Phil Dunphy aus der amerikanischen TV-Serie Modern Family ist ein lebenslustiger Immobilienmakler und ein humorvoller Vater. Aber wenn es um Clowns geht, versteht er keinen Spaß. Sobald Phil einen Komiker mit geweißtem Gesicht, roter Knollennase und übergroßen Schuhen sieht, überfällt ihn Todesangst. Das ist schon unangenehm genug. Doch sein Schwager Cameron Tucker ist auch noch ein enthusiastischer Hobbyclown, der bei den Familientreffen gerne in voller Montur auftaucht.
Für die Sitcomserie ist ein…
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Hobbyclown, der bei den Familientreffen gerne in voller Montur auftaucht.
Für die Sitcomserie ist ein Protagonist, den bei dem Anblick eines einen Clown spielenden Verwandten Panik überfällt, ein dramaturgischer Segen. In einer Folge muss Phil eine familiäre Geburtstagsparty fluchtartig verlassen, weil Cameron wieder als Clown erscheint, um die Kinderschar zu unterhalten. In einer anderen Szene stolpert Phil mit kalkweißem Gesicht aus dem Krankenhauszimmer, in dem sein Sohn liegt, nachdem sein verkleideter Schwager plötzlich in Erscheinung getreten ist.
Herzrasen wegen dem maskierten Spaßvogel
Aber die Angst vor Clowns ist mehr als ein TV-Gimmick. Studien zeigen, dass Coulrophobie – so der Fachbegriff – in vielen Kulturen vorkommt und sowohl Kinder als auch Erwachsene darunter leiden können. Im DSM-5, einem wichtigen Klassifikationssystem für psychische Störungen, wird die Angst vor Clowns nicht ausdrücklich erwähnt, man kann sie aber unter die Kategorie „andere spezifische Phobien: kostümierte Figuren“ fassen. Bislang wusste man relativ wenig darüber, warum manchen Menschen beim Anblick der maskierten Spaßvögel das Herz in die Hose rutscht. Neuere Forschung jedoch geht den Ursprüngen dieser ungewöhnlichen Phobie genauer auf den Grund.
Wie viele Menschen fühlen sich unwohl oder gar panisch, wenn sie einem dummen August begegnen? Studien kommen zu recht unterschiedlichen Ergebnissen. Hierzulande fürchten sich laut einer repräsentativen Umfrage von YouGov aus dem Jahr 2022 etwa 11 Prozent vor den grellen Kunstfiguren. Genauso weit verbreitet ist demnach die Arachnophobie, die Furcht vor Spinnen. Jeder Vierte reagiert wiederum auf Zombies mit Herzrasen und Gänsehaut.
Eine ältere Befragung von 2007 unter amerikanischen Studenten und Studentinnen ergab einen Anteil von nur 1,5 Prozent an Angsthasen. In dem jährlichen Survey of American Fears der kalifornischen Chapman University gaben 5,6 Prozent (2020/2021) beziehungsweise 17 Prozent (2019) der Befragten an, Furcht oder große Furcht vor Clowns zu haben. Die große Bandbreite der Zahlen mag daran liegen, dass in diesen Studien nur indirekt nach Clowns gefragt wurde.
Krankenhausclowns erschrecken das Personal
Interessant ist eine Onlineuntersuchung der University of South Wales von 2022, die besonders systematisch vorging. An der Umfrage nahmen 987 Erwachsene aller Altersgruppen und unterschiedlicher geografischer Herkunft teil, die direkte Fragen zur Coulrophobie beantworteten. Gut 53 Prozent der Teilnehmenden gaben an, Angst vor Clowns zu haben. Rund 5 Prozent beschrieben ihre Angst als extrem, etwa 14 Prozent als moderat und die restlichen 34 Prozent als leicht. Frauen waren stärker betroffen als Männer. Studienteilnehmende, die in asiatischen Ländern geboren waren, fürchteten sich am meisten, gefolgt von Briten und Befragten, die aus Australien oder Ozeanien kamen. Interviewte aus Nord- und Südamerika, Kontinentaleuropa und Afrika waren am wenigsten ängstlich.
Was ist mit Clownangst bei Kindern und Jugendlichen? Die Forschung in dieser Gruppe konzentriert sich weitgehend auf sogenannte medizinische Clowns, die in Kinderstationen auftreten, um den jungen Patienten und Patientinnen und ihren Eltern in einer schwierigen Situation unbeschwerte Momente zu verschaffen. Damit scheinen sie überwiegend Erfolg zu haben, wie Studien aus verschiedenen Ländern zeigen.
Doch die Krankenhausclowns rufen auch negative Reaktionen hervor. Forschende aus Deutschland beispielsweise berichteten, dass etwa ein Prozent der auf den Stationen liegenden Kinder sich aus Angst weigerten, einen Clown an ihr Krankenbett kommen zu lassen. Und eine britische Studie fand heraus, dass die verkleideten Quatschmacher rund 6 Prozent der Jüngeren nicht geheuer waren. Auch manche Eltern und Mitglieder des medizinischen Personals, so zeigen diese Studien, fühlten sich in der Gegenwart der Clowns unbehaglich.
Erfahrung vom Clown im Gebüsch
Was den Clownphobiker Phil Dunphy aus Modern Family betrifft, wird in der Serie die plausibelstmögliche Erklärung angeboten: Als Kind, so hat es der Protagonist von seiner Mutter gehört, habe er einmal im Gebüsch einen toten Clown gefunden. Dunphy ist sich allerdings nicht so sicher, ob seine Ängste wirklich daher kommen. Was sagt die Wissenschaft?
Das Forscherteam von der University of South Wales lotete die Ursachen für Clownangst genauer aus. In einer weiteren Studie legte es den rund 530 Befragten, die zumindest ein gewisses Maß an Furcht kannten, einen speziell konzipierten Fragebogen vor. Dieser orientierte sich an acht möglichen Erklärungen für Coulrophobie, die in der Wissenschaft diskutiert werden und in drei grobe Kategorien fallen: das Aussehen von Clowns, ihr Verhalten sowie Lernerfahrungen. Die Antworten offenbarten: Alle Kategorien sind für die Entstehung von Coulrophobie relevant; dabei kommt es allerdings auf die Feinheiten an.
Es ist ein Stalker und Mörder
Fangen wir mit dem Thema Lernen an. Nach Rachmans Konditionierungstheorie gibt es drei Wege, eine Phobie zu „lernen“: Die Furcht ist das Resultat einer früheren beängstigenden Erfahrung, man hat sie von den Eltern oder anderen Bezugspersonen übernommen oder sie rührt von grauenerregenden Darstellungen in den Medien oder der Populärkultur her.
Für das Team von der University of South Wales überraschend landeten negative persönliche Erfahrungen auf dem letzten Platz. Unangenehme Begegnungen – wie einen toten Clown im Gebüsch zu finden – mögen im Einzelfall relevant sein, insgesamt aber könnten solche seltenen Erlebnisse in den meisten Fällen die Entstehung von Coulrophobie kaum erklären, heißt es im Studienbericht. Ebenfalls relativ wenig Zustimmung erhielten Fragen nach Familienmitgliedern oder guten Freunden und Freundinnen, von denen man Clownangst gelernt haben könnte.
Ganz anders dagegen sah es bei negativen Darstellungen in Medien und Kultur aus. So stießen Aussagen wie „Ich habe gruselige Filmszenen mit Clowns gesehen“ und „Ich habe in den Medien Berichte über als Clown verkleidete Leute gelesen, die anderen Schaden zufügen wollen“ bei den Teilnehmenden auf hohe Resonanz. Schilderungen von „bösen Clowns“ – egal ob erfundene Gestalten wie Pennywise, der bösartige Protagonist aus Stephen Kings Thriller Es, oder reale Bösewichte wie Stalker, Vergewaltiger oder Mörder, die sich als Clowns tarnen – scheinen also ein wichtiger Faktor bei der Entstehung von Coulrophobie zu sein.
Kalkweiß und grellrot
Doch ein Clown muss gar nicht unbedingt unheimlich oder böswillig sein, um jemanden den Angstschweiß auf die Stirn zu treiben. „Nicht wenige Menschen ängstigen sich vor Ronald McDonald, dem Maskottchen dieser Fastfoodkette“, schreibt das Team der University of South Wales, „und der ist eigentlich nicht als furchteinflößende Gestalt gedacht.“ Dies deute darauf hin, dass an dem Aussehen von Clowns etwas Grundlegenderes ist, das Menschen verunsichert.
In der Tat identifizierte das Team das Make-up von Clowns als wichtigste Wurzel von Clownangst. Da das Gesicht eines Clowns bis zur Unkenntlichkeit geschminkt ist, kann man seinen „wahren Gesichtsausdruck“ nur schwer lesen. Emotionale Signale blieben einem verborgen, so dass man nicht abschätzen könne, was seine Motive sind. „Man weiß beispielsweise nicht, ob ein Clown seine Stirn runzelt, was auf Wut hinweisen würde“, erläutert das Team.
Andere Aspekte des Clown-Make-ups, beispielsweise die kalkweiße und grellrote Farbe, die an Tod beziehungsweise Blut denken lasse und so Ekel hervorrufen könnte, oder die übertriebenen Gesichtszüge wie das superbreite Grinsen und die hochgezogenen Brauen, die bedrohlich wirken könnten, scheinen eine weniger wichtige Rolle bei der Entstehung von Coulrophobie zu spielen, wie die Antworten der Teilnehmenden zeigten.
Das unvorhersehbare Verhalten von Clowns dagegen stellte sich als weiterer wichtiger Faktor heraus. So trafen entsprechende Fragen bei den Teilnehmenden auf hohe Zustimmung. Sie sorgten sich, dass ein Clown sie verhohnepipeln oder ihnen einen gemeinen Streich spielen könnte. „Nicht erkennen zu können, was Clowns denken oder als Nächstes tun werden, macht manche Menschen nervös, wenn sie in ihre Nähe kommen“, resümieren die Forschenden.
Creepy Reptilien im Büro
Die Unsicherheit darüber, was man von einem Clown zu erwarten hat und wie man mit ihm umgehen soll, scheint manchen Menschen sehr zu schaffen zu machen. Dies bestätigt auch eine Untersuchung von Frank McAndrew, Psychologieprofessor am Knox College, die er im Onlinemagazin The Conversation vorgestellt hat. Eigentlich ging es in der Studie um die generelle Frage, unter welchen Bedingungen man eine Person als gruselig (creepy) empfindet, aber die Ergebnisse sind auch hilfreich, um Clownangst zu verstehen.
Für die Onlineuntersuchung rekrutierte McAndrew 1341 Freiwillige im Alter von 18 bis 77 Jahren und bat sie anzugeben, ob eine „gruselige Person“ für sie durch ganz bestimmte Merkmale gekennzeichnet sei. Zu den dann 44 abgefragten Eigenschaften gehörten beispielsweise die Neigung zu einem ungewöhnlichen Blickkontakt, ein merkwürdiges Verhalten wie zum Beispiel das Mitbringen von Reptilien ins Büro oder aber körperliche Auffälligkeiten wie Tätowierungen. Es zeigte sich, dass insbesondere eine gewisse Unvorhersehbarkeit wichtiger Bestandteil von Creepiness ist und dass nonverbale Verhaltensweisen – wie beispielsweise andere anzustarren oder im Gegenteil niemals Blickkontakt aufzunehmen – den Gruseldetektor von Menschen anspringen lassen.
Unbehagen vor der Uneindeutigkeit
Ungewöhnliche körperliche Merkmale wie große Augen, ein eigenartiges Lächeln oder übermäßig lange Finger allein führten nicht dazu, dass man jemanden als unheimlich empfindet, erläutert McAndrew: „Aber seltsame Körpermerkmale können alle anderen gruseligen Tendenzen verstärken, die eine Person möglicherweise an den Tag legt.“ Als Frank McAndrew bat, den „Gruselfaktor“ von 21 Berufen zu bewerten, landeten – man ahnt es schon – Clowns ganz oben auf der Liste.
Die Uneindeutigkeit eines Clowns (ist er nur seltsam oder vielleicht gefährlich?) erzeuge bei manchen Menschen eine Gänsehaut, erläutert McAndrew. „Clowns scheinen fröhlich zu sein, aber sind sie es wirklich? Weil sie schelmisch und schadenfroh sind, muss man ständig auf der Hut sein. Wenn man es mit einem Clown zu tun hat, weiß man nie, ob man gleich eine Torte ins Gesicht bekommt oder Opfer eines anderen demütigenden Streichs wird.“ Die ungewöhnliche Optik des Clowns – die Perücke, die rote Nase, das Make-up, die seltsame Kleidung – verstärke noch die Unsicherheit darüber, was der Clown als Nächstes tun werde.
Die ambivalente Bedrohlichkeit von Clowns nutzten die Produzenten von Modern Family geschickt aus. In einer Szene fährt Phils Schwager Cameron als Clown verkleidet mit seinem Partner Mitchell an eine Tankstelle. Während Mitchell den Wagen betankt, wird er von einem anderen Autofahrer angemacht und wüst beschimpft. Der sanfte Mitchell ist bereit, das Feld zu räumen. Doch da tritt Cameron auf den Plan und baut sich vor dem Bully auf. Sein Clowngesicht scheint zu lachen, aber seine Worte sprechen eine andere Sprache. „Entschuldige dich sofort bei meinem Boyfriend!“, schreit er den Autofahrer an. Verwirrt und ängstlich gehorcht der Mann diesem aggressiven Clown und sucht dann schnell das Weite. Beim Einsteigen zieht Cameron einen großen bunten Kinderwecker aus der Tasche seiner Clownshose. „Wir müssen uns beeilen, sonst kommen wir zur Familienfeier zu spät“, sagt er ohne Arg zu Mitchell, als sei nichts gewesen.
Quellen
Umfrage YouGov: https://de.statista.com/ (zuletzt aufgerufen: 27.10.2023)
Frank McAndrew: The psychology behind why clowns creep us out, The Conversation, 28. September 2016. https://theconversation.com/the-psychology-behind-why-clowns-creep-us-out-65936 (zuletzt aufgerufen: 12.07.2023)
Sophie Scorey u.a.: This Is Why We’re Afraid of Clowns. The Conversation, 7. März 2023. https://www.scientificamerican.com/article/the-weird-reason-were-afraid-of-clowns/ (zuletzt aufgerufen: 12.07.2023)
P.J. Tyson u.a.: Fear of clowns: An investigation into the prevalence of coulrophobia in an international sample, International Journal of Mental Health, Vol. 52(2), 2022. DOI: 10.1080/00207411.2022.2046925
P.J. Tyson u.a.: Fear of clowns: An investigation into the aetiology of coulrophobia. Frontiers in Psychology, Vol.14, 2023, 1109466. DOI: 10.3389/fpsyg.2023.1109466