Ein persönliches Treffen mit Thomas Hettche kann während der Pandemie nicht stattfinden. Also sprechen wir an einem Vormittag im Februar über Bildschirme miteinander, draußen ist es noch winterlich. Der Autor sitzt mit einer Tasse Tee vor seinem Rechner, hinter ihm eine gut sortierte Bücherwand – man erahnt einige besondere Ausgaben und literarische Reihen. Es sieht gemütlich aus. Doch im Gespräch ist der 56-Jährige hellwach, widerspricht auch schon mal scharfzüngig. Die Vielschichtigkeit seiner Antworten passt zu der Art, wie Hettche seine Romane verfasst. Er recherchiert akribisch, wirft ein Licht auf Epochen, Begebenheiten und historische Personen, die bis dahin wenig Beachtung gefunden hatten, etwa in seinen preisgekrönten Romanen Pfaueninsel und Herzfaden. All das mischt er mit Elementen aus Märchen, Fantastik und Schauergeschichten. So kreiert er Zwitterwelten, die einladend, doch manchmal auch bedrohlich wirken.
Herr Hettche, in Ihren Romanen fließen Wirklichkeit und Märchen ineinander. Wollen Sie damit zeigen, dass es mehr als eine Wahrheit gibt?
Auch. Es geht aber um mehr. Wir alle sind geprägt und bestimmt von Projektionen, von märchenhaften Vorstellungen, Wünschen und Träumen. Diese bestimmen unser Handeln mehr, als wir glauben, und zwar nicht nur als persönliche Sehnsüchte und Erwartungen. Mythen und Märchen verbinden uns mit der Historie, mit einem über Jahrhunderte tradierten Denken und Fühlen. Wir wissen: Wenn man einen Frosch küsst, dann kann daraus ein Prinz werden. Unsere persönlichen Wünsche klingen immer zusammen mit uralten Bildern.
Diese mythische und märchenhafte Welt ist bei Ihnen aber mit der Alltagswirklichkeit verzahnt. Sie schreiben ja keine Fantasy, sondern realistische Geschichten, die sogar historischen Geschehnissen folgen und Personen begleiten, die wirklich gelebt haben.
Das hat mit meiner Vorstellung von…
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