In unserer Rubrik „Ist das was für mich?“ stellen wir jeden Monat ein Angebot aus den Bereichen Therapie, Coaching oder Beratung vor. Und Sie können entscheiden, ob das etwas für Sie ist. Dieses Mal: ein Training für Führungskräfte aus der Wissenschaft.
Das sagt ein Teilnehmer
In der Wissenschaft ist Personal- und Karriereentwicklung ein relativ neues Thema. Angebote für erfahrene Führungskräfte sind rar. Dabei haben wir Professorinnen und Professoren permanent mit Führungshandeln zu tun. Wir müssen uns…
Sie wollen den ganzen Artikel downloaden? Mit der PH+-Flatrate haben Sie unbegrenzten Zugriff auf über 2.000 Artikel. Jetzt bestellen
sind rar. Dabei haben wir Professorinnen und Professoren permanent mit Führungshandeln zu tun. Wir müssen uns organisieren und einigen, zum Beispiel bei der Verteilung von Räumen und Geldern. Wir haben keine klassische Chefetage, die Weisungen erteilt. Viele wurschteln vor sich hin, am Ende setzen sich oft diejenigen durch, die am lautesten schreien. Das hat mich frustriert.
Ich wollte mehr über mein eigenes Handeln lernen und über Organisationsentwicklung. Trotzdem habe ich gezögert, mich für den Jahreskurs der Helmholtz-Akademie für Führungskräfte aus der Wissenschaft zu bewerben. Viermal zweieinhalb Tage in Präsenz, dazu fünf digitale Termine zu je zwei Stunden, das ist ein großes zeitliches Investment. Darüber hinaus ist dieses Training nicht günstig. Die Uni bewilligte die Teilnahme, aber es sind ja Steuergelder. Das schafft einen Erwartungsdruck.
Die anderen Teilnehmenden lernte ich bei einem kurzen digitalen Kickoff kennen – 16 Leute, viele davon Führungskräfte bei der Helmholtz-Gemeinschaft, dazu eine Trainerin und ein Trainer. Ich war froh, dass niemand aus meinem Arbeitsumfeld dabei war. Das machte es mir leichter, mich zu öffnen. Solche intensiven Kurse leben ja von der Offenheit aller und der Sicherheit des Raumes. Wahrscheinlich half auch der Ort für die Präsenztreffen: Schloss und Gut Liebenberg in Brandenburg. Abseits der Stadt kann man sich nicht so leicht rausziehen.
Im ersten Präsenzmodul ging es um Strategieentwicklung. Wir sollten uns in den nächsten zweieinhalb Tagen mit einer strategischen Frage aus unserem Arbeitsalltag befassen. Ich wollte überlegen, in welchem Forschungszweig neue Professuren in unserem Fachbereich entstehen sollen. Wir erarbeiteten zuerst eine Vision, einen Idealzustand, und leiteten daraus eine Mission und einzelne Handlungsschritte ab. Unser Trainer und unsere Trainerin gaben uns dafür DIN-A4-Zettel mit unterschiedlichen Diagrammen, in die wir die wichtigsten Punkte eintragen und Positionen verorten sollten. Diese Blätter, Canvases genannt, sollten uns als Leitfaden bei der Umsetzung dienen. Später übten wir, anderen unsere Strategie mittels Pitches zu vermitteln, also als kurze Storys mit einprägsamen Bildern oder Begriffen, die man wiederholt.
Auch bei den Modulen zur Organisations- und zur Teamentwicklung habe ich viel mitgenommen, zum Beispiel zum Thema Motivation: Die Trainer erklärten uns verschiedene Motivationsquellen. Anschließend sollten wir Mitarbeitende und uns selbst auf einem Kreisdiagramm verorten. Eine Person in meiner Arbeitsgruppe ist wohl eher der „Freundschaftstyp“ – sie braucht Betriebsausflüge, Teamevents, ein gutes Miteinander. Ich bin eher der „Leistungstyp“: Es motiviert mich, wenn ich Aufgaben selbst organisieren und gewissenhaft erledigen kann. Wir liegen dahingehend also wohl weit auseinander – vielleicht funktioniert die Zusammenarbeit deshalb nicht besonders gut? So genau hatte ich das vorher nie analysiert.
Durch die Abwechslung der Methoden – Einzelarbeit, Gruppenarbeit, kollegialer Austausch – ging die Zeit immer sehr schnell herum. Im Zug nach Hause war ich jedes Mal beseelt. Sich aus dem Arbeits- und Familienalltag ausklinken dürfen, Feedback von klugen Leuten und Wertschätzung für das eigene Tun bekommen und die Gewissheit haben, dass die Gruppe auch künftig für mich da ist – das ist sehr wertvoll. Zudem konnte ich meinen Pitch schon erfolgreich einsetzen. Bald fahre ich zu einem Nachtreffen.
Patrick Windpassinger ist Physikprofessor an der Universität Mainz und der Ehemann der Autorin.
Das sagt die Kursleiterin
Ich beschäftige mich seit bald 30 Jahren mit Organisationsentwicklung und bin überzeugt davon, dass sich viele Fragen und Probleme durch mehr und bessere Führung lösen lassen. Wissenschaftsorganisationen sind Experteneinrichtungen: Personen, die tolle Forschung machen, stehen oben in der Hierarchie, mit Führung wollen viele nichts zu tun haben. Das ist ähnlich wie im Krankenhaus: Menschen heilen wollen viele, aber um Krankenhausmanagement will sich niemand kümmern.
Deshalb sind manche in meinen Kursen unsicher, ob das überhaupt etwas für sie ist. Oder sie sagen: „Führungsworkshop: Ja, aber nur kurz. Ich bin ja eigentlich Wissenschaftler.“ Aber auch die, die anfangs unsicher sind, erleben im Laufe des Kurses irgendwann einen Aha-Moment und merken: Ich kann konkret etwas tun. Ich habe Zugang zu Gremien und kann meine Stimme erheben. Ich bin nicht nur „Briefträger“ der Nachrichten von „weiter oben“.
Viele denken nämlich, bei Führung gehe es nur um Teamführung. Dabei ist Organisationsentwicklung ebenso wichtig. Wenn man sich damit beschäftigt, entstehen neue Gestaltungsspielräume. Diese zu nutzen kann sehr viel Freude machen. Wenn ich für 30 Mitarbeitende verantwortlich bin, kann ich diese in einem Team, in sechs Fünferteams oder noch mal anders organisieren. Wenn ich ein Problem habe: Rede ich mit den fünf Teamleitungen oder mit allen 30 Personen? Organisieren heißt: Wie schneide ich und wie verbinde ich – wie viele „Abteilungen“ soll es geben? Sobald ich geschnitten habe, muss ich verbinden, das heißt: kommunizieren und delegieren.
Um all das geht es auch in unserem Jahreskurs. Als Gestalttherapeutin versuche ich, Menschen immer in ihrer Gesamtheit zu sehen – nicht nur was sie sagen, sondern auch wie sie zum Beispiel den Raum betreten. Aber ansonsten folgen mein Co-Trainer und ich keiner bestimmten Coachingschule und haben auch keine Zielpersönlichkeit vor Augen. Was viele nicht wissen: Bei Führung geht es nicht um Charisma. Führung kann man lernen. Ich habe schon sehr unterschiedliche Führungskräfte erlebt, die auf ihre Weise erfolgreich waren. Wichtig ist, dass man sich selbst gut kennt und weiß, wie man wirkt und wen man braucht: Bin ich sehr genau und verlässlich und brauche deshalb vor allem kreative, innovative Leute um mich – oder ist es umgekehrt?
Wichtig ist bei unseren Kursen auch, Zeit für Austausch und Netzwerken zu lassen. Die Teilnehmenden sollen merken: Vieles liegt nicht an mir als Person, sondern daran, wie die Arbeit organisiert ist. Dafür müssen sie Vertrauen untereinander aufbauen. Wir beginnen deshalb mit der Kleingruppenarbeit. So fällt es leichter, sich später vor der ganzen Gruppe zu öffnen. Und selbstverständlich gilt: Wir tragen nichts Persönliches über andere nach außen.
Sara Niese ist Diplompsychologin und Gestalttherapeutin und hat einen Master in General Management (Harvard Business School). Sie arbeitet als selbständige Trainerin und Beraterin.
Das sind die Fakten
Was ist das für ein Angebot?
Kurse für Führungskräfte in der Wissenschaft zu einzelnen Themen wie Bewerbungs- und Verhandlungstrainings, Zeit- und Selbstmanagement sowie Coaching bietet zum Beispiel der Deutsche Hochschulverband an. Für den hier beschriebenen Jahreskurs „Mit Führung gestalten“ der Helmholtz-Gemeinschaft können sich erfahrene Führungskräfte aus Wissenschaftsorganisationen bewerben. Ziel ist, Handeln zu reflektieren, die eigene Organisation zu analysieren und Strategien zu entwickeln.
Was kostet die Teilnahme?
Je nach Dauer und Anbieter sind die Kosten für Führungskräftetrainings und -kurse sehr unterschiedlich und bewegen sich zwischen mehreren hundert bis mehreren tausend Euro. So kostet etwa der „Grundlagen-Workshop für (Nachwuchs-)Führungskräfte“ des Deutschen Hochschulverbands – ein Onlinekurs mit zwei Tagen Dauer – € 549 (für DHV-Mitglieder € 499). Die Gebühr für das beschriebene Angebot der Helmholtz-Akademie liegt bei € 13800 für Externe, Helmholtz-Mitarbeitende bezahlen die Hälfte.
Was sagt die Wissenschaft?
Laut Helmholtz-Gemeinschaft wurde die das Programm anbietende Helmholtz-Akademie zweimal von einem externen Beratungsunternehmen evaluiert. Auch Teilnehmende würden regelmäßig befragt. Unabhängig davon hat der wirtschaftspsychologische Lehrstuhl der Ludwig-Maximilians-Universität München eine Checkliste zur Prüfung der Qualität von Führungskräftetrainings erstellt mit Fragen wie: Ist das Training interaktiv gestaltet? Ist das richtige Lernklima vorhanden? Gibt es transferförderliche Lerninhalte (zum Beispiel Selbstwirksamkeit)?
Quellen
Luzia Truniger: Führen in Hochschulen. Anregungen und Reflexionen aus Wissenschaft und Praxis. Springer 2017
Lioba Werth, Anna Steidle: Führung im Kontext der Wissenschaft ist komplex. Forschung & Lehre, 6/21, Deutscher Hochschulverband 2021
Hat Ihnen dieser Artikel gefallen? Wir freuen uns über Ihr Feedback!
Haben Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Beitrag oder möchten Sie uns eine allgemeine Rückmeldung zu unserem Magazin geben? Dann schreiben Sie uns gerne eine Mail (an: redaktion@psychologie-heute.de).
Wir lesen jede Nachricht, bitten aber um Verständnis, dass wir nicht alle Zuschriften beantworten können.