„Na, wie bin ich?“ - Fünf Wege zu mehr Selbstwertgefühl

Psychologie nach Zahlen: Vertrauen Sie genug in Ihre eigenen Fähigkeiten? Wir stellen vier Hilfestellungen vor, um mehr Selbstbewusstsein zu entwickeln

Die Illustration zeigt eine Frau die fröhlich auf einer Waage sitzt, ihr gegenüber sind als Gegengewicht viele rote Herzen
Bringen wir uns unsere Fähigkeiten mit unserem Selbst in Waage, können wir zu mehr Selbstliebe finden. © Till Hafenbrak für Psychologie Heute

Der Selbstwert ist die Überzeugung eines Menschen von den eigenen Stärken, dem eigenen Wert. Es geht idealerweise darum, sich seiner selbst wohlwollend bewusst zu sein und sagen zu können: „Ich bin gut, so wie ich bin!“ Das zeigt sich oft in selbstsicherem Auftreten. Nicht wenigen Menschen mangelt es jedoch an Selbstwert, sie wähnen sich voller Mängel. Wie kann man zu einer positiven, aber nicht geschönten Einstellung sich selbst gegenüber kommen?

1 Stärken und Schwächen erkunden

Die Basis der eigenen Wertschätzung ist das Selbstbild. Diese Selbsteinschätzung formt sich aus einer Art Eigenanamnese (Was kann ich? Woran scheitere ich öfter?) sowie einer Fremdanamnese, also den Rückmeldungen, die wir in Form von Kritik oder Lob von unserem Umfeld erhalten.

Und wenn man häufig mit sich hadert? Dann kann es sinnvoll sein, seine Stärken, Talente und besonderen Fähigkeiten aufzuschreiben und dies jedes Mal aus der Schublade zu kramen, sobald Selbstzweifel aufkommen. Genauso lohnt sich jedoch, auch die eigenen Schwächen aufzuschreiben, Dinge, die einem schwerfallen. Dann kann man sich überlegen, an welchen dieser Schwächen man arbeiten möchte und mit welchen man „gut leben kann“.

Fragen wie diese können bei der Selbsteinschätzung helfen: Was schätzen andere Menschen besonders an mir? Welche Dinge fallen mir leicht? Worin habe ich Schwierigkeiten? Was habe ich im Leben bereits geleistet und erreicht?

Laut der Selbstpsychologie, die auf den Psychiater und Psychoanalytiker Heinz Kohut zurückgeht und in den 1960er Jahren konzipiert wurde, verhindert ein verzerrtes Selbstbild einen guten Kontakt zu sich selbst und seiner Umwelt. Es ist also für uns und unsere zwischenmenschlichen Beziehungen äußerst wichtig, ein gesundes und realistisches Selbstbild zu haben. Vor allem Menschen mit brüchigem Selbstwert versuchen oftmals, das vermeintliche Defizit durch besondere Leistung zu kompensieren, was in ein Burnout münden kann.

2 Sich nicht alles glauben

Glaubenssätze über uns selbst haben ihren Ursprung in unserer Biografie, oft schon in der Kindheit. Fatal ist es, wenn ein Kind die Überzeugung verinnerlicht, nichts wert zu sein. Solche Überzeugungen sitzen oft tief und arbeiten unterschwellig gegen uns. Es kann somit hilfreich sein, sich seine negativen Glaubenssätze bewusstzumachen und an ihnen zu arbeiten. Hier eine Übung dazu:

Als Erstes wird der negative Glaubenssatz notiert. Welcher Gedanke ist es, der belastet und am Selbstwert nagt? Im Anschluss werden alle Erfahrungen mit anderen Menschen, die zu diesem Glaubenssatz geführt haben, schriftlich festgehalten. Und nun fragen wir uns: Wie würde unser „persönlicher Held“ – ein Mensch, den wir schätzen und der uns seinerseits wohlgesonnen ist – diesen Glaubenssatz bewerten und uns ermutigen? Durch welche Sätze spendet der Held oder die Heldin Mut, Motivation und Freude? Diese Heldengestalt kann etwa ein guter Freund sein, eine frühere Lehrerin oder auch eine fiktive Figur. Im „Reframing“ wird nun der alte Glaubenssatz neu bewertet und auf realistische Weise positiv umformuliert.

3 Grenzen setzen

Sich selbst und anderen Grenzen zu setzen beugt einer Überforderung vor. Es ist damit ein Akt der Selbstliebe und hält uns gesund. Um Grenzen zu setzen, müssen wir unsere Bedürfnisse gut kennen und sie anderen mitteilen. Es gibt dazu zwei einfache Leitfragen: Wann fühle ich mich wohl? Wann fühle ich mich unwohl? Also: den Fokus auf die Bedürfnisse und Grenzen richten. Werden diese tatsächlich eingehalten?

Ein unverzichtbares Mittel, um anderen Grenzen zu setzen, ist das Neinsagen. Es erfordert am Anfang erstaunlich viel Mut, einer anderen Person mit einem „Nein“ eine Forderung oder eine Bitte abzuschlagen. Doch jedes Nein, das uns durch das Setzen einer Grenze vor Überlastung schützt, ist ein Ja zu uns selbst. Wer will, kann das mal vor dem Spiegel üben: „Ich möchte das nicht!“ „Nein, das werde ich nicht tun!“

4 Bewegung und Haltung

Sport steigert das Selbstwertgefühl. Zu diesem Ergebnis kommen zahlreiche Studien. Wie ist das zu erklären?

Robert Sonstroem und William P. Morgan gaben bereits 1989 eine wissenschaftliche Antwort auf diese Frage. Durch Sport wird erst der eigene Körper positiver bewertet, im Anschluss auch die Attraktivität, bis sich die positivere Bewertung schließlich noch auf weitere Bereiche des Selbst ausbreitet.

Sport beeinflusst ferner die Körperhaltung eines Menschen, und diese wiederum kann dessen Psyche beeinflussen. Das belegten Forschende der Universitäten in Halle, Bamberg und Ohio in einer Metaauswertung von Studiendaten. Dabei zeigte sich, dass es einen Zusammenhang zwischen einer aufrechten Körperhaltung und einer positiveren Selbstwahrnehmung gibt. Sport wirkt sich also positiv auf den Körper sowie die Körperhaltung aus – und beides hebt den Selbstwert.

Die folgenden Fragen können dabei hilfreich sein, den eigenen Körper bewusster wahrzunehmen: Wie sitze ich? Wie stehe ich? Wie bewege ich mich? Schaue ich beim Gehen geradeaus nach vorn oder eingesunken auf den Boden? Wie klingt meine Stimme? Welche Mimik zeigt mein Gesicht?

5 Sich freimachen von der Meinung anderer

Es gibt leider keinen Schalter, den wir bloß umlegen müssten, um uns von dem Urteil anderer freizumachen. Denn in der Evolution des Sozialwesens Mensch war die Meinung der anderen für unser Überleben notwendig. Dieser Mechanismus ist heute noch in unserem Nervensystem verankert: Ein positives Feedback von einer anderen Person aktiviert in unserem Gehirn das Belohnungssystem erstaunlich stark. Dennoch können wir uns ein Stück weit freimachen von der Meinung anderer, indem wir uns bewusstmachen, dass wir unseren Selbstwert eigenständig bestimmen dürfen – siehe Punkt eins.

Julia Friederike Sowislo und Ulrich Orth zeigten 2013 an der Universität Basel in einer Metaanalyse von Langzeitstudien, dass ein geringes Selbstwertgefühl die Anfälligkeit für Depression und Angst erhöht. Sie plädieren für eine Förderung des Selbstbewusstseins innerhalb von Psychotherapien. Ob erkrankt oder gesund: Alle können von einem starken Selbstwert profitieren.

Sabrina Fröhlich ist systemische Kinder-, Jugend- und Familienberaterin und Psychotherapeutin nach dem Heilpraktikergesetz.

Quellen

R. J. Sonstroem, W. P. Morgan: Exercise and selfesteem: Rationale and model. Medicine and Science in Sports and Exercise 21/3, 1989, 329–337

R. Körner, L. Röseler, A. Schütz, B. J. Bushman: Dominance and prestige: Meta-analytic review of experimentally induced body position effects on behavioral, self-report, and physiological dependent variables. Psychological Bulletin (2022).

J. Sowislo. U. Orth: Does low self-esteem predict depression and anxiety? Psychological Bulletin 139/1, 2013, 213–40

Jürgen Koeslin, Sonja Streiber: Psychiatrie und Psychotherapie für Heilpraktiker. Elsevier, 2015

Sigurd Baumann: Psyche in Form. Sportpsychologie auf einen Blick. Meyer & Meyer Sport, 2011

Achim Conzelmann, Frank Hänsel: Sport und Selbstkonzept: Struktur, Dynamik und Entwicklung. Hofmann, 2008

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Dieser Artikel befindet sich in der Ausgabe: Psychologie Heute 11/2023: Paartherapie
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