Wege zum Glück. Oder doch nicht?

Geld, Gutes tun oder eher Meditation? Für einige der populärsten Glücksstrategien gibt es kaum wissenschaftliche Belege. Andere wirken tatsächlich.

Die Illustration zeigt einen Mann mit einer gelben Smiley-Maske, der die Daumen noch oben hält
Viel Obst und Gemüse essen, mehr Dankbarkeit zeigen, das Smartphone weglegen: Alles hilfreiche Tipps, um glücklich zu sein... oder? © Martin Krusche für Psychologie Heute

Wer glücklicher werden möchte, sollte anderen Gutes tun. Diese Empfehlung verbreiten unzählige Glücksratgeber und andere Medien. Es ist eine schöne Botschaft. Alle gewinnen und moralisch ist das Ganze auch noch. Aber ist es tatsächlich so?

Ein Team um die bekannte Glücksforscherin Sonja Lyubomirsky, Psychologieprofessorin an der University of California in Riverside, bat 72 Freiwillige, täglich drei gute Taten zu vollbringen. Sie konnten beispielsweise für Freunde kochen, jemand anderem einen Kaffee…

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drei gute Taten zu vollbringen. Sie konnten beispielsweise für Freunde kochen, jemand anderem einen Kaffee bezahlen oder einen alten Verwandten besuchen. Das sollten sie vier Wochen durchhalten und regelmäßig Fragebögen ausfüllen. Dafür bekam jede und jeder von ihnen hundert Dollar. Die gleiche Summe erhielten auch die einer Kontrollgruppe zugeteilten Teilnehmenden, die einfach ihre üblichen Aktivitäten notierten. Entgegen den Versprechungen der Glücksprophetinnen und Glückspropheten waren diejenigen, die drei gute Taten täglich vollbracht hatten, am Ende nicht zufriedener mit ihrem Leben als die anderen.

Nicht glücklicher wurden auch über 200 Studierende in Boston, die im Rahmen eines Programms jede Woche gut zehn Stunden Freiwilligenarbeit leisteten. Die gleiche Erfahrung machten kanadische Studierende, die sich für zwei Wochen zu einer guten Tat am Tag verpflichtet hatten.

Forschung mit Tricks

Warum schlugen diese Versuche fehl? Viele andere Studien fanden durchaus, dass Helfen glücklicher macht. Doch vor allem auf die älteren Studien ist wenig Verlass, denn die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hatten vorab nicht festgelegt, wie sie ihre Daten auswerten wollten. Das war früher üblich in der Psychologie, machte es aber möglich, Erfolge zu finden, wo keine waren. Es wurde womöglich einfach so lange gerechnet, bis die Gruppe, die theoretisch glücklicher sein sollte, tatsächlich glücklicher schien.

Um zu dem gewünschten Ergebnis zu kommen, gibt es viele Möglichkeiten. Das Glück wird beispielsweise mit verschiedenen Fragebögen gemessen, am Ende wird aber nur der mit dem „guten“ Ergebnis berücksichtigt. Oder es werden so lange neue Versuchspersonen rekrutiert, bis das Resultat passt. Mit solchen Tricks braucht es statistisch nur drei Studien, und schon lässt sich sogar vermeintlich beweisen, dass nächtliche Schaumbäder glücklich machen, auch wenn sie es in Wirklichkeit nicht tun.

Das haben die Psychologieprofessorin Elizabeth Dunn und der Doktorand Dunigan Folk von der University of British Columbia errechnet. Die beiden stellten fest, dass es für viele weitverbreitete Glücksstrategien tatsächlich keine wissenschaftlich fundierten Belege gibt. Für eine Überblicksarbeit schauten sie sich deshalb ausschließlich Glücksstudien an, bei denen solche Tricksereien nicht möglich waren. Seit einigen Jahren wird nämlich für gute psychologische Studien zuvor genau festgelegt und veröffentlicht, wie sie gemacht und ausgewertet werden sollen.

Meditativer Fehlschlag

Das Ergebnis ist ernüchternd. In den vorab registrierten Studien, die Dunn und Folk zusammengetragen haben, schneiden einige der besonders populären Glücksstrategien überraschend schlecht ab. Meditieren etwa gehört zu den am häufigsten empfohlenen Methoden. Franziska Schroter bat an der Universität Regensburg 116 Sportstudierende, es sich bequem zu machen, beispielsweise auf einer Yogamatte. Dann hörte die Hälfte eine zwanzigminütige Meditationsanleitung eines erfahrenen Achtsamkeitslehrers. Für die andere Hälfte las der gleiche Mann zwanzig Minuten Naturgeschichte vor. Hinterher war die Stimmung der Meditierenden nicht besser als die der naturwissenschaftlich Belehrten.

War eine einmalige Meditation einfach zu wenig? Der Psychologe Chris Noone ließ im irischen Galway 43 Studierende innerhalb von sechs Wochen dreißig kleinere Meditationsübungen machen. Die Anleitungen hörten sie über Kopfhörer via App oder Internet. Eine Vergleichsgruppe absolvierte andere vorgebliche Meditationen, die aber tatsächlich nur Atemübungen waren. Ohne Erfolg: Die Meditationen verbesserten die Stimmung und das Wohlbefinden genauso wenig wie die Pseudomeditationen.

Positive Denkanstrengungen

Statt lange zu meditieren, raten viele Glücksprophetinnen und Glückspropheten schon lange, einfach positiv zu denken. Bereits Anfang des 19. Jahrhunderts empfahl der französische Apotheker Émile Coué eine Zauberformel, die seine Fans täglich mehrere dutzend Mal wiederholen sollten: „Es geht mir jeden Tag und in jeder Hinsicht besser und besser.“ „Und den Leuten ging es besser und besser“, erinnert sich der spöttische Schriftsteller Robertson Davies, „für eine Weile. Aber die Kräfte des Bösen waren zu stark und viele Leute fielen in ihre Gräber, während sie das wundervolle Mantra keuchten.“

Zwei neuere Studien wollten herausfinden, ob positives Denken tatsächlich glücklich macht. In der ersten sollten die Versuchspersonen in einen Fragebogen eintragen, wie vielen Umweltgiften sie wohl ausgesetzt gewesen waren. Während sie anschließend auf das Ergebnis warteten, sollte sich ein Teil von ihnen überlegen, welche Vorteile ein bedenklicher Wert haben könnte – etwa dass sie dank des Tests Umweltgifte in Zukunft meiden könnten. Tatsächlich verspürten sie während der Wartezeit mehr positive Gefühle als andere, die währenddessen einfach ihren Tag beschrieben. Ob solche positiven Denkanstrengungen lange nachwirken, ist allerdings fraglich.

In der zweiten Studie wurde Studierenden erklärt, wie sie ihren täglichen Stress positiv nutzen könnten. Doch diese Botschaft verhalf ihnen weder zu mehr positiven noch zu weniger negativen Gefühlen während des Experiments. Ob positives Denken tatsächlich viel bringt, ist also weiterhin offen.

Moodfood: Mit Vitaminen zum Glück?

Ein ganz anderer Ansatz stand im Mittelpunkt einiger früherer Studien. Weil der Verzehr von mehr Obst und Gemüse bekanntlich gegen alles Schlechte hilft, wurden auch Zusammenhänge mit dem Glück gesucht und gefunden. Allerdings ließ sich nicht feststellen, was Ursache ist und was Wirkung. Möglicherweise verspeisen Glückliche einfach mehr Äpfel und Karotten als Unglückliche.

Ein Team um Tamlin Conner von der neuseeländischen University of Otago nahm sich deshalb 174 Studierende vor, die nach eigenen Angaben normalerweise wenig Obst und Gemüse aßen. Ein Drittel von ihnen erhielt einen Sack voll mit den gesunden Sachen, die sie in den nächsten zwei Wochen verspeisen sollten. Ein Drittel wurde mit zwei täglichen Textnachrichten daran erinnert, Obst und Gemüse zu essen, wofür sie einen Gutschein bekommen hatten. Das letzte Drittel sollte einfach weitermachen wie bisher. Doch an der Stimmung der Probandinnen und Probanden änderte sich nichts. Was gesunde Ernährung für das Glück bringt, bleibt also ebenfalls weiter offen. Aber sie hat ja andere Vorteile.

Dankbarkeit und Geselligkeit

Neben diesen eher glücklosen Studien fanden Dunn und Folk aber auch einige, die die Wirksamkeit einer Glücksstrategie tatsächlich bestätigen konnten. Gut zu funktionieren scheint beispielsweise die vielzitierte Methode, Dankbarkeit zum Ausdruck zu bringen, etwa in einem Brief an einen anderen Menschen. Das taten knapp 400 amerikanische Teilnehmende in einer Studie von Katherine Nelson-Coffey von der Arizona State University. Unmittelbar danach verspürten sie mehr positive Gefühle. Ähnlich erging es gut 200 Studierenden, die ihre Dankbarkeit in Textnachrichten und sozialen Medien zum Ausdruck brachten oder auch nur für sich niederschrieben. Unklar ist dabei allerdings, wie lange die Wirkung solcher Dankbarkeitsbezeugungen anhält.

Auch für eine andere Art des Helfens ließ sich dann doch beweisen, dass es die Stimmung hebt: das Spenden. In den Experimenten konnten die Versuchspersonen beispielsweise die zweieinhalb Dollar, die sie für ihre Teilnahme bekamen, weitergeben. Das Geld wurde in eine Tüte Süßigkeiten investiert, die vor den Augen der Versuchspersonen nach ihren Wünschen gepackt wurde und einem kranken Kind zugutekommen sollte. Das machte die Probandinnen und Probanden glücklicher, als wenn sie die Tüte selbst bekamen.

Zu Maßnahmen, deren Nutzen sich in sauberen Experimenten belegen ließ, gehört auch Geselligkeit. Rowan Jacques-Hamilton, heute am Max-Planck-Institut für biologische Intelligenz, rekrutierte 147 Menschen für einen Versuch. Die eine Hälfte bat er, sich eine Woche lang extravertiert zu verhalten, also forsch, gesprächig, zugänglich und selbstbewusst. Die andere Hälfte sollte bescheiden und zurückhaltend agieren. Tatsächlich fühlten sich die „Extravertierten“ die Woche über besser als die „Introvertierten“. Ähnlich erging es Pendelnden in London, die gebeten wurden, sich während der Fahrt mit jemand anderem zu unterhalten. Ihre Stimmung war besser als die von Leuten, die wie gewohnt für sich selbst blieben.

Stummschalten und wegpacken

Entsprechend ungünstig ist es, sich beim Zusammensein mit anderen vom Smartphone ablenken zu lassen. Oft kritisiert wird die verbreitete Sitte, beim Essen mit Freundinnen oder Freunden das Smartphone auf den Tisch zu legen. Genau darum bat Ryan Dwyer von der University of British Columbia die Hälfte seiner 300 Versuchspersonen unter einem Vorwand. Der Rest sollte es stumm schalten und wegpacken. Die mit den Telefonen auf dem Tisch fühlten sich abgelenkter und genossen das Essen weniger, wie sie danach in einem Fragebogen angaben. Ganz ähnlich erging es Eltern, die beim Museumsbesuch mit ihren Kindern für eine Studie gebeten wurden, eifrig ihr Smartphone zu benutzen. Sie fühlten sich abgelenkter und stärker von anderen isoliert – im Vergleich zu denen, die es nicht nutzen sollten.

Auch die Ergebnisse einiger anderer Untersuchungen gehen in die gleiche Richtung – wenn auch nicht mit schnellem Erfolg. Studierende in den USA, Großbritannien und Hongkong verzichteten für einen Tag auf soziale Medien; besser als an anderen Tagen ging es ihnen deswegen jedoch nicht. So war es auch bei 100 amerikanischen Erwachsenen, die für eine Belohnung von hundert Dollar ihren Facebook-Account gleich einen ganzen Monat abschalteten. Erst hinterher berichteten sie, dass sie glücklicher und zufriedener mit ihrem Leben seien. Elizabeth Dunn und Dunigan Folk ziehen aus den insgesamt sieben vorab registrierten Studien zum Thema Smartphone den Schluss: Darauf verzichten macht nicht generell glücklicher, aber es hilft in Situationen mit anderen, das Gerät einfach mal in der Tasche zu lassen.

Freie Zeit kaufen

Zufriedener machen kann es auch, Beschäftigungen zu unterlassen, die im Allgemeinen wenig Glücksgefühle bereiten, etwa Hausarbeit. Ashley Whillans, heute an der Harvard Business School, schenkte 60 Berufstätigen im kanadischen Vancouver vor zwei Wochenenden jeweils 40 Dollar. Das eine Mal sollten sie sich etwas kaufen, das andere Mal sollten sie das Geld einsetzen, um Zeit zu sparen. Sie konnten etwa den Rasen mähen lassen, statt das selbst zu erledigen, oder essen gehen, statt zu kochen. Indem sie sich Zeit zur freien Verfügung kauften, erlebten die Teilnehmenden mehr positive Gefühle und weniger negative. Nebenbei verringerte sich auch das Gefühl von Stress.

Es gibt noch eine gute überprüfte Möglichkeit, glücklicher zu werden: unerwartet viel geschenkt zu bekommen. In einer einschlägigen Studie konnten sich Menschen auf Twitter für ein „Mystery-Experiment“ anmelden. 200 von ihnen erhielten 10000 Dollar. Es gab praktisch nur eine einzige Bedingung: Sie mussten das Geld innerhalb von drei Monaten ausgeben. Noch Monate, nachdem das Geld weg war, fühlten sie sich glücklicher als 100 andere, die sich ebenfalls für das „Mystery-Experiment“ beworben, aber nur ein paar Dollar für das Ausfüllen der Fragebögen bekommen hatten. Dieser Weg zum Glück hat wohl nur einen Nachteil: Man kann ihn nicht aus eigenem Entschluss beschreiten.

Quelle

Dunigan Folk, Elizabeth Dunn: How can people become happier? A systematic review of preregistered experiments. Annual Review of Psychology, 75, 2024, 467–493

Dieser Artikel befindet sich in der Ausgabe: Psychologie Heute 12/2024: So wird es leichter mit den Eltern