Käse ist ein köstliches Nahrungsmittel. Ein cremiger Brie, ein kräftiger Gouda oder ein raffinierter Ziegenkäse können eine einfache Brotzeit zu einem kulinarischen Fest machen, da sind sich viele Schleckermäuler einig. 23 Kilo der Delikatesse auf Milchbasis verzehrt jeder Deutsche im Jahr; in Frankreich sind es sogar 26 Kilo pro Person.
Doch man kann Blauschimmel und Co. auch ganz anders sehen. Objektiv betrachtet haben manche Käsesorten eine eher abstoßende gelartige oder klebrige Konsistenz, andere…
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Objektiv betrachtet haben manche Käsesorten eine eher abstoßende gelartige oder klebrige Konsistenz, andere verströmen einen Geruch, der an Schweißfüße, eine Mülltonne oder sogar Erbrochenes erinnert.
Leibspeisen: Ein kaum entschlüsselbares Rätsel
In der Tat empfinden viele Menschen aus Asien jede Art von Käse als ekelig und setzen ihn mit Kuhexkrementen gleich. Uns dagegen dreht sich bei mancher asiatischen Leibspeise der Magen um. Nattō beispielsweise ist ein schleimiges, nach Ammoniak und verbrannten Gummireifen riechendes Sojabohnengericht, das für viele Japaner zu den liebsten Frühstücksspeisen zählt. „Ich kenne keinen Westler, der sich beim ersten Versuch überwinden kann, Nattō in den Mund zu nehmen“, so Rachel Herz, Psychologieprofessorin an der Brown-Universität, Providence, Rhode Island und Expertin für Ekelgefühle.
Was der eine als köstlich empfindet, betrachtet ein anderer als nicht verzehrbar. Dies gilt nicht nur für Menschen aus verschiedenen Ländern. Auch Leute, die denselben kulturellen Hintergrund teilen, können sehr unterschiedliche Leibspeisen haben. Ob etwas eklig ist oder nicht, betont Herz, liegt größtenteils im Auge des Betrachters.
Für Wissenschaftler stellt die Bandbreite an geschmacklichen Vorlieben ein Rätsel dar, das sich nicht so leicht entschlüsseln lässt. „Einen Großteil der Variationen in Nahrungspräferenzen kann bislang noch niemand erklären“, betont Paul Bloom, Psychologieprofessor von der Yale-Universität, in seinem jüngsten Buch über die Funktionsweise von Genuss.
Selbst Familienmitglieder schätzen oft ganz unterschiedliche kulinarische Genüsse. Wenn man beispielsweise Geschwister betrachtet, die zusammen aufgewachsen sind und die Hälfte ihrer Gene teilen, können sie trotzdem ganz andere Speisen mögen, erläutert Bloom: „Ich hasse Käse, meine Schwester liebt ihn, und ich habe keine Erklärung, warum.“
Nur wenige Vorlieben sind angeboren
Liebe und Hass, diese Wörter tauchen häufig auf, wenn es um Nahrungsmittel geht. Das ist an sich auch nicht verwunderlich. Der Mund ist der hauptsächliche Weg, über den Nähr- wie Giftstoffe in den menschlichen Körper gelangen können. „Es ist gewissermaßen der letzte Punkt, an dem man entscheiden kann, ob man dem Körper etwas einverleiben will, indem man es hinunterschluckt, oder lieber nicht“, schreiben Paul Rozin, Psychologieprofessor an der Universität von Pennsylvania und einer der wichtigsten Erforscher von Nahrungsvorlieben, und seine Mitarbeiterin Teresa Vollmecke. Folglich rufe die Frage, was man in den Mund steckt und wie sich das anfühlt, starke Emotionen hervor.
Bei Knollenblätterpilzen oder verfaulten Speisen leuchtet heftiger Widerwillen unmittelbar ein. Aber warum kennt praktisch jeder Mensch auch nichtschädliche Nahrungsmittel, die er strikt ablehnt? Unsere Biologie kann man nur sehr bedingt dafür verantwortlich machen.
Als Spezies essen wir praktisch alles, was wir verdauen können: Pflanzen, Tiere, zuweilen selbst andere Menschen. Wie bei anderen Allesfressern gibt es nur wenige angeborene Präferenzen, die unsere Ernährungsweise bestimmen. Ein Löwe oder eine Ziege sind auf eine sehr enge Bandbreite an Nahrungsmitteln programmiert. Der Mensch dagegen kann ein riesiges Spektrum an potenziellen Speisen in Erwägung ziehen.
Ein paar Vorgaben aber haben auch wir: Eine gewisse Vorliebe für Süßes sowie eine latente Abneigung gegenüber Bitterem sind uns angeboren, was daran liegt, dass süße Speisen in der Regel gute Kalorienquellen sind und ein bitterer Geschmack auf Giftigkeit hindeuten kann. Zudem scheinen Menschen von Natur aus mit einer Abneigung gegenüber stark sauren Sachen ausgestattet zu sein. Aber sehr eng sind diese biologischen Geschmacksfilter nicht. Schließlich sind bittere Speisen wie Chicorée und Orangenmarmelade bei manchen Menschen sehr beliebt, und nicht jeder steht auf Sahnetorte.
Geografie und Kulturkreis grenzen ab
In mancherlei Hinsicht sind unsere individuellen Nahrungsvorlieben rätselhaft. Doch einige Einflussfaktoren haben Wissenschaftler durchaus identifiziert. Ob und wie uns etwas schmeckt, so hat sich gezeigt, hängt von genetischen, physiologischen, kulturellen, sozialen und kognitiven Variablen ab, die sich gegenseitig beeinflussen und verstärken.
Eine herausragende Rolle spielt die Kultur, wie Rozin und Vollmecke feststellen. Wenn man so viel wie möglich über die Nahrungspräferenzen eines Erwachsenen herausfinden will und nur eine Frage stellen könnte, dann müsste diese zweifellos lauten: „Zu welchem Kulturkreis oder welcher ethnischen Gruppe gehören Sie?“ Traditionen bestimmen den typischen Speiseplan, die Zubereitung und Präsentation von Lebensmitteln, zu welcher Tageszeit und in welchen Kombinationen Gerichte gegessen werden.
Die Kultur erklärt, warum viele Deutsche Nutella lieben, während Amerikaner mit Leidenschaft Erdnussbutter mit Gelee aufs Brot schmieren. Wer nicht in Peru aufgewachsen ist, wird sich mit gefüllten Meerschweinchen eher schwertun (obwohl der Unterschied zu einem Kaninchenbraten oder gefüllter Gans eher marginal ist), und nur wenige Nichtsingapurer werden wohl den Anblick von rohem Affenhirn appetitanregend finden.
Das kulinarische Erbe einer Kultur ist stark mit der Geografie verbunden. Historisch bestimmten Flora und Fauna eines Landes seine Speisekarte. Känguru gehört allein deshalb nicht zu unseren typischen Leibgerichten, weil es diese Spezies bei uns nicht gibt.
Speisen zeigen wer Freund und wer fremd ist
Aber selbst verfügbare Nahrungsmittel landen nicht unbedingt auf dem Teller. Nach einer Theorie des Anthropologen Marvin Harris wird nur das gegessen, was sich auch zu essen lohnt – und das kann von Region zu Region unterschiedlich sein. Anders als Chinesen kommen wir nicht so leicht auf die Idee, Hunde in den Kochtopf zu stecken, weil wir sie als Gefährten und Beschützer schätzen. In Indien werden Kühe unter anderem deshalb nicht geschlachtet, weil ihre Milch, ihr Dung und ihre Arbeitskraft dort wertvoller als das Fleisch sind.
Die kulturelle Bedeutung von Speisen geht aber weit über geografische und nutzenorientierte Aspekte hinaus. Regionale Leibspeisen dienen auch dazu, zwischen Freunden und Fremden zu unterscheiden, wie die Psychologin Rachel Herz betont, ganz nach dem Motto: „Ich esse diese Speise, und du tust es nicht. Ich bin von hier und du von dort.“
Um diese Unterscheidung zu treffen, muss man manchmal nur schnuppern. Wer viel Knoblauch oder Curry isst, riecht auch danach, und das kann auf Menschen anderer Kulturkreise abstoßend wirken und sogar einen körperlichen Ekel erzeugen, dem man sich nicht leicht entziehen kann. So werden überall auf der Welt Vorurteile gegenüber Ausländern auch durch ihre fremdartige Küche und die damit einhergehenden Ausdünstungen gespeist.
Essen als Zeichen der Kulturverbundenheit
Umgekehrt kann man die Verbundenheit mit Menschen und ihrer Kultur bezeugen, indem man ihre Speisen isst. In den USA wirkt das traditionelle Truthahnmahl zu Thanksgiving, dem sich kaum jemand entzieht, wie ein Band, das alteingesessene Bürger und Immigranten verbindet. Essen zu akzeptieren bedeutet, dass man die Kultur an sich akzeptiert, wie Herz erklärt.
Deshalb ist es so wichtig, ein Mahl, das einem von einem Gastgeber im Ausland angeboten wird, mit (zur Not gespielter Freude) anzunehmen, zumindest wenn einem an einer guten Beziehung gelegen ist. Wer die mit Liebe gekochte Froschschenkelsuppe der zukünftigen französischen Schwiegermutter ablehnt, riskiert, sie ernsthaft zu verärgern.
Viele Manager werden die Zwickmühlen bei Reisen nach Fernasien kennen, wo man sich bei Geschäftsessen mit Speisen wie frittierten Spinnen oder Bullenpenissuppe konfrontiert sieht. „Wenn man einen chinesischen Würdenträger besucht, um ihn von einem Geschäftsmodell zu überzeugen“, so Herz, „wird man die Bullenpenissuppe essen müssen.“
Individuelle Vorliebenbildung
Doch nicht jeder Chinese mag Spinnen, genauso wie nicht jeder Deutsche auf Wurst aus geronnenem Schweineblut steht. Wieso sind Essensgewohnheiten innerhalb einer Kultur so verschieden? Und weshalb kann man auch gegenüber ganz harmlosen Speisen wie eingemachten Birnen oder Möhrengemüse einen ausgeprägten Widerwillen empfinden? Folgende Faktoren spielen eine Rolle:
Schlechte Erfahrungen
Wem einmal nach dem Verzehr einer Speise so richtig schlecht wurde, der wird ihr gegenüber mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit Ekel entwickeln. Dies ist ein lebensrettender Schutzmechanismus, der im Laufe der Evolution entstanden ist und verhindert, dass Menschen giftige oder verdorbene Nahrungsmittel ein zweites Mal zu sich nehmen.
Leider setzt er auch ein, wenn das Unwohlsein gar nichts mit der spezifischen Speise zu tun hatte, sondern beispielsweise durch einen Magen-Darm-Virus oder psychische Spannungen hervorgerufen wurde. So kennen viele Menschen eine nicht zu überwindende Abneigung gegenüber Lebensmitteln, die sie als Kinder erbrochen haben, nachdem ihre Eltern den Verzehr erzwangen. Ein solcher Widerwillen bleibt bestehen, obwohl man genau weiß, dass das körperliche Unwohlsein nicht durch die Speise an sich verursacht wurde.
Gute Erfahrungen beeinflussen unsere Präferenzen übrigens bei weitem nicht so leicht wie schlechte, wie verschiedene Studien zeigen. Während schon ein einziger Fall von Übelkeit oder Durchfall ausreichen kann, um uns eine Speise für den Rest des Lebens zu vergällen, führen positive Wirkungen nicht automatisch dazu, dass wir etwas zur Leibspeise erklären.
Selbst wenn man schon oft erfahren hat, dass man sich nach einem leichten Abendmahl mit Salat oder Gemüse am nächsten Morgen wie neugeboren fühlt, entwickelt man nicht unbedingt Gelüste nach Grünzeug. Und den Geschmack eines Hustensaftes oder von Tabletten gegen Sodbrennen können wir weiterhin ziemlich eklig finden, obwohl sie unsere Beschwerden schnell zum Verschwinden bringen.
Genetische Unterschiede
Auch unsere Gene haben Einfluss darauf, ob wir Nahrungsmittel mögen oder nicht. Wer beispielsweise Milchprodukte aufgrund einer Laktoseintoleranz nicht oder nur schwer verdauen kann, was weltweit für 75 Prozent aller Erwachsenen gilt, macht um Milchprodukte oft intuitiv einen Bogen.
Schätzungsweise 25 Prozent aller Menschen gehören zu den sogenannten Supertastern. Sie sind von Geburt an mit einem besonders ausgeprägten Geschmackssinn ausgestattet und nehmen alle Speisen um ein Vielfaches intensiver wahr als normale Esser. Dies liegt wahrscheinlich daran, dass ihre Zungen überdurchschnittlich viele Geschmackspapillen aufweisen.
Studien zeigen, dass Supertaster tendenziell weniger Süßes und Fettes essen, weil ihre Gelüste schneller befriedigt sind, und auf Bitteres wie Grapefruit, Kaffee oder Rosenkohl empfindlicher als andere reagieren. Für Salziges dagegen haben sie oft eine ausgeprägte Schwäche, wohl deshalb, weil Salz bittere Geschmacksnoten überdecken kann.
Peereinflüsse
Man könnte meinen, die Geschmäcker von Eltern und Kindern müssten sehr ähnlich sein. Schließlich führen einen Mutter und Vater überhaupt erst an Essbares heran und bestimmen zumindest in den ersten Lebensjahren, was auf den Teller kommt. Doch der Einfluss der Eltern ist geringer, als man denkt.
Rechnet man kulturelle Faktoren heraus, dann kommt man auf Korrelationskoeffizienten für Geschmackspräferenzen zwischen Eltern und Kindern, die unter 0,3, manchmal sogar unter 0,15 liegen, egal ob die Kinder noch zu Hause leben oder schon erwachsen sind.
Höhere Übereinstimmung zeigen die Geschmackspräferenzen von Geschwistern sowie von Ehepartnern, insbesondere wenn sie schon länger verheiratet sind. Diese Ergebnisse lassen sich dadurch erklären, schreibt Bloom, dass soziales Lernen zu einem großen Teil innerhalb von Peergruppen passiert: „Man isst aus denselben Gründen nicht wie die Eltern, aus denen man sich nicht wie sie kleidet oder wie sie flucht oder die gleiche Musik wie sie hört.“ Der Einfluss von Gleichaltrigen oder in anderer Hinsicht ähnlichen Menschen setzt schon früh ein.
Die Psychologin Leann Birch von der Pennsylvania-State-Universität und Kollegen zeigten, dass Kindergartenkindern Snacks besser schmecken, wenn auch andere Kinder sie mögen. Eine jüngere Studie der Harvard-Universität belegt, dass sogar Kleinkinder auf Gleichartigkeit reagieren.
12 Monate alte amerikanische Babys beobachteten zwei ihnen fremde Erwachsene beim Essen. Einer der Fremden sprach Englisch mit ihnen, der andere eine Fremdsprache, nämlich Französisch. Als die Kleinen später zwischen den beiden Lebensmitteln, die die Erwachsenen gegessen hatten, auswählen durften, entschieden sie sich überwiegend für die Speise des Englischsprechers.
Erwartungen und andere Gedanken
Ob man ein Nahrungsmittel liebt oder hasst, wird stark davon beeinflusst, was einem durch den Kopf geht, wenn man es konsumiert. Selbst völlig harmlose Speisen und Getränke kann man als ekelerregend empfinden, sofern man sich entsprechende Gedanken macht. „Ich trinke niemals Wasser wegen der unappetitlichen Dinge, die Fische darin machen“, soll der amerikanische Komiker W. C. Fields mal gesagt haben.
Auch unsere Erwartungen tragen zum Geschmacksempfinden bei. Vor ein paar Jahren ließen der Konsumforscher Leonard Lee von der Columbia-Universität und zwei Kollegen Kneipenbesucher ein sogenanntes MIT-Bräu gegen handelsübliche Biermarken testen. Beim MIT-Bräu handelte es sich um Bier mit ein paar Tropfen Essig. Ob die Tester das Gebräu mochten, hing stark davon ab, ob sie von der ungewöhnlichen Ingredienz erfuhren oder nicht. Klärten die Forscher sie vor dem Trinken auf, zogen 70 Prozent das normale Bier vor. Ließen die Forscher sie dagegen im Dunkeln, mochten 59 Prozent das Essigbier sogar lieber als die beiden Handelsmarken.
Selbst Fachleute sind nicht gegen solche Verzerrungen immun. In einer anderen Studie tranken Weinexperten einen Bordeaux, der einmal als „Grand Cru Classé“ und einmal als Tafelwein ausgezeichnet war. Den vermeintlichen Billigwein hielt nur ein Drittel für trinkbar, während das edle Gewächs auf allgemeine Zustimmung stieß.
Die Macht unserer Gedanken zeigt sich besonders eindrucksvoll bei Untersuchungen mit Vegetariern. Menschen, die aus moralischen Gründen auf Steak und Bratwurst verzichten, entwickeln oft einen regelrechten Ekel gegen Fleisch. Leute dagegen, die wegen der Gesundheit nur Grünzeug essen, würden durchaus gerne mal ein Schnitzel oder eine Portion Gulasch verdrücken.
„Wenn wir der Meinung sind, dass der Konsum von Fleisch schlimm ist, sei es aufgrund ökologischer, religiöser oder humanitärer Überlegungen“, erläutert Herz, „dann fangen wir an, Fleisch an sich als widerwärtig anzusehen.“
Unter den vielen bemerkenswerten Aspekten menschlicher Essenspräferenzen ist der Einfluss unseres Denkens und unserer Einstellungen wohl der faszinierendste. Auch Tiere empfinden bei der Nahrungsaufnahme Lust, zumindest deuten ihr Verhalten und physiologische Indikatoren darauf hin. Aber nur beim Menschen ist der Genuss eng mit einem ausgefeilten Glaubens- und Wertesystem verknüpft, das festlegt, welche Nahrung „richtig“ ist oder nicht.
Einem Hund ist es höchstwahrscheinlich egal, ob auf der Dose, die man für ihn öffnet, Katzenfutter steht, Hauptsache der Inhalt schmeckt. Doch wir finden es abstoßend, wenn wir von Leuten lesen, die aus wirtschaftlichen Gründen Hundefutter essen, obwohl objektiv betrachtet manches Tierfutter kaum von Pastete oder anderen Wurstprodukten zu unterscheiden ist, wie Blindverkostungen zeigen.
Auch wenn Nahrungsmittel, die wir als delikat betrachten, in ungewöhnlichen Kombinationen zusammengemixt, Speisen zur „falschen“ Tageszeit gegessen oder auf unangemessene Weise verzehrt werden, stellt sich bei uns leicht ein Ekelgefühl ein. Das hat mit der Angst vor unserem animalischen Erbe zu tun, vermutet Psychologin Herz:
Warum, fragt sie, fühlen wir uns angewidert, wenn jemand Mayonnaise pur und direkt aus dem Glas isst oder einen Hamburger mit einem zuckrigen Donut anstatt eines Brötchens verzehrt: „Es liegt daran, dass diese Art von Schlemmerei animalisch ist, und animalisch zu essen macht uns tierähnlich. Wir haben Regeln und Kodizes für Essen, sodass wir eine Grenze zwischen unserer zivilisierten Menschlichkeit und der Wildheit von Tieren aufrechterhalten können.“
Gefährlich daran ist, erläutert die Psychologin, dass wir unsere Einstellungen zum Essen leicht auf die essenden Menschen ausdehnen – ganz nach dem Motto: Man ist, was man isst und wie man es isst. Dies lässt sich auch empirisch belegen: So sind Menschen, die aus moralischen Gründen kein Fleisch essen, oft überzeugt, dass Fleischesser aggressiver sind als Vegetarier, und Leute, die Fast Food und Torte lieben, werden im Vergleich zu „Körneressern“ als weniger freundlich und zuvorkommend angesehen. „Es sind unsere Gedanken und unsere Psyche“, so Herz, „die Speisen und die Menschen, die sie verzehren, abstoßend machen oder nicht.“
Quellen
R. Herz: That’s disgusting. Unraveling the mysteries of repulsion. Norton, New York, London 2012
P. Bloom: How pleasure works. The new science of why we like what we like. Norton, New York, London 2010
K. Shutts u. a.: Social information guides infants’ selection of foods. Journal of Cognition and Development, 10, 2009, 1–17
L. Lee u. a.: Try it, you’ll like it. The influence of expectation, consumption, and revelation on preference for beer. Psychological Science, 17, 2006, 1054–1058
L. Birch: Development of food preferences. Annual Review of Nutrition, 19, 1999, 41–62
P. Rozin, T. Vollmecke: Food likes and dislikes. Annual Review of Nutrition, 6, 1986, 433–456