Glückliche Naturerlebnisse gegen die Erschöpfung

Ständiger Stress bringt Leib und Seele aus dem Takt. Kindheitserinnerungen an eine unbeschwerte Zeit im Freien, können gegen die Folgen helfen.

Die Illustration zeigt eine junge Frau, die mit einer Ziege im Gras steht und zufrieden aussieht
Suchen sie unbeschwerte Naturorte, wie den Wald oder einen Streichelzoo, auf - das kann gegen chronische Erschöpfung helfen. © Orlando Hoetzel für Psychologie Heute

„Erinnern Sie sich an den Geruch und das Knistern des Feuers beim Braten einer Wurst mit den Eltern und den Geschwistern mitten im Wald? Oder an das prasselnde Geräusch von Regentropfen auf dem Zeltdach, das Surren der Angelrute des Großvaters, wenn er eine Forelle an Land zog? Sehen Sie noch das verheißungsvolle Schimmern von nassem Sand am Rande der Meereswellen oder fühlen Sie die kühle Weichheit von nassem Moos beim Beerenpflücken unter Ihren Knien? Erinnern Sie sich an die Freude und Ruhe, an das…

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beim Beerenpflücken unter Ihren Knien? Erinnern Sie sich an die Freude und Ruhe, an das Gefühl der Geborgenheit inmitten der Natur?“

In ihrer naturbasierten Therapie versuchen die Psychotherapeutinnen Anna Adevi und Melitta Breznik gezielt an solche mit allen Sinnen aufgesogenen Naturerlebnisse aus der Kindheit anzuknüpfen. „Damals war die Welt noch groß und unbekannt und all diese Sinneseindrücke haben wir staunend, manchmal bewusst, aber viel öfter unbewusst in uns aufgenommen. Sie sind irgendwo in unserem Gehirn und unserem Körpergedächtnis gespeichert, und es gilt, sie wieder zu aktivieren, sie ins Bewusstsein zu heben, um sie nutzbar zu machen mit all den guten Gefühlen, die mit ihnen verknüpft sind.“ Ziel ist, „Menschen mit ihren gesunden Anteilen in Kontakt zu bringen“, so Melitta Breznik in einem Begleitinterview zu ihrem Buch, „und damit der Vereinnahmung durch Hektik und übersteigerte Leis­tungsansprüche in Beruf, Familie und Freizeit etwas entgegenzusetzen“.

Fragen der Naturreflexion

Am Anfang der Therapie steht eine „Naturanamnese“, ein Interview zu Kindheitserlebnissen in der Natur. Vielleicht haben auch Sie Lust, für einen Moment über Fragen wie diese zu reflektieren:

Welche ist Ihre persönlich beeindruckendste Kindheits-erinnerung in der Natur?

Welche positiv prägenden Erfahrungen in der Natur ordnen Sie Ihrem Vater zu, welche Ihrer Mutter, welche sehen Sie unabhängig davon?

Die wortlose Kommunikation in der Natur – welche Erfahrungen haben Sie damit?

Denken Sie manchmal über therapeutische Metaphern in der Natur nach?

Wenn ich „Rhythmus in der Natur“ sage, woran denken Sie dann?

Können Sie Ihre Stimmungen und Gefühle durch Erlebnisse in der Natur beeinflussen?

Hat Ihr Leben einen Zusammenhang mit dem Leben der Pflanzen? Wenn ja, in welcher Form?

Welches waren Ihre größten Lebensveränderungen bis heute? War die Natur irgendwann an einer solchen Veränderung in Ihrem Leben beteiligt? Und wenn ja, in welcher Art und Weise?

Gibt es einen Naturort auf der Erde, den Ihrer Meinung nach jede und jeder vor dem Tod besucht haben sollte?

In der Therapie werden gezielt ähnliche Orte und Situationen aufgesucht wie jene, die einst in der Kindheit so aufregend und schön waren. Ziel ist, die mit den Erlebnissen assoziierten Sinneseindrücke im Gedächtnis neu zu verankern – etwa „die Wahrnehmung des Geruchs von Rauch, der Wärme auf der Haut, dem Knistern der Glut, dem Gelb der Flammen und dem flackernden Licht eines Lagerfeuers“, so Melitta Breznik.

„Wir erholen uns bei solchen Aktivitäten, fokussieren uns auf den Körper und die uns umgebende Natur, werden Teil von ihr, so wie es uns als Kind gelungen ist, staunend in ihr aufzugehen.“ Die präsent gehaltene Erinnerung an solche Erlebnisse kann eine innere Quelle von Kraft und Ruhe sein, wenn uns im Alltag mal wieder alles über den Kopf wächst.

Lesen Sie in diesen Artikeln aus derselben Ausgabe mehr zum Thema Erschöpfung:

Quellen

Anna Adevi, Melitta Breznik: Naturbasierte Therapie (NBT). Stressfolgeerkrankungen landschafts- und kindheitsorientiert behandeln. Hogrefe 2022

Onlineinterview des Hogrefe-Verlags mit Dr. Melitta Breznik

Dieser Artikel befindet sich in der Ausgabe: Psychologie Heute 10/2023: Raus aus der Erschöpfung