Wald statt Wartezimmer

Tausche vier Wände gegen Wald, Wiese und Bach: Eine Therapie in der freien Natur kann Vorteile haben – und für manche besonders heilsam sein

Eine Frau in roter Sportkleidung und Walkingstöcken läuft in einem Wald einen Weg entlang
Manchmal hilft es, nach draußen zu gehen, um nach innen zu finden. © laif/Franck/Guiziouhemis

Es scheint ein ehernes Gesetz zu sein: Eine Psychotherapie muss in einem geschlossenen Raum stattfinden. Diese Praxis hat einige Vorteile – die Klientinnen und Klienten fühlen sich dort in der Regel sicher und können sich auf ihr Thema konzentrieren, ohne abgelenkt zu werden. Aber manchmal lohnt es sich, ausgetretene Pfade zu verlassen. In einer Naturtherapie passiert genau das, denn Therapeutin und Patient gehen nach draußen – zum Beispiel in den Wald oder an einen ruhigen Bach. Die Idee dahinter:…

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das, denn Therapeutin und Patient gehen nach draußen – zum Beispiel in den Wald oder an einen ruhigen Bach. Die Idee dahinter: Natürliche Landschaften sollen helfen, sowohl uns selbst als auch die Umgebung besser wahrzunehmen und kennenzulernen. Eine solche Erfahrung hat schon im 19. Jahrhundert der Philosoph John Muir prägnant beschrieben: „Ich ging nur für einen kurzen Spaziergang hinaus und beschloss schließlich, bis zum Sonnenuntergang draußen zu bleiben, denn ich stellte fest, dass das Nach-draußen-Gehen eigentlich ein Nach-innen-Gehen war.“

Heilsame Praxis und bürokratische Hürden

Aber was ist das eigentlich, Naturtherapie? Im Prinzip ist es eine normale Therapie. Die Psychologinnen und Psychologen können in allen Richtungen arbeiten, wie zum Beispiel mit tiefenpsychologischen oder verhaltenstherapeutischen Methoden. Zusammengefasst: „Es ist eine Psychotherapie, bei der das bewusste Naturerleben der seelischen Heilung und Entwicklung dient“, erklärt Sandra Knümann. Die Diplompädagogin und Heilpraktikerin für Psychotherapie betreibt seit vielen Jahren die Psychologische Akademie für Naturtherapie inmitten einer hügeligen Landschaft zwischen dem Bergischen Land und dem Westerwald.

Einen wichtigen Unterschied zu klassischen Sitzungen gibt es allerdings: Die im Freien werden normalerweise von gesetzlichen Krankenkassen nicht anerkannt. Die Kosten muss man dann selbst tragen. Allerdings können Psychotherapeuten mit Approbation und Kassenzulassung unter bestimmten Umständen eine Sitzung im Wald abrechnen. Denn Krankenkassen übernehmen systemische Therapie, Verhaltenstherapie, Psychoanalyse und die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie – und wenn Experten gut begründen, warum diese Art der Behandlung draußen stattfinden sollte, zahlt auch die gesetzliche Kasse. Bei privaten Krankenversicherungen ist es zumindest etwas leichter – sie übernehmen teilweise alternative Verfahren oder Heilpraktikerleistungen. Doch trotz dieser Hürden boomt die Therapie im Grünen. Mittlerweile bieten Ins­titute ebenso wie Universitäten Weiterbildungen in der Wald- und Naturtherapie an. Verbindliche Vorgaben dafür gibt es jedoch nicht, da diese spezielle Form gesetzlich nicht geregelt ist.

Die Welt ertasten

Am verbreitetsten ist dabei die achtsamkeitsbasierte Naturtherapie. Denn Achtsamkeit ist der Dreh- und Angelpunkt, damit das, was draußen passiert, im Inneren wirksam werden kann. „Die Achtsamkeitsverfahren gelten als besonders wirkungsvoll“, bestätigt Gisela Immich, wissenschaftliche ­Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Public Health und Versorgungsforschung der Ludwig-Maximilians-Universität München. Eine Verbindung zu Wäldern, Bächen oder Bergen zu spüren löst natürlich erst einmal keine Probleme. Dafür braucht es die Begleitung von Expertinnen und Experten, die sowohl eine vertrauensvolle Beziehung aufbauen als auch gezielte Interventionen einsetzen. „Damit das Draußensein überhaupt wirksam werden kann, benötigen wir eine präsente und offene Grundhaltung, die man erst einmal erlernen muss“, ergänzt Sandra Knümann, die an ihrer Akademie Naturtherapeuten und -achtsamkeitstrainerinnen ausbildet.

Sitzungen im Freien können sehr kreativ sein. Manchmal sind Klient und Therapeutin gemeinsam draußen, manchmal gehen die Patienten auch allein in den Wald und berichten in der nächsten Sitzung im Sprechzimmer von ihren Erfahrungen. Es gibt sogar Praxen, die Onlinesitzungen anbieten – man spricht hierbei per Video-Call mit der durch die Landschaft streifenden Klientin. Für den Beginn einer Stunde empfiehlt sich zum Beispiel die Übung des achtsamen Gehens, um in der Gegenwart anzukommen.

Dann geht es häufig an die Hausaufgaben. Im Freien lassen sich viele spannende Übungen machen, die in einem Raum nicht oder schwer umsetzbar sind. Direkt danach oder in der nächsten Stunde wird das Erlebte psychotherapeutisch verarbeitet – oft ganz klassisch wieder im Therapiezimmer. „Klienten können ihre persönliche Situation mit Steinen, Stöcken oder Ähnlichem darstellen und sich daraus beispielsweise ein Kunstwerk bauen. Sie betasten Gegenstände mit geschlossenen Augen oder fertigen eine Landkarte von Geräuschen an“, sagt Knümann.

Eine häufig genutzte Methode ist die Kreisarbeit, die dem Lebensrad nachempfunden ist, das schon einige indigene Völker Nordamerikas genutzt haben. Dabei wird ein Kreis in vier Quadranten unterteilt, wobei jedem Quadranten eine Himmelsrichtung, ein Element, eine Lebensphase oder eine körperliche oder geistige Funktion zugeordnet ist. Die Person sucht sich einen Platz, an dem sie sich wohlfühlt, und legt aus natürlichen Materialien etwas um sich herum, zum Beispiel einen Stock als Symbol für ihren Kampfgeist oder Moos für innere Weichheit. „Mithilfe der Kreisarbeit lassen sich unterschiedliche Selbstaspekte integrieren und Selbstanteile miteinander in Kontakt bringen“, schreibt Sandra Knümann in ihrem Buch ­Naturtherapie. Mit Naturerfahrungen Beratung und Psychotherapie bereichern.

Wenn selbst ein Waldspaziergang zum Wettbewerb wird

Und daher „profitieren insbesondere Klientinnen davon, die in Entwicklungskrisen stecken, ihren Lebensrhythmus verloren haben oder unter strukturellen Defiziten leiden“. Allerdings setzen sich heutzutage viele Menschen sogar beim Joggen und Wandern unter Leistungsdruck. Der Wald ist ihnen nur Kulisse und die Pulsuhr bleibt immer im Blick.

„Draußen kann man frei von Anforderungen und eigenen Erwartungen an sich selbst sein. Es ist spannend, was dann passieren kann. Die Menschen inszenieren ihre persönlichen Muster in der Interaktion mit der Natur“, erklärt Knümann. Jemand mit einem Burnout, der im Beruf und Alltag den Leistungsgedanken hochhält, setze sich für die Aufgabe, eine Stunde lang im Wald zu verbringen, vielleicht bestimmte Ziele. Er plane dann zum Beispiel, möglichst viele besondere Orte in der gegebenen Zeit aufzusuchen. „Das kann man wunderbar widerspiegeln, wenn der Klient zurückkommt: ,Ach so, Sie haben daraus eine Leistungswanderung gemacht. Das war doch gar nicht vorgegeben.‘ So kann er erkennen, wie er selbst den Stress verursacht.“

Die Alltagsschuhe hinter sich lassen

Das Leben auf dem Land ist gesünder als in der Stadt, legen einige Studien und Befragungen nahe. Zu diesem Befund existieren im Wesentlichen drei Theorien, die sich Naturtherapeutinnen und -therapeuten in ihrer Arbeit zunutze machen. So besagt die Theorie des Stressabbaus, dass allein der Anblick von Wäldern oder ähnlichen Grünflächen sehr schnell stressreduzierend wirkt. Schon ein kurzer Aufenthalt von 20 bis 30 Minuten im Freien reicht aus, um das Level des Stresshormons Kortisol effektiv zu senken. Die Effekte gelten für alle Arten von Naturräumen, solange sie nicht bedrohlich wirken wie zum Beispiel dunkle und dichte Wälder.

Die Theorie zur Wiederherstellung von Aufmerksamkeit setzt dagegen den Schwerpunkt auf die geistige Erholung. Viele Menschen müssen sich den ganzen Tag konzentrieren und fühlen sich in der Folge mental erschöpft. Im Grünen bekommen sie den Kopf wieder frei. Das Gedankenkarussell – Grübeln über vergangene Ereignisse, das Planen der Zukunft – wird für einige Zeit gestoppt, und die eigenen Ideen und Gefühle rücken in den Vordergrund. Es gibt Übungen, die die Aufmerksamkeit auf das Hier und Jetzt richten. Man beobachtet das Lichtspiel in den Baumkronen, ertastet die Oberflächen von Baumstämmen, Moos und Farnen oder hält beim langsamen Gehen immer wieder inne. „So kann ich meine eigene Stressbelastung regulieren, indem ich mich auf die Natur fokussiere. Mein Atem wird langsamer und tiefer, der Brust- und Bauchraum weiten sich und ich entspanne mich“, so die Gesundheitswissenschaftlerin Gisela Immich.

Die dritte These, die Biophilie-Hypothese, beruht auf dem Begriff der Biophilie, den der Psychoanalytiker Erich Fromm prägte, und wurde später vom amerikanischen Biologen Edward O. Wilson weiterentwickelt. Wilson zufolge ist unsere Verbundenheit mit der Natur evolutionär bedingt, da wir ein genetisch verankertes Bedürfnis haben, der Wildnis und ihren Lebewesen nahe zu sein.

Eine Therapie im Grünen kann generell allen Menschen mit seelischen Problemen helfen, gerade bei schweren psychischen Leiden – egal ob es sich um Angststörungen, Sucht­erkrankungen oder Depressionen handelt. So könnte ein depressiver Mensch lernen, dass er nicht perfekt sein braucht, weil vieles draußen verletzlich und unvollkommen ist. Vielleicht erlebt er bei einer Wanderung durch den Wald ein Gefühl von Verbundenheit. Oder er spürt, dass er hier nichts tun muss: Statt unter Mangelgefühlen und Antriebsschwäche zu leiden, kehrt dann der innere Tatendrang ganz von allein zurück. Sogar bei Beschwerden, für die Ärzte und Ärztinnen keine klare organische Ursache finden, ist die Naturtherapie eine Option.

Auch abseits des therapeutischen Rahmens zieht es viele Menschen wann immer möglich nach draußen. Wenn Personen in Nord- und Mitteldeutschland vom „Rausgehen“ spre­chen, meinen sie in der Regel Felder, Wiesen oder den Wald. Im Süden sind es eher die Berge. Was jedoch alle suchen: Erholung. Und es stimmt ja auch: Die Hektik der Städte ist schnell vergessen, wenn man unter dem grünen Dach großer Bäume läuft und frische Luft einatmet. Wir genießen offene Lichtungen, in denen das Licht der Sonne bricht oder Nebelschwaden eine märchenhafte Stimmung hervorzaubern.

Im Frühling zwitschern die Vögel, im Herbst erleuchtet vielleicht eine Farbsymphonie bunter Blätter den Weg der Wanderin. Solche erholsamen Aufenthalte lassen sich leicht zum Waldbaden erweitern. Das Wort ist eine Anlehnung an den japanischen Ausdruck shinrin-yoku, was „Eintauchen in die Atmosphäre des Waldes“ bedeutet. Damit ist gemeint, das Reich der Bäume längere Zeit bewusst wahrzunehmen. Es ist also mehr als nur ein Spaziergang oder eine Wanderung. Erfunden wurde Shinrin-yoku in Japan, als man bemerkte, dass die großen Ballungsräume wie Tokio und Yokohama so gut wie keine Grünanlagen aufwiesen. Selbst stadtnahe Baumbestände oder Forste sind in Japan nur selten vorhanden.

Die Begriffe Waldbaden und -therapie sind dabei nicht klar voneinander abgegrenzt und werden meist synonym verwendet. „Waldbaden sollte eigentlich nur für den Aufenthalt von Gesunden im Wald benutzt werden“, betont Immich. „Die Therapie geht darüber hinaus und umfasst naturbasierte therapeutische Maßnahmen an Patienten, durchgeführt von geschultem Fachpersonal.“ Das können verschiedene Anwendungen sein, zum Beispiel für Achtsamkeit und Wahrnehmung, aber auch Atem- oder Bewegungsübungen wie Qigong.

Teil von etwas Größerem

Doch macht es dabei einen Unterschied, ob ich im Park oder auf einer Wiese sitze, am Strand liege oder im Wald spazieren gehe? Und was wirkt besser: Wiese, Park oder Wald? Zunächst zeigen Studien ziemlich eindeutig: Je mehr Grün, desto besser. Mindestens 30 Prozent Grün im Umkreis von 1,6 Kilometern wären ideal. Dann sinkt das Stressgefühl deutlich und man fühlt sich wesentlich erholter. Darüber hinaus belegen einige neuere Forschungsarbeiten, dass Naturräume unterschiedlich wirken: Am besten helfen Wälder, gefolgt von Parkanlagen und dann Gärten und Wiesen.

Für manche Menschen strahlt der Wald aber nicht nur Ruhe und Geborgenheit aus, sondern kann je nach Jahreszeit wegen des gedämpften Lichts dunkel oder sogar bedrohlich wirken. Es überrascht daher nicht, dass der Psychoanalytiker Carl Gustav Jung den Wald dem Archetyp der Mutter zugeordnet hat, die das Leben gebären, aber auch verschlingen kann. Daher sollten Therapeutinnen mit Bedacht den geeignetsten Ort für die Sitzung wählen.

Zu den medizinischen Wirkungen von Aufenthalten im Wald gibt es viele Studien. So haben Wälder unter anderem positive Effekte auf Stress, bei Rückenschmerzen, depressiven Verstimmungen und Angststörungen und regulieren den Blutzucker bei Typ-2-Diabetes. Doch es ist nicht ganz klar, woran das liegt. Es könnte eine Kombination verschiedener Faktoren sein – etwa ein Zusammenspiel der sogenannten Terpene, also bestimmter Aromen der Bäume, der Bewegung, der besseren Luftqualität und des Wechsels von Stille und natürlichen Geräuschen.

Bäume gegen Depression und Blutdruck

Am besten scheinen Bäume gegen Depressionen und zu hohen Blutdruck zu wirken, wie Andreas Michalsen, Professor für klinische Naturheilkunde, in seinem Aufsatz ­Natur als Therapie und Prävention erläutert. Er kritisiert jedoch, dass viele klinische Studien bisher aus Japan und Korea stammen, so dass man gar nicht wisse, ob die Effekte von ­japanischen oder koreanischen Wäldern denen anderer geografischer Regionen und Klimazonen ähneln. „Weitere Limitierungen in der Bewertung der Evidenz ergeben sich durch die überwiegend sehr kleinen Stichproben in diesen Studien und oftmals durch das Fehlen einer Kontrollgruppe im Studiendesign“, schreibt Michalsen.

Die Waldtherapie-Expertin Gisela Immich ergänzt: „Viele Studien arbeiten nur mit Fragebögen und klären zum Beispiel den Grad der Entspannung mit dem Kreuzchenschema ab – ich bin sehr, ich bin ein wenig, ich bin gar nicht entspannt.“ Es gibt nur wenige aussagekräftige Studien über chemische und biochemische Vorgänge in Zellen, Geweben und Organen, die über die Wirkmechanismen von Naturaufenthalten aufklären. Die Effekte auf die Psyche sind hingegen eindeutiger: „Bei den psychischen Aspekten erkennen wir nach Aufenthalten im Wald eine verbesserte Stimmung und Aufmerksamkeit, eine größere Fähigkeit, sich zu entspannen, und eine gesteigerte mentale Resilienz. Das können wir als evident ansehen“, sagt Immich.

Den Begriff Naturtherapie gibt es übrigens seit den 60er Jahren. Er ist nicht geschützt, so dass keine klare Begriffsdefinition existiert. Es gibt auch keinen Berufsverband, der hier Standards festgelegt hat. Manche verstehen darunter ausschließlich Psychotherapie, andere fassen unter den Begriff ebenso die Garten- und Ergotherapie, das Waldbaden, die tiergestützte Therapie oder das Waldtraining von Herz-Kreislauf-Patienten. Sogar die Klimatherapie, also der gute alte Kuraufenthalt am Meer oder in der frischen Bergluft, kann darunterfallen. Gemeinsam ist ihnen, dass sie eine Verbindung mit dem Draußen herstellen.

So sind therapeutische Erlebnisse im Freien oft eindrücklicher und gehen tiefer, weil der ganze Körper beteiligt ist – und man sich als Teil von etwas Größerem sieht. Manchmal kommt es zu Begegnungen mit Tieren oder Bäumen, die Menschen auf eine neue, perspektivverändernde Weise berühren. Und sogar Zwischenmenschliches verändern: „Der Naturraum verändert auch die Beziehung zwischen der Therapeutin und Klientin“, sagt Sandra Knümann. „Im Raum ist der Klient immer nur Gast. Draußen sind sie hingegen auf Augenhöhe, weil dort keiner von beiden ein Hausrecht besitzt.“

Wald, Wiese, Wandel: Vier Bücher für die Seelenpflege im Grünen

Naturtherapie verstehen: Das Standardwerk

Sandra Knümanns Naturtherapie ist 2019 erschienen, aber immer noch ein Standardwerk. Gerichtet ist es an Therapeuten und Therapeutinnen aller Fachrichtungen. Doch Laien kommen mit dem gut lesbaren Sachbuch ebenso bestens zurecht. Immer wieder erläutert Knümann, warum Naturerfahrungen in einer Psychotherapie für viele Menschen segensreich sein können. Ein zentraler Punkt: Klientinnen und Klienten haben die Chance, neue Perspektiven auf ihr Leben zu erhalten. Neun Fallgeschichten zeigen, wie eine Therapie in Wald und Flur abläuft und mit welchen Methoden Therapeuten arbeiten.

Sandra Knümann: Naturtherapie. Mit Naturerfahrungen Beratung und Psychotherapie bereichern. Beltz 2019, 200 S., € 40,–

Zwischen Moos und Meditation

Tief in den Wald tauchen Angela Schuh und Gisela Immich ein. Ausführlich beschreiben sie die gesundheitlichen und therapeutischen Wirkungen der grünen Lungen unserer Erde. Allein das Kapitel über das Waldklima umfasst über 40 Seiten. Einen Schwerpunkt bilden die gesundheitsfördernden Maßnahmen – von achtsamkeitsbasierten Programmen über Meditation, Tai-Chi und autogenes Training bis hin zur Klima- und Kneipptherapie. Kaum Erwähnung finden allerdings psychotherapeutische Methoden. Fazit: Waldtherapie wirkt, besonders um Stress zu reduzieren und um Erkrankungen vorzubeugen.

Angela Schuh, Gisela Immich: Waldtherapie. Das Potenzial des Waldes für Ihre Gesundheit. Springer 2019, 152 S., € 22,99

Waldbaden für Dummies

Die Dummies-Reihe funktioniert fast immer, auch für das Waldbaden. Wie man sich unter Bäumen wohlfühlen kann, zeigt Gesundheitstrainerin Michaela Dalchow in ihrem Buch – anschaulich gestaltet mit vielen Tipps, Übungen und Infokästchen. Berücksichtigt werden dabei unterschiedliche Zielgruppen: Es gibt Anleitungen für gemütlich wie für dynamisch ausgerichtete Menschen, für Gruppen – und sogar für Personen, die bisher keine Verbindung zur Natur verspürt haben. Um ein Fan des Waldbadens zu werden, muss man nur Stille aushalten. Und sich auf Langsamkeit einlassen: „Entschleunigung ist das Zauberwort beim Waldbaden.“

Michaela Dalchow: Waldbaden entdecken für Dummies. Wiley-VCH 2020, 268 S., € 15,–

Grüne Wege zur inneren Ruhe

Vom Denken ins Handeln und Fühlen kommen – das ist die Leitidee der systemischen Therapeutin Suse Schumacher. Ihre Klienten und Klientinnen stecken in einer Lebenskrise oder fühlen sich geistig und körperlich erschöpft. Übungen und Rituale im Reich der Bäume sollen helfen, wieder ins Gleichgewicht zu kommen. Die Autorin verknüpft Fallgeschichten mit Studienergebnissen, aber auch mit eigenen Erfahrungen. Der Mensch fügt sich als stiller Beobachter in das grüne Ökosystem ein. Für Schumacher ist klar: Der Wald vermittelt eine besondere Kraft und eine Spiritualität, die von der Psychologie lange vernachlässigt wurde.

Suse Schumacher: Die Psychologie des Waldes. Selbsterkenntnis, Neuorientierung und innerer Frieden durch Waldcoaching. Kailash 2024, 256 S., € 24,–

Quellen

Sandra Knümann: Naturtherapie. Mit Naturerfahrungen Beratung und Psychotherapie bereichern. Beltz 2019

Angela Schuh, Gisela Immich: Waldtherapie. Das Potenzial des Waldes für Ihre Gesundheit. Springer 2019

Michalsen, A. (2020). Wald und Natur in Prävention und Therapie. Zeitschrift für Komplementärmedizin, 12(2), 12-17

Sandra Knühmann: Eine Psychotherapie ist kein Spaziergang! Oder doch? Psylife.de, online 14.02.2025

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Bayerisches Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz: Modellprojekt „Green Care“ stärkt die psychische Gesundheit. Stmuv.bayern.de, online 28.06.2023

Sandra Knühmann: Im Wald wachsen nicht nur Bäume, sondern auch Menschen. Pan-Praxis, online 14.02.2025

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Dieser Artikel befindet sich in der Ausgabe: Psychologie Heute 10/2025: Heil bleiben im Beruf