Frederike Süß (Name geändert) dachte an nichts Böses, als sie 2020 zuerst im oberen Rücken und dann, fast ausschließlich im Sitzen, heftige Schmerzen im ganzen Oberkörper bekam. Das hätten „normale Rückenprobleme“ sein können, wie sie Millionen Menschen haben. Doch im Falle der Architektin im öffentlichen Dienst stand nach langwierigen Untersuchungen 2021 die begründete Verdachtsdiagnose „Morbus Bechterew“ im Raum. Das ist eine entzündliche Rheumaerkrankung, die in der Regel nicht mehr verschwindet: eine…
Sie wollen den ganzen Artikel downloaden? Mit der PH+-Flatrate haben Sie unbegrenzten Zugriff auf über 2.000 Artikel. Jetzt bestellen
Bechterew“ im Raum. Das ist eine entzündliche Rheumaerkrankung, die in der Regel nicht mehr verschwindet: eine chronische Erkrankung. Frederike Süß’ Körper durchfuhr bei jeder Bewegung ein intensiver Schmerz und im Tagesverlauf wurde es immer schlimmer. Parallel wurden die Blicke der Kolleginnen und Kollegen immer fragender, als sie manche Dinge nicht mehr erledigen konnte.
Dann kamen Corona und das Homeoffice: „Für mich fast ein Glücksfall, weil die anderen nicht sehen konnten, wie ich stocksteif am Schreibtisch gesessen habe, wie ich vom Stuhl aufgestanden bin, was das alles für eine Quälerei war.“ In der Folge verstärkten sich Frederike Süß’ Schmerzen ins Unerträgliche: „Ich konnte die vollen Arbeitstage kaum noch durchhalten.“ Letztlich mündete die Pein darin, dass sie monatelang krankgeschrieben wurde. Danach geriet die junge Frau unter noch stärkeren inneren Druck.
Minderwertigkeitsgefühle bekämpfen
Ereignisse wie diese passieren häufig, denn chronische Erkrankungen sind weit verbreitet: Ein Drittel bis die Hälfte der Deutschen (je nach Untersuchung) sind von länger andauernden Krankheiten wie Krebs, Rheuma, Diabetes, Atemwegserkrankungen oder Depression betroffen. Es handelt sich um lange, teils gar nicht mehr verschwindende Erkrankungen, die nicht infektiös sind, die langsam fortschreiten und eine kontinuierliche Behandlung über Jahre oder Jahrzehnte erfordern. Ein tiefgreifender Einschnitt im Leben, der sich auch auf den Job auswirkt. So wachsen gerade in der Anfangsphase nach der Diagnose Sorgen und Ängste.
Zuallererst zweifeln viele an der eigenen Leistungsfähigkeit und haben das Gefühl, keine vollwertige Arbeitskraft mehr zu sein. Das alles umso stärker, je mehr einem der Job im bisherigen Leben bedeutet hat. Und alles verbunden mit der Befürchtung, dass man als faul, inkompetent oder unmotiviert wahrgenommen werden könnte – wegen häufiger Fehlzeiten und der Leistungseinbußen, etwa durch ständige Schmerzen und Erschöpfung (ein Zeichen vieler chronischer Leiden). „Oft plagen die Betroffenen schwere Schuldgefühle, wenn es darum geht, ein Teamplayer zu sein, ihren ‚gerechten Anteil‘ an der Arbeitslast zu tragen oder weil sie eine Sonderbehandlung erfahren“, sagt Sabine Schipper, Geschäftsführerin des Landesverbands Nordrhein-Westfalen der Deutschen Multiple-Sklerose-Gesellschaft. „Absolut“, bestätigt Patientin Frederike Süß, „es ist mir unheimlich schwergefallen, so lange arbeitsunfähig zu sein.“
Um den so gesunkenen Selbstwert wieder in Balance zu bringen, „geht es erst einmal um Akzeptanz der Erkrankung als Teil des künftigen Lebens“, erläutert Psychotherapeutin Schipper, die schon viele Patientinnen in dieser Lage betreut und beraten hat. Und mehr noch: Oft seien bestimmte Aspekte des Daseins, aber auch bestimmte Fähigkeiten als Arbeitnehmer durch die Erkrankung gar nicht eingeschränkt. „Genau diese Fähigkeiten gilt es zu finden, um ein Gefühl der Minderwertigkeit zu bekämpfen“, sagt Schipper, „da muss man Befürchtungen und Realität abgleichen.“
Ein Beispiel: „Wenn jemand schon immer gut strukturiert war und immer gut planen konnte, dann verliert er oder sie das meist nicht durch die chronische Krankheit, sondern kann das weiter nutzen.“ Das Gleiche gilt für die kommunikativen Fähigkeiten. Kurzum: Stärken fördern, die die Krankheit nicht kleinkriegen kann. Frederike Süß sagt: „Meine Arbeitsweise hat sich verändert. Ich bin deutlich weniger perfektionistisch, sondern in Bezug auf die Aufgaben viel entspannter und pragmatischer geworden. 80 Prozent statt 100 reichen auch meistens. Leistungsorientiert bin ich immer noch, aber effizienter, mit einem besseren Blick fürs Wesentliche.“
Vom Leid erzählen
Um all die Ängste und Sorgen vor dem Hintergrund der Symptome einer chronischen Erkrankung anzugehen, kann zum Beispiel eine Beratung der Patienten-Selbsthilfeverbände helfen sowie das Gespräch mit Betroffenen, die in der gleichen Situation gesteckt haben. Am besten aber sind Trainings, Coachings und kognitive Verhaltenstherapien im Gruppensetting, die alle komplexen Bedürfnisse der Betroffenen adressieren.
Mögliche Ziele: Wie kann ich meine Arbeitsfähigkeit und Erschöpfung überhaupt richtig wahrnehmen? Wie kann ich am besten erklären, was ich empfinde angesichts der Tatsache, dass viele Betroffene eine Art Barriere zwischen sich und vermeintlich gesunden Kolleginnen spüren? Wie gehe ich vor, wenn ich mich von den Kollegen gemobbt fühle? Wie kann ich erkennen, dass ich selbst ungerecht gegenüber den anderen bin, die in meiner Abwesenheit meine Arbeit mit übernehmen mussten, daher selbst überlastet sind und mich deshalb vielleicht unbedacht beleidigt haben?
„Gerade der Umgang zwischen chronisch Kranken und ihren gesunden Kolleginnen gehört auch in firmeninterne Fortbildungen“, sagt Sabine Schipper, „Trainings, Coachings und Verhaltenstherapien sind aber besser bei externen Anbietern aufgehoben. Denn viele Betroffene haben doch Angst, wenn Coachin und Therapeut im eigenen Unternehmen angestellt sind.“
Das alles setzt aber voraus, dass ein chronisch kranker Mensch Arbeitgeber und Kolleginnen überhaupt von seinem Leiden erzählen möchte. Rein arbeitsrechtlich sind die Betroffenen dazu nicht verpflichtet – mit Ausnahme der Situation, dass während der Arbeitszeit gesundheitliche Symptome auftreten, die zu Selbst- oder Fremdgefährdung führen könnten. Aber ist es praktischerweise sinnvoll, offen zu sein, gerade wenn die Erkrankung äußerlich nicht erkennbar ist?
Eine innere Zerrissenheit
„In einigen Studien“, erklärt Mathilde Niehaus, Expertin von der Universität zu Köln für chronische Erkrankungen im Beruf, „wurden Zusammenhänge zwischen chronischen Erkrankungen und dem Wechsel in ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis, Phasen der Arbeitslosigkeit, Bezug von Erwerbsminderungsrenten und Verringerung der Arbeitszeit gezeigt. Chronische Erkrankungen können also ein ernst zu nehmendes Erwerbs- und Einkommensrisiko darstellen.“ Genau das fürchten viele der Betroffenen.
Ginge der Job verloren, wäre zudem die sinnstiftende und symbolische Bedeutung von Arbeit gefährdet – und damit ein psychosoziales Momentum. Eine Erwerbstätigkeit strukturiert den Alltag, ermöglicht Begegnungen mit Menschen, verkörpert Normalität und ist tief im sozialen Wertesystem unserer Gesellschaft verwurzelt. Für Frauen vor allem schafft sie ein Stück Unabhängigkeit.
Im Falle von Frederike Süß sprach ein weiteres Argument gegen Offenheit: „Ich hatte mich hausintern auf eine andere Stelle beworben, eine Weiterentwicklung, die sich jahrelang angebahnt hatte. Das war mein Ding, ich wollte diese Stelle haben. Und in dieser Situation mit einem laufenden Bewerbungsverfahren, da wollte ich nicht kommen mit: ‚Eigentlich bin ich chronisch krank.‘ Das war ein sehr belastendes Spannungsfeld: Gesundheitlich ging’s zu dem Zeitpunkt immer mehr bergab, beruflich aber genau in die andere Richtung. Das hat mich extrem belastet, weil man andererseits das Gefühl hat, Leuten etwas zu verheimlichen, mit denen man täglich zu tun hat.“ Es ist das Gefühl der inneren Zerrissenheit: Sag ich’s? Oder lieber nicht?
Eine Sache der Selbstanalyse
„Darauf gibt es leider keine allgemeingültige Antwort“, sagt Sabine Schipper, „da braucht es ein Stück weit Selbstanalyse, um zu schauen: Wie bin ich aufgestellt, wie verhält sich das Unternehmen, in dem ich arbeite, in solchen sozialen Fragen, wie sind meine weiteren geplanten Karriereschritte? Kann es mir auf die Füße fallen, wenn ich offen bin? Ist es vielleicht sogar besser, wenn ich den Job wechsele?“ Das kann dann sinnvoll sein, „wenn ich nicht mehr richtig schlafen kann, wenn ich an meinen Arbeitsplatz denke, wenn ich morgens schon mit Bauchschmerzen dahin gehe, wenn ich jeden Tag von meinem Arbeitsplatz aufstehe und das Gefühl habe, dass ich die ganzen Aufgaben nicht erledigt habe, oder ich merke, dass die Atmosphäre mir nicht guttut und das auch so bleibt. Dann wird das auf Dauer schädlich für meine Gesundheit insgesamt.“
Abermals verweist Schipper auf eine Beratung bei den Selbsthilfeverbänden, „die ja versierte Sozialarbeiterinnen und Psychologen haben und auf die individuelle Lage der Betroffenen eingehen, die die Persönlichkeitsstruktur des Menschen analysieren, auch wie stark dessen Ängste vor Scham, Stigmatisierung und Peinlichkeiten sind“. Das gelte vor allem bei Krankheiten, die mit intimen beziehungsweise Tabuthemen behaftet sind. Zum Beispiel bei HIV/Aids oder chronisch entzündlichen Darmerkrankungen.
„Dann“, so Schipper, „sollte man berücksichtigen, wie lange und stark jemand im Betrieb verwurzelt ist und wie das Klima in der Firma aussieht.“ Forschende aus Australien wollten jüngst in einer Studie wissen, wie offenherzig chronisch erkrankte Führungskräfte im Betrieb mit ihrem Gesundheitszustand umgehen. Ergebnis: 28 Prozent der Befragten hüllten sich komplett in Schweigen, nur 18 Prozent der Teilnehmenden informierten Kolleginnen und Vorgesetzte umfassend, und 54 Prozent der Betroffenen entschieden sich für eine Art häppchenweise Preisgabe.
Vertrauen und Verständnis fördern
Auch Frederike Süß ist letztlich strategisch vorgegangen, mit einer „Geschichte“, wie sie sagt: „Das hört sich jetzt so nach Lügengeschichte an, und so habe ich mich auch gefühlt. Aber das war’s nicht. Ich habe mir richtig überlegt: Wie viel kann ich sagen? Wie viel will ich sagen? Wie viel muss ich sagen? Und was lasse ich lieber weg, ohne dass es komisch wirkt?“ Gesprochen hat sie letztlich von Rückenproblemen noch unklaren Ursprungs, weil es sich auch 2023 noch um eine (wenn auch sehr wahrscheinliche) Verdachtsdiagnose handelte: „Und dass ich die Hoffnung habe, dass es noch mal deutlich besser wird. Das stimmte ja auch. Dass die Beschwerden nicht weggehen, das wusste ich auch, habe ich dann aber lieber für mich behalten. Da eiert man innerlich total herum. Das war total belastend, weil ich gegenüber meinen Kollegen das Gefühl hatte, ich veräppele die.“
Zumindest in der australischen Studie stellte sich auch heraus, dass diese Form der strategischen Ehrlichkeit wohl am besten ist. Was Frederike Süß bestätigt: „Seit meiner Reha 2023 war für mich klar: Jetzt muss ich mich von dieser inneren Zerrissenheit befreien, ich muss klar Schiff machen. Nicht im Sinne, dass ich jetzt jedem alles erzähle, aber einigen wenigen ausgewählten Personen auf der Arbeit, meinen Vorgesetzten und einer Vertrauensperson in der Personalabteilung, die mich auch in den Wiedereingliederungen begleitet hat. Und nach und nach einzelnen Kolleginnen, mit denen sich ein Gespräch ergeben hat und wo das tatsächlich gepasst hat. Seitdem das raus ist, fühle ich mich wie befreit. Man muss ja nicht pausenlos drüber reden, aber man kann. Ich habe auch das Gefühl, dass es an keiner Stelle etwas Negatives bewirkt hat.“
Den australischen Wissenschaftlern zufolge hing die Bereitschaft, sich zu öffnen, wesentlich von der psychologischen Sicherheit ab, die bei dem jeweiligen Arbeitgeber herrschte. Je eher die Betroffenen glaubten, dass ihrem Unternehmen das Wohlergehen seiner Beschäftigten wichtig war, desto eher machten sie ihre Krankheit öffentlich. Wohlergehen der Mitarbeitenden bedeutet in diesem Fall: dass ein Betrieb auf die individuellen Bedürfnisse eines chronisch kranken Menschen eingeht und diese Bereitschaft im Unternehmen auch bekannt ist. „Menschen mit einer chronischen Erkrankung brauchen ein durch Vertrauen und Verständnis geprägtes Arbeitsumfeld, in dem offen gesprochen und Probleme direkt angegangen werden können“, sagt Mathilde Niehaus.
Aber genau an diesen Punkten hapert es häufig. Die Rehabilitationsforscherin spricht regelmäßig mit Führungskräften, vor allem aus Personalabteilungen: „Viele erkennen gar nicht die Notwendigkeit, für Mitarbeitende mit chronischen Erkrankungen in ihren Unternehmen etwas zu tun, weil sie glauben, sie hätten gar keine.“ Was angesichts von mehreren Millionen chronisch kranken Erwerbstätigen in Deutschland, gelinde gesagt, verwundert.
Auch mal eine Stunde Pause machen
In einer deutschlandweiten Befragung von 1300 chronisch kranken HIV/Aids-, Multiple-Sklerose- und Rheumapatientinnen und -patienten berichtete nur gut ein Fünftel von Arbeitsplatzanpassungen, lediglich rund 18 Prozent hatten ihren Beruf oder Aufgabenbereich gewechselt. Und laut einer EU-Erhebung kommen Beschäftigte mit niedrigem Bildungsniveau und in geringqualifizierten Berufen seltener in den Genuss flexibler Anpassungen als Angestellte mit höherem Bildungsniveau – und das obwohl Erstere angeben, häufiger an chronischen Erkrankungen zu leiden. „Es herrscht ein gewisser Mangel an Unternehmen, die ihre Beschäftigten mit chronischen Erkrankungen durch gute Angebote unterstützen“, sagt Mathilde Niehaus, „sonst würden ja nicht so viele mit ihrer Erkrankung hinterm Berg halten.“
Derlei Angebote sollten zuallererst auf eines abzielen: Flexibilität. Denn chronische Erkrankungen sind in ihrem Erscheinungsbild selten starr. Viele von ihnen kommen schubweise und verabschieden sich für Wochen oder Monate, bevor sie wieder ausbrechen. Entsprechend „wünschen sich viele Betroffene Flexibilität im Job als einen der wichtigsten Punkte, schon aus einer psychologischen Perspektive heraus“, sagt Niehaus. „Denn im Falle einer Krankheitsverschlimmerung ist das Gefühl unschätzbar, dass ich die Situation kontrollieren kann, indem ich zum Beispiel meine Arbeitszeit problemlos selbst organisieren oder im Homeoffice einfach auch mal eine Stunde Pause machen kann.“ Genau das gebe einem chronisch kranken Menschen die Kraft, weiter produktiv zu sein.
Gefühl der Befreiung
So wie bei Frederike Süß: „Meine Vorgesetzte ist total entspannt mit der Situation, meine Arbeitszeit ist auf 80 Prozent reduziert worden und ich kann sie flexibel gestalten und komplett von zu Hause aus arbeiten. Für mich bedeutet das, überhaupt oder besser arbeiten zu können. Ich hätte wesentlich mehr Ausfallszeiten oder müsste meine Arbeitszeit weiter reduzieren, weil ich an schlechten Tagen acht Stunden in der Dienststelle einfach nicht schaffe. Zu Hause bin ich flexibler, kann bei Bedarf in der Pause einen Spaziergang machen oder mich hinlegen. Und ich bin viel weniger angespannt, weil Beeinträchtigungen und Schmerzen nicht gesehen werden.“
Und das noch in ihrer neuen Position, die sie tatsächlich bekommen hat: „Ich habe mich zwar gefragt, ob meine Gesundheit das mitmachen wird. Aber meine Arbeit ist für mich in schlechten Zeiten ein bisschen wie ein Anker. Nach jeder Arbeitsunfähigkeit war ich froh, wieder am Arbeitsleben und damit an der ,Normalität‘ teilhaben zu können. Es bedeutet für mich Selbstwirksamkeit [siehe Definition unten] und in schwierigen Phasen auch manchmal einfach nur Ablenkung. Aber es existiert natürlich auch immer die Unsicherheit, nicht zu wissen, wie es weitergeht. Verschlechtert sich meine Situation und sind meinem Arbeitgeber doch irgendwann meine Ausfallzeiten zu viel, dann würde ich wahrscheinlich meine Führungsposition nicht behalten können.“
Selbstwirksamkeit
Das Prinzip der Selbstwirksamkeit (self-efficacy) geht auf den Psychologen Albert Bandura zurück. Es bezeichnet die innere Überzeugung, selbst unter schwierigen Bedingungen handlungsfähig zu sein, Hindernisse überwinden zu können und Ziele aus eigener Kraft zu erreichen. Bandura fand heraus, dass ein hohes Vertrauen in die Tüchtigkeit mit guten Leistungsresultaten einhergeht. Personen, bei denen die Selbstwirksamkeit gering ausgeprägt ist, tendieren zu Resignation und schneller Zielaufgabe.
Brauchen Sie dabei Hilfe?
Wer unsicher ist, ob er oder sie seine chronische Erkrankung am Arbeitsplatz preisgeben soll, kann sich digitale Entscheidungshilfe holen. Das Online-Tool sag-ichs.de hat ein Team um Rehabilitationsexpertin Mathilde Niehaus von der Universität Köln entwickelt – gemäß wissenschaftlicher Erkenntnis und gespeist mit Daten aus Interviews mit Schwerbehindertenvertretungen, Führungskräften, Betriebsärztinnen und potentiellen Nutzern.
In einem interaktiven Selbst-Test beantworten die Nutzerinnen Fragen zu organisationalen Rahmenbedingungen, individuellen Voraussetzungen, Werten, Bedürfnissen und bisherigen Erfahrungen mit der Offenlegung ihrer Erkrankung. Der Test macht alle möglichen Punkte für eine Entscheidung bewusst und ermöglicht es den Teilnehmenden, sie zu ordnen und zu gewichten. Die automatische Auswertung stellt Pro und Contra in Kurzform gegenüber. Die Entscheidung selbst kann aber auch der Test den Betroffenen nicht abnehmen.
Das Online-Tool enthält außerdem weitere Informationen und Handlungshilfen, beispielsweise zu rechtlichen Fragen, weiterführender (persönlicher) Unterstützung und Beratung oder zur Vorbereitung auf schwierige Gespräche. Die im Online-Tool angebotene Möglichkeit zur anonymen Nachbefragung der Nutzerinnen erlaubt zudem die Evaluation und Weiterentwicklung des Angebots. Es ersetzt keine Beratung.
Quellen
Peter Ghin et al.: Disclosing Illness in the Workplace: A survey of leaders living and working with chronic illness. University of Melbourne 2023.
Aidshilfe NRW, Deutsche Gesellschaft für Multiple Sklerose NRW & Deutsche Rheuma-Liga NRW (Hrsg.): Chronische Erkrankungen am Arbeitsplatz, Ergebnisse der Online-Befragung 2019
Oscar Vargas Llave et al.: How to respond to chronic health problems in the workplace. Publications Office of the European Union 2019