Gebalgte Freude: Raufen für die Psyche

Aggression und Kampf sind verpönt. Doch spielerische Raufereien unter Freunden können sogar therapeutisch wirken – in jedem Alter.

Die Illustration zeigt zwei raufende Freunde
"Das ist doch kindisch!" Doch körperliche Spielkämpfe sind wohltuend für unsere mentale Gesundheit. © Alina Dresler für Psychologie Heute

Ein ganz normaler Geburtstag im Park: ein Dutzend Gäste, manche kennen sich gut, andere nur flüchtig, alle sind Mitte bis Ende zwanzig. Grillen, chillen, quatschen. Dann nimmt einer seinen Kumpel huckepack und sie rennen wie kleine Jungs über die Wiese. Alle lachen. Zwei andere machen es ihnen kurzerhand nach. Die Huckepackpaare rennen nun um die Wette. Weitere Paare kommen hinzu. Ein Paar versucht das andere abzudrängen. Daraus wird ein neues Spiel: gegenseitiges Umstoßen. Plötzlich raufen fast alle Gäste…

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das andere abzudrängen. Daraus wird ein neues Spiel: gegenseitiges Umstoßen. Plötzlich raufen fast alle Gäste miteinander auf der Wiese. Menschentürme schieben und rangeln, bis alle erschöpft am Boden liegen. Schnaufend und stöhnend. Lächelnd und kichernd.

Ein dossierter Einsatz von Aggression

Ringen, Rangeln, Raufen: Es wird nicht gern gesehen, aber wer sich daran beteiligt, hat meist viel Spaß. Das verspielte Kräftemessen zählt unter Forschenden aus Psychologie und Pädagogik nicht ohne Grund zu den positiven sozialen Interaktionen. Es vermag sogar therapeutische Wirkung zu entfalten. Und obwohl körperliche Kämpfe außerhalb von Boxstudios und Karatestunden in unserer Gesellschaft meist unterbunden werden, entsteht gleichzeitig eine Gegenbewegung: Da treffen sich Erwachsene zum Spielkampf als Ausgleich zum Alltag, und andernorts setzen Kinder- und Jugendpsychiatrien auf verspielte Raufstunden. Sie alle sehen in dem freundschaftlichen Nahkampf eine wichtige Quelle für körperliche und psychische Gesundheit.

Das Bedürfnis nach Balgerei scheint tief in uns verankert. Gesellschaften, die als Jäger und Sammler leben, kennen das Kampfspielen genauso wie Familien in Industrieländern. Schon kleinste Kinder lieben wilde Verfolgungsjagden mit den Eltern, Kitzelattacken und gespielte Überraschungsangriffe mit Kuschelanteil. Und wir Menschen sind damit nicht allein. Die meisten Jungtiere balgen den lieben langen Tag. Sie lernen dabei überlebenswichtige Fertigkeiten: körperliche Stärke, Geschick, Ausdauer, einen sinnvollen, dosierten Einsatz von Aggressionen und Stressbewältigung. All das wollen Forschende bei Tieren, die regelmäßig raufen und rangeln, beobachtet haben.

Und so findet denn auch das Balgen unter Menschenkindern in der Forschung Zuspruch. Zahlreiche Beobachtungsstudien und Befragungen ergaben: Kinder, die regelmäßig mit der Mutter oder dem Vater rangeln, lernen eher, ihre Gefühle zu kontrollieren und in Konkurrenzsituationen oder Konflikten nicht die Beherrschung zu verlieren. Eine unernste, freudvolle Rauferei daheim stärkt nicht nur die Bindung zwischen den Generationen, sondern zugleich das Selbstbewusstsein der Kinder.

Ringen um die Fernbedienung

Wichtig ist jedoch: Eltern müssen das richtige Maß an Dominanz und Aggression finden. Solange beide Parteien verspielt und mit positiver Grundstimmung aufeinandertreffen, können die Jüngsten Gewinn daraus ziehen. Solche Kinder zeigen beispielsweise seltener ein auffälliges Verhalten oder Aggressionsprobleme in Kita und Schule. Sind aber die Väter (meist stehen sie im Fokus der Erhebungen) zu aggressiv und zu dominant im Spiel mit dem Nachwuchs, fördert das auch bei den Kindern ein solches Verhalten, das sie dann mit in die Kita oder auf den Schulhof tragen. Ein aggressiver Vater wird schnell zum Rollenmodell. Ist der elterliche Konterpart wiederum zu zurückhaltend und lässt das Kind stets gewinnen, lernt das Kind keine sozialen Grenzen kennen. Auch diese Kinder neigen dazu, auf Spielplätzen den eher rüpeligen Zweikampf zu suchen.

Wohl jeder von uns hat schon mal selbst an einer Rauferei teilgenommen, egal ob Mann oder Frau. Wer innehält, findet garantiert im eigenen Gedächtnis freudige Balgszenen mit Geschwistern und Freundinnen, mit Partnern oder den Eltern. Da ringen zwei auf der Couch gackernd um das letzte Stück Schokolade, das bessere Kissen oder – ein Klassiker – um die Fernbedienung.

Wall of death

Seine Perfektion erreicht das erwachsene Rangeln vermutlich bei Rockkonzerten. Nah vor der Bühne werfen sich Männer – und auch Frauen – wild gegeneinander und schubsen sich im schnellen Takt der Musik wieder voneinander weg. Sie pogen. Schultern knallen aneinander. Blaue Flecken zeugen am nächsten Tag von einem gelungenen Abend.

Die Krönung dieses Kampftanzes ist die wall of death, beispielsweise bei Auftritten der Berliner Band Die Ärzte ein beliebter Moment: Die Konzertgäste bilden auf der Tanzfläche einen Kreis mit mehreren Metern Durchmesser. Nimmt das Lied Fahrt auf, stürmen alle brüllend Richtung Mitte aufeinander zu, so wie man es aus martialischen Filmen à la Braveheart kennt. Was brutal wirkt, folgt festen, sozialverträglichen Regeln: Ellenbogen bleiben eingezogen, kein Boxen, kein Treten. Wenn jemand hinfällt, hilft man sich hoch, erst dann geht es weiter.

Doch das spielerische Balgen hat heute ein Imageproblem. In Kindergarten und Schule wird jedwedes Gemenge schon per Hausordnung unterbunden, bei Jugendlichen schnell die Polizei gerufen und viele Erwachsene haben es sich größtenteils ohnehin abgewöhnt. Objektiv handelt es sich schließlich um Gewalt. Trotz der spielerischen Haltung aller Beteiligten ist es den meisten Außenstehenden zu aggressiv, zu gefährlich. Dabei ist das klassische Ringen, Rangeln, Raufen genau das Gegenteil.

Federn lassen oder Mausefalle

Der Pädagoge Wolfgang Beudels, Seniorprofessor an der Universität Koblenz, unterscheidet in einem Aufsatz von 2011 ganz klar zwischen einem Kampf im Streit und dem Rangeln im Spaß. Wer im Streit kämpft, befolgt demnach keine Regeln, hat einen Gegner oder eine Feindin, will dem anderen wehtun, ist wütend und beendet den Kampf erst, wenn er oder sie gewonnen hat beziehungsweise eine Person weint oder um Gnade fleht. Ganz anders beim verspielten Kampf: Hier stehen sich Freunde oder Partnerinnen gegenüber, die aufeinander aufpassen und einander nicht wehtun wollen, die aufhören, wenn jemand nicht mehr kann oder möchte. Beide Seiten sind auch nach dem Gerangel noch befreundet und lachen miteinander.

Beudels hat schon vor mehr als 20 Jahren mit einem Kollegen das Buch Wo rohe Kräfte sinnvoll walten veröffentlicht, in dem er Sportlehrkräfte, Vereinstrainerinnen und Therapeuten darin anleitet, Kindern und Jugendlichen das Raufspielen nahezubringen. Er beschreibt das Rangeln in dem Buch als ein „friedliches Gegeneinander“ sowie „kämpferisches Miteinander“, das von Regeln geleitet und voll von Empathie füreinander ist. Schon die Namen der Raufspiele und Übungen bereiten Freude. Sie heißen zum Beispiel Federn lassen, Mausefalle oderTangorandale. Es gibt klare Regeln, oftmals eine Schiedsrichterin – und Kinder wie Erwachsene lieben den Autoren zufolge die Körperlichkeit.

Balgerei oder echter Kampf?

Tatsächlich können Kinder und Jugendliche die beiden Arten zu kämpfen sehr wohl auseinanderhalten. Sie wissen, was böswillig ist und wehtut – und wie man freundschaftlich balgt. Das bezeugen Erhebungen aus den 1980er und 1990er Jahren. Kinder im Grundschulalter können demnach benennen, welche Verhaltensweisen auf einen verbissenen Kampf hindeuten und welche auf ein Spiel. Zeigt man ihnen Videos von Balgerei oder Kampf, erkennen sie, welche Aufnahme was beinhaltet, und können jeweils typische Anzeichen dafür erklären – schon Vierjährige waren dazu imstande. Uns Erwachsenen scheint dieser Sinn abhandengekommen zu sein. Allzu schnell gehen wir dazwischen, wenn sich zwei Kinder durch den Sandkasten jagen.

Eine häufige Furcht dabei: Aus dem Spiel könnte doch schmerzhafter Ernst werden. Dabei schlägt die Stimmung während eines solchen Balgens äußerst selten in einen richtigen Kampf um: Nur aus einem von hundert Spielkämpfen unter Grundschülerinnen und -schülern wird ein erbittertes Zanken, beziffern Forschende in The Handbook of the Study of Play.

Recht furchtlos sehen daher zahlreiche Fachkundige das Rangeln. Sie erkennen darin eher eine wichtige und lehrreiche Verhaltensweise, vor allem im Kindesalter. Das australische Forscherduo Jennifer StGeorge und Richard Fletcher schlägt beispielsweise in seinem Forschungsbericht 2020 vor, dass es mehr Studien zum Balgen geben sollte, um daraus psychosoziale Interventionen entwickeln zu können.

Springen wie Donkey Kong

Einige Einrichtungen hierzulande wissen mittlerweile um die Kraft des Raufens und nutzen sie bereits, um Kindern und Jugendlichen mit psychischen Problemen zu helfen. Karel Zimmermann, der als Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut in der Tagesklinik der Kinder- und Jugendpsychiatrie des Universitätsklinikums Köln arbeitet, schwört seit Jahren auf Kampfübungen: „Die Sporttherapeuten und ich weisen in unseren Elterntrainings darauf hin, wie wichtig Rangeln und Raufen sind. Wir empfehlen ihnen unser Übungsprogramm für zu Hause“, sagt Zimmermann. Der Kampf scheine ein Grundbedürfnis von Kindern zu befriedigen, und wenn Eltern das nicht stillten, würden die Kinder es selbst in die Hand nehmen, eben auch mal ungestüm.

Die körperliche Auseinandersetzung mit anderen stößt zudem die Beschäftigung mit dem eigenen Körper an. „Viele Kinder, die zu uns kommen, haben keine realistische innere Repräsentation ihres Körpers, wissen nicht, was sie können und was nicht, was ihre Grenzen und Fertigkeiten sind“, sagt Zimmermann. Vor einiger Zeit sei ein 12-Jähriger auf dem Klinikgelände im Spiel von einem vier Meter hohen Kletterturm gesprungen. Er habe das so bei dem Videospiel Donkey Kong gesehen und gedacht, er könne das auch.

In den Raufspielen lernen die Kinder sich und ihren Körper besser kennen. Zimmermann arbeitet vor allem mit Jungen und Mädchen mit ADHS. „Diese Kinder gelten als wild und unkontrollierbar, sie werden früh aus Spielgruppen ausgeschlossen und lernen dadurch erst recht nicht, sich zu beherrschen, Regeln zu beachten, zu gewinnen und zu verlieren“, erklärt er. Konflikte eskalierten dadurch schnell. Gerade bei diesen Kindern könnten Ringen, Rangeln und Raufen nach Regeln und mit Schiedsrichter wichtige Weichen stellen. In den Gruppen hat er immer wieder Erfolge beobachtet.

Spannung meines Gegenübers spüren

Davon kann auch der Sportwissenschaftler und psychoanalytisch-systemische Therapeut Till Thimme berichten. Er bietet seit Jahren Ringen, Raufen und Kämpfen in der Behandlung von Kindern und Jugendlichen in der Abteilung für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie der LVR-Klinik in Bonn an.

„Beispielsweise leben Kinder mit depressiver Erkrankung dabei auf und erfahren unter anderem Möglichkeiten, ihre Kräfte einzusetzen. Gleichzeitig erlebe ich auch Kinder, die impulsiv und hypermotorisch sind und nach dem Ringen und Raufen oftmals gesammelter, ausgeglichener wirken“, sagt er. Die spielerischen Kämpfe seien zwar nur ein kleiner Baustein in der Bewegungstherapie, die wiederum zur psychiatrischen Behandlung gehört, und die beschriebenen Effekte seien zunächst kurzfristig, doch aus eigener Erfahrung weiß Thimme, wie groß der Erfahrungsraum ist, den unter anderem auch die Kampfkunst bietet.

Thimme hat als 6-Jähriger mit Judo begonnen, dann als Jugendlicher jahrelang Karate und später weitere Kampfkünste aus Russland und Fernost praktiziert. „Ich lerne dabei so viel über mich und andere Menschen und über den Zusammenhang von Bewegung und Gesundheit“, sagt er. Dass diejenigen Therapeutinnen und Therapeuten, die Kampfkunst in der Behandlung nutzen, darin auch Erfahrungen haben, hält er für unabdingbar: „Nur wenn ich selbst weiß, wie es ist, um mein Gleichgewicht zu ringen, meine Spannung und die meines Gegenübers zu spüren, kann ich die Behandlung mit Kindern und Jugendlichen gut und sicher gestalten.“

Spielerisches Kräftemessen für Erwachsene

Das Thema „Therapeutisches Raufen“ sei beliebt, sagt Thimme. Workshops auf Fachtagungen seien gefragt und er habe stets den Eindruck, dass viele der Teilnehmenden solche Übungen auch in der Behandlung bereits anwenden. „Spielerisches Raufen und Kampf sind kein Standard in der psychiatrischen Therapie von Kindern und Jugendlichen, aber definitiv auch kein Nischenthema“, so seine Einschätzung.

Mittlerweile wollen auch Erwachsene wieder an dem kindlichen Raufspiel teilhaben und suchen jenseits von Judomatten und therapeutischen Settings körperliche Aufeinandertreffen. In mehreren Städten des Landes finden nun seit wenigen Jahren sogenannte Playfights statt – Erwachsene verabreden sich unter anderem in Berlin, Köln oder Stuttgart zum verspielten Raufen.

Diese Treffen lassen sich eher vergleichen mit einem Debattierklub. Dort rangeln zwei mithilfe von Argumenten und stichhaltigen Kommentaren – nicht um sich gegenseitig zu verletzen oder bloßzustellen, sondern um ihre intellektuellen Fähigkeiten zu messen. Nichts anderes ermöglichen Playfights, nur eben körperlich: Sie sind ein Kräftemessen. Ziel ist nicht, sich gegenseitig wehzutun, sondern gemeinsam die Rangelei zu erleben – vielleicht sogar zu genießen. Unfaire und schmerzhafte Elemente wie Kratzen, Beißen, Kneifen und auch hektische Manöver sind verboten. Niemand muss kämpfen, jede und jeder kann durch Ansage oder Abklopfen das Ringen sofort beenden – und muss es zugleich akzeptieren, wenn die andere Person nicht mehr möchte.

Balance von Kampf und Achtsamkeit

„Playfights sind eine Art Schutzraum, in dem Menschen ihre Kräfte spüren, ihre Sehnsucht nach Körperkontakt stillen oder einfach mal den Kopf freikriegen“, sagt die Psychologin Lea Walde, die in Frankfurt am Main „Achtsames Raufen“ in Gruppen anbietet. Diese Form des Balgens sei eine Mischung aus Kraft und Tanz. „Wie und wann sind die beiden Komponenten spielerischer Kampf und Achtsamkeit miteinander in Balance? Wenn der achtsame Anteil überwiegt, wird die Interaktion eher ein Tanz und die Teilnehmenden kommen weniger in ihre Kraft. Überwiegt jedoch die Raufkomponente, wird es schnell kompetitiv.“

Die Männer und Frauen lernten, eigene Grenzen zu spüren, aber auch die des anderen wahrzunehmen und zu respektieren. „In einer Gesellschaft, in der alles auf Wettbewerb ausgerichtet ist, wo es oft belohnt wird, sich über Grenzen anderer oder die eigenen hinwegzusetzen, da suchen die Menschen eine Möglichkeit, dem etwas entgegenzusetzen“, sagt Walde. Auch sei die Gesellschaft immer berührungsloser geworden, etwa durch die Coronapandemie. Entweder gebe es keinen Körperkontakt oder wenn doch, dann werde dieser sehr schnell sexualisiert. „Dabei gibt es etwas dazwischen, und das erfahren wir wieder in Playfights.“

"Aha, mein Gegenüber akzeptiert meine Grenzen!"

Lea Walde hat selbst vor einigen Jahren aus Interesse an einem solchen Spielkampftreffen teilgenommen und ging dann immer wieder hin. Eine Gruppe entstand, Walde hat sich mittlerweile in dem Feld professionalisiert. Ihr Wissen als ausgebildete Tanztherapeutin kann sie gut mit dem Kämpferischen verbinden. Heute bietet sie Playfights im 1:1 sogar als therapeutische Methode an.

„Die Klientinnen und Klienten haben ein konkretes Thema, mit dem sie sich in der Bewegung auseinandersetzen wollen, zum Beispiel eigene Grenzen“, berichtet die Psychologin. Im achtsamen Kampf müsse man die Grenzen des anderen sehen, eigene äußern und setzen können. Das sensibilisiere für die eigenen Bedürfnisse. „Ein Beispiel: Frauen fällt es oft schwer, nein oder stopp zu sagen. Im Playfight haben sie dann oft ein Aha-Erlebnis: ‚Ich darf das – und mein Gegenüber akzeptiert es.‘ Das gibt ihnen Selbstbewusstsein und Kraft, für sich einzustehen – auch im Alltag.“ Der Kampf steht bei Walde nie allein, sondern ist eingebettet in Gespräche. Darin wertet sie beispielsweise Gefühle aus, die im Kampf aufkamen. Denn der ist oft Ausdruck von inneren Themen.

Wellnessurlaub für die Seele

„Als Kinder hatten wir ein Mittel gegen seelische Unausgeglichenheit, das wir inzwischen längst vergessen haben: Rangeln.“ Auf diese Weise leitete vor einigen Jahren eine ernsthafte Männerstimme einen Beitrag in der Sendung Circus HalliGalli von Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf ein. Die beiden Moderatoren versuchten in ihrer Spaßsendung, ihnen fremde Menschen auf der Straße zum gemeinsamen Raufen zu animieren. Die Männerstimme im Off erklärte dazu ironisch: „Es ist an der Zeit, diesen Urinstinkt wiederzuerlangen und unserer Seele einen Wellnessurlaub zu buchen.“

Ein scherzhaft gemeinter Aufruf, der sich auch ganz seriös lesen lässt.

Quellen

Wolfgang Beudels: Ringen, rangeln, Kräfte messen: Wichtig für Jungs – und Mädchen. Erzieherin, 2011, Online: https://www.erzieherin.de/ringen-rangeln-kraefte-messen.html

Wolfgang Beudels: Ringen und Raufen – aber mit Respekt! Spielerische körperliche Auseinandersetzung als präventiver Weg gegen Gewalt. Kindergarten heute, 10, 2008

Wolfgang Beudels, Wolfgang Anders: Wo rohe Kräfte sinnvoll walten. Handbuch zum Ringen, Rangeln und Raufen in Pädagogik und Therapie. Borgmann 2001

Joseph Flanders u.a.: Rough-and-tumble play and the regulation of aggression: an observational study of father-child play dyads. Aggressive Behavior, 4/35, 2009, 285-295

James Johnson u.a.: The Handbook of the study of play, Band 2. Rowman & Littlefield 2015

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Jennifer StGeorge und Richard Fletcher: Rough-and-Tumble Play. Community in Childhood, Play. The Encyclopedia of Child and Adolescent Development, 16, 2020, 1–14

Jennifer StGeorg u.a.: Quality and Quantity: a study of father-toddler rough-and-tumble play. Journal of child and family studies, 30, 2021, 1275-1289

Frank Taherkhani: Spielerisches Raufen. Warum sich Männer vor rauflustigen Frauen fürchten. 2016, www.raufen.com

Till Thimme: Kampfkunst in der Kinder- und Jugendpsychiatrie – Praxiseinblicke in die bewegungstherapeutische Arbeit mit Budo-Disziplinen. Bewegungstherapie und Gesundheitssport, 1/33, 2017, 13-20

Till Thimme u.a.: Bewegung und psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen. Grundlagen – Störungsbilder – Therapie. Schattauer 2021

Guida Veiga u.a.: Rough-and-tumble play and the regulation of aggression in preschoolers. Early child development and care, 2020, Online-Version

Lea Walde: Achtsames Raufen. 2023, Homepage https://www.praxis-walde.com/playfight-frankfurt-achtsames-raufen

Karel Zimmermann: Erlebnispädagogische Ansätze und Methoden in der kinderpsychiatrischen Tagesklinik. In: Hubertus Deimel und Til Thimme (Hg.): Bewegungs- und Sporttherapie bei psychischen Erkrankungen des Kindes- und Jugendalters. Academia, 2021 (2. Auflage), 329-340

Dieser Artikel befindet sich in der Ausgabe: Psychologie Heute 12/2023: Intensiver leben