Psychologie Heute Frau Professor Singer, wie war das, als die Kunst Sie umgehauen hat?
Tania SINGER Ehrlich gesagt: Ich lag schon. Das gehörte zur Versuchsanordnung. Ich lag flach auf dem Boden der großen Turbinenhalle in der Londoner Tate Modern; der Raum war von einer riesigen goldenen Sonne beleuchtet, die der Künstler Ólafur Elíasson dort installiert hatte – und in einem Spiegel unter der Decke, ganz weit oben in 35 Meter Höhe, sah ich mich winzig klein, auf dem Rücken liegend. So winzig, dass ich winken und zappeln musste, um zu erkennen, welche der vielen kleinen Ameisen da unten ich war. Denn der Boden der Halle war voll; die Londoner waren in Scharen in die Ausstellung gepilgert wie zu einem Popkonzert. Eine Zeitung schrieb, die Schau sei für die Leute ein großartiges free concert. Und natürlich haben alle, wie sie da lagen, versucht, sich selbst an ihrem Winken und Zappeln zu erkennen.
PH Warum sagen Sie trotzdem, das Erlebnis habe Sie umgehauen?
SINGER Bildlich gesprochen hat es das tatsächlich. Weil mir durch diese künstlerische Installation eindrücklich vor Augen geführt wurde, wie sehr wir alle zusammengehören. Wie wichtig Gemeinschaft für uns ist. Und wie klein wir als Einzelne sind. Es war ein Kunstwerk, das erst durch die Menschen entstand. Und dadurch, dass sie sich ihrer selbst im Spiegel gewahr wurden. Ein faszinierendes Erlebnis.
PH Von da an waren Sie ein Fan des Künstlers Ólafur Elíasson?
SINGER Das vielleicht nicht. Nicht sofort jedenfalls. Ich habe diese Inszenierung sehr bewundert. Sie belegte in meinen Augen eine wichtige, grundlegende, mir aus meiner eigenen Arbeit durchaus vertraute Erkenntnis über unser…
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