn, Herr Norton, macht Geld nun glücklich oder nicht?

Ganz allgemein betrachtet, sind Menschen mit mehr Geld in der Regel glücklicher als Menschen, die weniger haben. Allerdings ist dieser Zusammenhang schwächer, als viele Leute annehmen. Wenn Sie Ihr Gehalt verdoppeln, sind Sie wahrscheinlich nicht doppelt so glücklich wie zuvor. Und das ist nicht alles. Wie Psychologen um Kathleen Vohs gezeigt haben, kann bereits der Gedanke an Geld dazu führen, dass Versuchspersonen sich mehr um ihre eigenen Bedürfnisse kümmern und weniger Hilfsbereitschaft zeigen. Letztlich ist das ein schlechtes Glücksrezept.

Sie schlagen vor, Geld anders auszugeben. Kann ich mir das selbst beibringen?

Das ist nicht einfach, aber es geht. Unser Vorschlag: Fangen Sie klein an. Versuchen Sie, sich an etwas zu erinnern, das Sie früher für etwas Besonderes gehalten haben, das Sie jetzt aber als Selbstverständlichkeit betrachten. Verzichten Sie einige Tage, Wochen oder vielleicht auch Monate darauf. Und wenn Sie diese Abstinenz beenden, hat sich Ihre Genussfähigkeit ziemlich sicher regeneriert. Ein angenehmer Nebeneffekt ist, dass Sie auf diesem Weg sogar Geld sparen.

Wenn Sie schon von Sparen sprechen: Wann sollte ich meine Kreditkarte besser steckenlassen?

Sparsamkeit trägt ohne Zweifel zum Wohlbefinden bei. Wer mit seinem Geld gut haushaltet und auf seinem Konto einen Puffer anlegt, hat einen Schutzschild gegen die Widrigkeiten des Lebens, die ihn sonst unglücklich machen könnten. Etwas angespart zu haben hilft aber nicht nur in der Gegenwart, sondern auch in der Zukunft. Es klingt trivial, aber: Was Sie bis zur Rente zurücklegen, können Sie dann für Ihr Streben nach Glück ausgeben. Wir schlagen vor: Geld, das Sie nicht im Sinne mindestens eines der fünf Happy Money-Prinzipien ausgeben, sollten Sie sparen.

Wenden Sie diese Prinzipien auch in Ihrem eigenen Alltag an?

Während wir Happy Money schrieben, ist uns etwas klar geworden: Zwar haben wir früher schon Geld für andere ausgegeben. Wir haben das aber nur unregelmäßig gemacht. Damit wir uns dauerhaft über das gute Gefühl freuen können, etwas für andere zu tun, haben wir das geändert. Mittlerweile haben wir einen Dauerauftrag für die Wohltätigkeitsorganisation DonorsChoose.org eingerichtet. Im Gegenzug erhalten wir jeden Monat eine Nachricht. Darin lesen wir dann, wie unser Beitrag Schüler in einkommensschwachen Gemeinden unterstützt.

Funktionieren Ihre fünf Prinzipien auch für arme Menschen – oder können sie nur angewendet werden, wenn man ein Einkommen hat, das oberhalb eines gewissen Grenzwerts liegt?

Die Maximen, die wir herausgearbeitet haben, sind nicht nur etwas für Wohlhabende. Das haben unsere Forschungsergebnisse gezeigt. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Wenn wir sagen, dass Sie Ihr Geld für Erfahrungen statt für materielle Güter ausgeben sollten, dann meinen wir damit nicht unbedingt einen zweiwöchigen Traumurlaub auf einer exklusiven Tropeninsel. Eine positive Erfahrung machen Sie auch bei einem einfachen Essen mit Freunden oder wenn Sie sich entscheiden, spontan ins Kino zu gehen. Und wie wir belegt haben, reichen oft schon geringe Beträge, etwa wenn Sie fünf Euro im Verlaufe eines Tages für jemand anderen ausgeben anstatt für sich selbst. Ob Sie viel oder wenig Geld in die Hand nehmen, ob Sie reich sind oder nicht – der entscheidende Hebel ist, wie Sie damit umgehen.

Happy Money: The New Science of Smarter Spending. Oneworld, London 2013

Dieser Artikel befindet sich in der Ausgabe: Psychologie Heute 12/2013: Versteh mich doch!