Das ewige Lied der Liebe. Es durchzieht die Philosophie, Religion, Kunst, Literatur und auch die Wissenschaft. Und jede Generation fügt neue Strophen hinzu. Aktuell variieren drei Bücher das Liebesthema: Zunächst wird gefragt, was Liebe bedeutet, dann liefert ein Single seine Interpretation und schließlich greift eine Paartherapeutin ein, wenn die Liebe in Gefahr ist.
Veronika Fischer, die Philosophie und Literatur studiert hat, wollte eine Doktorarbeit über den modernen Liebesbegriff schreiben – aber dann kam ihr etwas dazwischen: die Liebe. Sie bekam drei Kinder und hat nun ihre Dissertation zu einem Buch umgearbeitet. In kurzen Essays – das Buch hat nur 116 Seiten – geht es beispielsweise um ein allgemeines Verständnis von Liebe, das Verliebtsein, das Liebeshandwerk oder um das Verhältnis von Liebe, Patriarchat und Kapitalismus.
Die Fähigkeit zu lieben
Fischers Buch beginnt mit einer Hommage: „Die Liebe ist vielfältig, wir finden sie in unzähligen Bereichen und Kontexten. In ihr liegt die Kraft, uns in die höchste Euphorie zu katapultieren, die Welt aus den Fugen zu heben und Berge zu versetzen.“ Am Beginn einer Liebesgeschichte stehe sehr oft eine „verrückte Symbiose“ zwischen Körper und Geist, irgendwas zwischen Wahnsinn und Rausch.
Was sich zu verlieben bedeuten könne, illustriert die Autorin mit einem Zitat aus einem Comic der schwedischen Zeichnerin und Moderatorin Liv Strömquist: Man fühle sich völlig machtlos, „ohne Arme und Beine, sozusagen Dönerfleisch, das sich in einer fettigen Imbissbude immer im Kreis dreht, zu nichts fähig, außer gegrillt zu werden“ – beseelt von einem einzigen Wunsch, „einem blöden Typen namens Kevin nah zu sein“.
Doch Verliebtheit und Liebe seien zwei Paar Stiefel und Liebe könne auch ohne Wahnsinn entstehen. So gebe es langjährige Freundschaften, die sich in Liebesbeziehungen verwandelten. Auch in arrangierten Ehen könne mit den Jahren Liebe wachsen. Begreife man das Lieben als eine Aktivität, so werde deutlich, dass es entwicklungsfähig sei. Ähnlich wie bei einem Handwerk handele es sich auch bei der romantischen Liebe um eine Fähigkeit, die perfektioniert werden könne.
Diese Fähigkeit komme erst zur vollen Entfaltung, wenn theoretisches Wissen und praktische Tätigkeit zu einer Intuition verschmölzen, wie schon der Psychoanalytiker Erich Fromm in seinem Buch Die Kunst des Liebens dargelegt habe. Es sei zu bedauern, dass wir trotz unserer tiefen Sehnsucht nach Liebe so viel Energie auf Prestige, Macht und Geld verschwendeten, so Fischer. Veronika Fischer hat ein leichtes, gut lesbares Buch über die Liebe geschrieben. Es ist aber eher ein Appetithappen, denn kein Aspekt des komplexen Themas wird ausgelotet.
Sehnen nach Veränderung
Auch der Single Michael Nast sehnt sich nach Liebe und Zweisamkeit. Er empfindet sein Singleleben als eine Zwischenstation. Er nimmt sich seit Jahren vor, umzuziehen, zieht aber nicht um, „weil ich davon überzeugt bin, dass die Idee, wo ich leben werde, ja auch von der Frau abhängig ist, mit der ich zusammenkommen werde“. Er habe sich im Auf-später-Verschieben eingerichtet.
Sein Buch beginnt mit einer Selbstdarstellung („Als Autor gelte ich als analytisch und selbstreflektiert“). Danach betrachtet er seine diversen Beziehungen und ihr Scheitern, sucht Rat bei befreundeten Psychologinnen und Psychologen, sehnt sich nach Veränderung und vergisst bei alledem nicht, eine Prise Gesellschaftskritik einzustreuen. Gegen Ende seiner Selbstbespiegelung kommt er zu dem Schluss: „Ich bin mir meiner Defizite bewusst. Ich weiß, dass ich mich in meiner nächsten Beziehung professionell beraten lassen werde, sobald ich die Symptome meiner Bindungsangst spüre.“
Nach mehreren Bestsellern, die die Höhen und Tiefen seiner Singleexistenz ausloten, und dem Versuch, diese Lebensform einer ganzen Generation zuzuschreiben – Generation Beziehungsunfähig wurde auch verfilmt –, wird das Thema nun erneut hin und her gewendet. Michael Nast schreibt unterhaltsam und bisweilen selbstironisch. Er ist spezialisiert auf die Selbstvermarktung seines Daseins im Singlewartestand. Das ist legitim, aber sein Produkt hat ein Verfallsdatum.
Über Eifersucht, Kindeserziehung und Verlustängste
Sehr viel ernsthafter geht es bei Anna Wilitzki zu. Die Paartherapeutin nimmt uns mit in ihr Behandlungszimmer. Dort sitzen Paare mit teils schwerwiegenden Beziehungskonflikten. Die Autorin, die nach der emotionsfokussierten Paartherapie arbeitet (was man aber nur auf ihrer Website nachlesen kann), hat zehn Problemlagen ausgesucht und die Personen dahinter anonymisiert. Es geht etwa um Eifersucht, Kindererziehung, Verlustängste oder abnehmende sexuelle Anziehungskraft.
Mit einem fotografischen Blick und einer szenischen Schreibweise schildert Wilitzki das verbale und nonverbale Verhalten ihrer Klienten und Klientinnen, ihre aufkommenden heftigen Gefühle, entstehende Spannungen sowie ihre Ratschläge und Interventionen. Sie lässt uns auch an ihrer Reflexion während und nach einer Sitzung teilhaben. Man erlebt beispielsweise, wie ein Satz, eine Geste die Situation vollkommen drehen können. Oft kämen dann alte Bindungsverletzungen wieder hoch, weil der Partner, die Partnerin einen wunden Punkt berührte, erläutert die Autorin. Fasziniert folgt man dem Fortgang der Beziehungsdramen. Nicht immer gibt es eine Lösung. Lesenswert, auch weil wir viel lernen über die Kraft der Liebe – im positiven und im negativen Sinne.
Veronika Fischer: Liebe. Kremayr & Scheriau 2024, 116 S., € 20,–
Michael Nast: Weil da irgendetwas fehlt. Von der Liebe, dem Leben und anderen Missverständnissen. Piper 2024, 284 S., € 18,–
Anna Wilitzki: Einfach lieben. Expedition zu einer glücklichen Beziehung. Rowohlt Polaris 2024, 269 S., € 18,–