Meine Ticks: Nägel kauen, Skin Picking, am Daumen lutschen

Drei Experten erforschen körperbezogene, repetitive Verhaltensstörungen (BFRBs). Sie wissen, wie man häufiges Nägelkauen oder Daumenlutschen ablegt.

Die Illustration zeigt ein Mädchen, das Nägel kaut, und in ihrem Kopf ist ein Gleis, auf dem sie selbst die Weichen stellt, die dazu führen
Nägel kauen, um körperliche Anspannung abzureagieren? In der Psychologie nennt man das BFRB. © Lea Berndorfer für Psychologie Heute

Praktisch jeder Mensch reagiert unter Stress und starken Gefühlen körperlich. Wer bei der letzten Europameisterschaft im eigenen Land Fußballfans (oder auch sich selbst) mal näher beobachtet hat, konnte sich sehr eindrücklich davon überzeugen: Einige Fans erstarren und frieren in ihren Bewegungen förmlich ein, die meisten zeigen hingegen motorische Unruhe, indem sie vor allem mit den Händen und Füßen rumzappeln. Einige Personen, und um diese geht es in diesem Artikel, reagieren mit einer Aktivität, die…

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rumzappeln. Einige Personen, und um diese geht es in diesem Artikel, reagieren mit einer Aktivität, die gegen den eigenen Körper gerichtet ist.

Vielfältige Symptome von body-focused repetitive behavior (BFRB)

Diese Form der Abreaktion von Anspannung nennen Psychologinnen und Psychologen „körperbezogene repetitive Verhaltensstörungen“, auf Englisch body-focused repetitive behaviors, im Folgenden verwenden wir daher auch die Abkürzung BFRB. Hierunter fallen laut einer Befragung unter 50 Expertinnen und Experten die folgenden Symptome:

  • Nägelkauen

  • Trichotillomanie – das ist zwanghaftes Ausreißen der Haare

  • Skin Picking, das heißt, dass Menschen an der Haut knibbeln oder pulen

  • Dermatophagie, das Nagen an der eigenen Haut

  • Lippen-Wangen-Beißen

Auch Zähneknirschen im Wachzustand und Daumenlutschen bei Erwachsenen werden von den meisten Experten zu den BFRB gerechnet.

Manchmal ist dieses Verhalten zielgerichtet und bewusst, oft aber auch automatisiert; die Betroffenen berichten, sich „wie in Trance“ zu fühlen, und merken erst später, zum Beispiel durch Wunden an der Haut oder abgebissene Fingernägel, was sie gerade gemacht haben.

Laut Studien kommen leichtere Formen dieser Verhaltensweise bei vielen Menschen vor, besonders häufig sind das Nägelkauen, das Nagen an der Haut, Skin Picking und Lippen-Wangen-Beißen. In einer eigenen aktuellen repräsentativen Studie, die wir 2023 mit 1481 Personen durchgeführt haben, berichteten 97 Prozent der Befragten, dass sie mindestens einmal in ihrem Leben zumindest eine der Verhaltensweisen in leichter Form gezeigt hätten. Die meisten haben dabei mehrere der Verhaltensweisen gleichzeitig, zum Beispiel Nägelkauen und Knibbeln oder Beißen der Nagelhaut. Betrachtet man nur jene Fälle, bei denen BFRB Leidensdruck hervorruft und/oder eine starke Beschädigung der Haut, der Nägel oder der Haare verursacht, sinkt der Anteil auf 24 Prozent der Erwachsenenbevölkerung, was aber immer noch eine sehr hohe Zahl ist (bei Kindern liegt sie sogar noch höher).

Kahle Stellen am Kopf und Haarpfropf im Magen

Viele der genannten Verhaltensweisen, gerade Daumenlutschen bei Erwachsenen oder auch das Lippen-Wangen-Beißen, sieht man selten öffentlich, es ist für andere unsichtbar. Auch die körperlichen Spuren fallen oft nicht auf. Bleibende schwere Schäden sind zwar nach Ablegen des Verhaltens selten, aber gerade beim Skin Picking können sich Narben bilden. In schlimmen Fällen entwickeln sich sogar Blutvergiftungen. Einige Betroffene essen ihre Haare nach dem Ausreißen, so dass sich ein Haarpfropf im Magen bilden kann, „Bezoar“ genannt. Bei Menschen, die Nägel kauen, können Zahnstücke abbrechen oder die Nägel wachsen nicht mehr richtig; wer Haare ausreißt, bekommt oft großflächige kahle Stellen – die Liste ließe sich fortsetzen.

Übrigens: Es gibt bei BFRB keine eindeutigen Hinweise auf Bildungs- oder Geschlechtsunterschiede. Männer und Frauen unterscheiden sich nur wenig in Bezug auf die leichteren Formen, sondern eher in der Art der Ausführung: Frauen zupfen die Haare zum Beispiel eher am Kopf, während Männer an ihren Barthaaren ziehen oder diese ausreißen. Erst von den schweren Verläufen scheinen Frauen häufiger betroffen zu sein. Hier ist allerdings zu bedenken, dass Frauen in der Regel Probleme schneller wahrnehmen und sich eher Hilfe holen. Auch unterschiedliche Idealvorstellungen vom eigenen Köper spielen eine Rolle.

Wie bei zahlreichen psychischen Problemen sind die Ursachen von körperbezogenen repetitiven Verhaltensstörungen noch nicht vollkommen entschlüsselt. Viele Auslöser und Risikofaktoren sind jedoch bekannt, so dass Therapien entwickelt werden konnten, die die Betroffenen teilweise leicht bei sich selbst anwenden können – wir stellen später einige der Techniken vor.

„Hören Sie doch einfach auf damit!“

Angesichts der hohen Verbreitung könnte man denken, dass Haus- und Hautärztinnen oder Psychologen recht häufig mit der Störung zu tun haben. Dies ist jedoch nicht der Fall, und das Wissen über BFRB ist laut jüngsten Studien weiterhin sehr lückenhaft. Von etwa 1000 untersuchten Personen mit BFRB gaben nur 10 Prozent an, sich schon mal an eine Fachperson gewandt zu haben, wobei diese oft keine speziellen Tipps geben können. Ein Grund dafür, dass Menschen die Störung verheimlichen, ist Scham, auch aufgrund der vielfältigen Klischees, die es über das Verhalten gibt, zum Beispiel dass Nägelkauer willensschwach seien.

Darüber hinaus kursiert eine Vielzahl tiefschürfend klingender, aber unbewiesener Annahmen, wonach das Verhalten die Spitze des Eisbergs schwerer seelischer Probleme sei – bei einigen Betroffenen kann dies der Fall sein, nicht selten ist die BFRB aber das primäre Symptom. Andere glauben, die Verhaltensweisen seien Ausdruck von Selbsthass, Autoaggression oder sogar „Selbstkannibalisierung“. Selbsthass ist jedoch kein typisches Motiv bei BFRB, sondern Anspannung. Häufig trauen sich die Betroffenen auch nicht, sich an Behandlerinnen und Behandler zu wenden, weil sie befürchten, hier dasselbe zu hören, was sie im Leben immer wieder zu hören bekamen: „Hören Sie doch einfach auf, das sieht nicht gut aus, Sie sind ja kein Kind mehr.“

Seit Herausgabe des ersten psychiatrischen Klassifikationssystems der amerikanischen Psychiatergesellschaft APA, des Diagnostischen und Statistischen Manuals Psychischer Störungen (DSM), sind vier weitere Auflagen erschienen. Die bislang letzte und fünfte Auflage kam 2013 heraus. Dort sind BFRB den Zwangsstörungen zugeordnet. Frühere Auflagen betrachteten das Nägelkauen und Co manchmal als Impulskontrollstörungen oder als dysfunktionale Angewohnheiten und Gewohnheitsstörungen (habit disorders), teilweise wurden sie auch nur im Zusammenhang mit anderen Störungen wie Depressionen genannt.

Körperbezogene, repetitive Verhaltensstörungen: Sucht oder Zwang?

Viele Betroffene bezeichnen ihre Störung als Verhaltenssucht, wohl aufgrund von Gefühlen wie Belohnung oder Lust. Die BFRB unterscheiden sich aber von Verhaltenssüchten wie Glücksspiel oder Kaufsucht darin, dass die Handlungen auf den eigenen Körper gerichtet sind und es nicht notwendigerweise zu einer Gewöhnung und Steigerung des Verhaltens kommt, wie es für Verhaltenssüchte typisch ist. Zum Beispiel verbringen pathologische Glücksspieler zunehmend mehr Zeit vor den Automaten und setzen immer höhere Summen ein – eine solche Dynamik sehen wir bei BFRB nicht.

Ein wichtiger Unterschied zu Zwängen wiederum ist, dass das Verhalten bei den body-focused repetitive behaviors eher einem Impulsdurchbruch entspricht. Bei Zwängen wollen Menschen einen bestimmten Gedanken unschädlich machen und dem Drang eben nicht nachgeben. So hält zum Beispiel eine Person mit Zwangsstörung ihre Wohnung zwanghaft sauber, weil sie befürchtet, dass sonst schreckliche Dinge geschehen könnten. Menschen, die sich Haare ausreißen oder auf die Wange beißen geben ihrem Verhalten indes nach. Darüber hinaus sind die Handlungen bei BFRB nicht immer ritualisiert, also nicht immer gleich vom Ablauf her, wie es bei Zwängen typisch ist.

Schwierig kann die Abgrenzung gegenüber nichtsuizidalen selbstverletzenden Verhaltensweisen (NSSV) wie Schneiden oder Verbrennen der Haut mit Zigaretten sein; diese Symptome treten häufig im Rahmen der Borderlinestörung auf. Beide Störungsformen können, müssen aber nicht mit der Benutzung von Instrumenten – zum Beispiel Skalpellen oder Nadeln – einhergehen. Einige Menschen mit NSSV kratzen sich Wunden auf und nutzen dabei keine Instrumente, während etliche Betroffene von BFRB, gerade beim Skin Picking und Haareausreißen, Instrumente einsetzen.

In einer anderen Studie unserer Arbeitsgruppe gab nur eine Minderheit der Befragten mit BFRB an, das Verhalten vor allem auszuüben, um sich Schmerz zuzufügen oder aus Selbsthass. Der Hauptgrund bei BFBR scheint zu sein, dass Betroffene Stress oder Anspannung nach starken Gefühlen reduzieren wollen, im Sinne einer Emotionsregulation. In der bereits angesprochenen Befragung raten die meisten Expertinnen dazu, eine selbstverletzende Verhaltensweise zu diagnostizieren, wenn das Motiv Selbsthass ist oder der Wunsch, sich Schmerzen zuzufügen oder Blut zu sehen.

Starke Gefühle als Auslöser

BFRB werden im Volksmund oft auch als „Tick“ bezeichnet, weshalb wir unsere Selbsthilfe-Seite auch Tricks gegen Ticks genannt haben. Dies ist nicht zu verwechseln mit Tics (ohne „k“), die das Hauptsymptom der Tourettestörung sind. Bei einer Tourettestörung führen die Patientinnen und Patienten Bewegungen aus wie Blinzeln, Augenrollen und bestimmte stereotype Körperbewegungen. Nur selten kommt es hier zu einer Selbstverletzung. Wenngleich die weiter unten vorgestellte Technik habit reversal training gleichermaßen gut bei BFRB wie bei Tourette wirkt, geht man bei der Tic-Störung von einer stärkeren hirnorganischen Ursache aus.

Während die meisten Expertinnen und Experten dafür sind, die Erkrankung weiterhin body-focused repetitive behaviors zu nennen, bevorzugen viele Betroffenen selbst eher die etwas kürzere Bezeichnung „körperbezogene Impulskontrollstörung“, weil es griffiger und leichter zu verstehen ist. Wie die Störung in der nächsten Auflage des DSM heißen wird und vor allem welcher übergeordneten Störungsgruppe sie zugeordnet werden wird, bleibt weiter spannend.

Mit Sigmund Freud stellte sich das damals junge Fach der Psychologie erstmals die Frage nach der „Neurosenwahl“, also wieso ein Betroffener eine bestimmte individuelle psychische Symptomatik entwickelt und nicht eine andere. Bei BFRB gibt es Hinweise auf Anfälligkeiten vor Beginn der Störung. So beklagen Nägelkauerinnen bereits vorher dünne und leicht einreißende Nägel. Bei Lippen-Wangen-Beißen besteht oft im Vorfeld eine Tendenz zur Vernarbung von Wunden im Mundinnenraum und bei Skin Picking berichten Betroffene häufig von bereits vorhandenen Hautunreinheiten. Starke Gefühle wie Langeweile, Angst, aber auch Freude und Stress sind häufige Auslöser für BFRB. Das erklärt auch, weshalb die meisten BFRB erstmals in der Pubertät auftreten, da diese Lebensphase mit viel Stress und Entwicklungsbrüchen verbunden ist – eine Ausnahme sind Nägelkauen und Daumenlutschen, die beide weitaus früher beginnen; Daumenlutschen gilt im Säuglingsalter zudem als normal.

Die Störungen nehmen im Erwachsenenalter oft ab, aber auch ältere Menschen können noch Probleme aufweisen. Es gibt Belege für eine genetische Komponente, die aber, ebenso wie die anderen genannten Faktoren, nicht als Alleinerklärung der Verhaltensweisen ausreicht. Die körperbezogenen repetitiven Verhaltensstörungen sind am besten zu begreifen als ein Zusammenspiel: aus Veranlagung, den beschriebenen Schwierigkeiten mit Haut, Haaren oder Wunden sowie starken auslösenden Gefühlen.

Anspannung reduzieren als erster Schritt

Häufig klingt die Störung nach der Pubertät von selbst ab oder einfache Maßnahmen wie eine liebevoll-konsequente Erinnerung der Eltern (der Partnerin oder der Freunde) stoppen das Verhalten. Schelte oder gar Schläge führen eher zur Verstärkung oder zur heimlichen Ausübung.

Wenn es nicht von selbst weniger wird, raten wir, das Problem von drei Seiten anzugehen mit zunächst wenigen, aber täglichen Maßnahmen, die erst ausgetauscht werden sollten, wenn tagelange Anwendung keinen Erfolg bringt:

Die ersten Tipps, die wir hier geben – siehe auch unsere Website tricks-gegen-ticks.de –, sind eher als Vorbereitung zu betrachten, bevor verhaltensändernde Maßnahmen eingeleitet werden, die wir im nächsten Abschnitt beschreiben. Zur Reduzierung von Stress als häufigstem Auslöser bieten sich Entspannungsübungen an (zum Beispiel Atemübungen oder Bodyscan), die von vielen Anbietern im Internet kostenlos bezogen werden können. Die Reduzierung von Stress und Anspannung beziehungsweise ein verbesserter Umgang hiermit hilft, den Drang abzuschwächen und sich gegen ihn erfolgreich zur Wehr zu setzen. Als alleinige Maßnahme reicht eine Reduzierung von Stress jedoch oft nicht aus.

Wichtig ist, dass Betroffene sich um ihren Körper kümmern, ihre Wunden oder offenen Stellen pflegen und versorgen, die durch Jucken und Schmerzen schnell eine Art Teufelskreis auslösen können: Pulen/Kauen – Entzündung – Schmerz oder Juckreiz – wieder Pulen. So werden sie ständig an die kritischen Hautpartien erinnert und bearbeiten sie erneut. Viele Nägelkauerinnen haben auch nicht gelernt, wie sie ihre Nägel pflegen oder feilen sollen, und schneiden sie, wenn sie mal welche haben, aus falschem Stolz nicht mehr ab. Wenn die Nägel dann aber zu lang werden, brechen sie ab oder reißen ein, womit das Problem von vorne losgeht.

Betroffene berichten auch, dass es gerade bei Trichotillomanie, also dem Haareausreißen, und dem Skin Picking hilfreich sein kann, die Spiegel zu verhängen, die ansonsten zum Abchecken und Abtasten einladen, was eine neue Verhaltenskaskade auslösen kann. Dies entspricht zwar einer sogenannten „Vermeidungsstrategie“, was in der Psychotherapie eigentlich nicht angestrebt wird, kann aber gerade bei schweren Verläufen helfen, Triggerreize zu minimieren.

Liebevoll mit sich selbst umgehen

Auch Akzeptanz in Bezug auf das eigene Verhalten spielt eine wichtige Rolle, hierzu gibt es Apps, die einen unterstützen. Das darf nicht verwechselt werden mit Passivität oder dass man sich seinem Schicksal ergibt. Es geht bei der Akzeptanz vor allem darum, liebevoll mit sich umzugehen. Eine Veränderung soll weiter angestrebt, aber nicht verbissen verfolgt werden; Vorfälle sollten mit Nachsicht betrachtet werden und als Möglichkeit, zu lernen und auf den Körper zu hören – was ist da gerade los, was stresst mich? Vielen Betroffenen hilft es auch, sich motorisch abzulenken mit sogenanntem Zappelspielzeug (fidget toys).

Den besten Effekt erzielen Betroffene laut bisheriger Forschung mit verhaltenstherapeutischen Techniken. Dabei sollte man sein Verhalten zunächst über ein paar Tage hinweg unbeeinflusst beobachten. So können Betroffene ihre Wahrnehmung für Auslöser schärfen und für Tageszeiten, zu denen die Handlungen häufiger auftreten. Die in Studien am besten untersuchte Technik ist das habit reversal training, also das Training zur Gewohnheitsumkehr, das auch von internationalen Leitlinien empfohlen wird. Hierbei nimmt die betroffene Person eine starre Gegenpose ein, zum Beispiel indem sie die Hand überstreckt, wenn der Drang auftritt, an den Nägeln zu kauen. Oder man setzt sich auf seine Hand oder faltet die Hände wie zum Gebet. Nach ein bis drei Minuten (in vielen Fällen reichten 20 Sekunden) ist der Drang oft so weit abgeklungen, dass die Gefahr gebannt ist. Die Technik stößt jedoch an Grenzen, wenn das Verhalten automatisiert abläuft, was bei vielen Betroffenen der Fall ist.

Drei Wege zu neuen Verhaltenspfaden

Unsere Arbeitsgruppe hat daher drei weitere Methoden entwickelt: Bei der Entkopplung ahmt man zunächst die typische Bewegung des „Fehlverhaltens“ nach, bevor man die Bewegung ruckartig umlenkt. Durch täglich wiederholtes Üben schaffen es viele Betroffene, das Verhalten zu verlernen und einen „Verhaltenspfad“ quasi zu überschreiben. Die zweite Variante ist die „Entkopplung in sensu“, sie kann vor allem hilfreich sein, wenn die Bewegungen keinem klaren Muster folgen wie zum Beispiel beim Skin Picking. Hier wird die Technik zunächst vor dem geistigen Auge durchgespielt, um eine Übertragung auf verschiedene Situationen oder Verhaltensweisen zu erleichtern.

Eine dritte Methode – das habit replacement – wurde letztes Jahr veröffentlicht und konnte circa einem Drittel der Betroffenen Linderung verschaffen. Hierbei wird die selbstschädigende Verhaltensweise mit einem ebenfalls ritualisierten und sich wiederholenden, aber liebevollen Bewegungsmuster, zum Beispiel dem sanften Kreisen der Finger über die Knöchel ersetzt. Das Ziel ist, den Drang zu reduzieren, die gewohnten Bewegungen auszuführen, indem stattdessen ein angenehmes Bewegungsmuster gewählt wird (Techniken siehe tricks-gegen-ticks.de).

Erste Studien belegen, dass die Kombination aus verschiedenen verhaltenstherapeutischen Maßnahmen sinnvoll sein kann. Machen Sie aber nicht alles auf einmal. Fangen Sie bei einer Methode an und nehmen Sie andere hinzu, wenn sich kein Effekt einstellt. Stetige Übung macht den Meister und am Ende den Erfolg aus. Nicht alle Betroffenen profitieren von Selbsthilfe. Daher ist es wichtig, Psychologen und Psychiaterinnen zu schulen, die Störung wirkungsvoll zu behandeln. Dafür haben wir eine Onlineschulung entwickelt, bei der man mehr über die Störung erfährt (uke.de/e-bfrb). Laut einer gerade abgeschlossenen Masterarbeit profitieren auch Betroffene von der Schulung, was sich in Wissenszuwachs und Symptomreduktion zeigte.

Steffen Moritz leitet den Forschungsbereich Neuropsychologie und Psychotherapie am UKE Hamburg. Er forscht außer zu BFRB zu Zwang und Psychosen. Stella Schmotz ist Doktorandin im Projekt und baut gerade eine Onlinegruppentherapie für BFRB auf. Luca Hoyer hat ihre Masterarbeit zu einem Onlineschulungsprogramm bei BFRB geschrieben, welches sie maßgeblich mitentwickelt hat.

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Quellen

David C. Houghton u.a.: Body-focused repetitive behaviors: More prevalent than once thought? Psychiatry Research, 270, 2018, 389–393

Steffen Moritz u.a.: Prevalence of body-focused repetitive behaviors in a diverse population sample – rates across age, gender, race and education. Psychological Medicine, 54/8, 2024, 1552–1558

Steffen Moritz u.a.: Habit reversal training and variants of decoupling for use in body-focused repetitive behaviors. A randomized controlled trial. Cognitive Therapy and Research, 47/1, 2023, 109–122

Dieser Artikel befindet sich in der Ausgabe: Psychologie Heute 3/2025: Ich entscheide, was ich fühle