Stimmt so!

Unsere Stimme verrät viel über uns. Kein Wunder, dass viele Menschen sich eine „schönere“ Stimme wünschen. Doch was macht ein gutes Sprechtraining aus?

Die Illustration zeigt eine Frau mit einer Sprechblase, die aus ihrem Mund kommt, darin ist ein bunter Vogel, Schmetterling, Blumen und anderes
Wärmer, lauter, agiler, singender? Die Stimme kann man verändern, so wie man gerne wahrgenommen werden möchte. © Orlando Hoetzel für Psychologie Heute

Bei Alexander Weikmann, Stimmtrainer in der Nähe von Koblenz, beginnt das Coaching mit­unter auf der Yogamatte. Denn im entspannten Liegen lässt sich am besten wahrnehmen, wie der Körper den Atem bewegt, wie der Atem wiederum die Stimme erzeugt und wo diese Abläufe möglicherweise blockiert sind. „Die meisten meiner Klientinnen und Klienten wollen mehr Kontrolle. Dabei kontrollieren sie bereits sehr stark“, sagt Weikmann. Allerdings oft in einer Weise, die für Stimme und Sprechen eher hinderlich ist.

Die…

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stark“, sagt Weikmann. Allerdings oft in einer Weise, die für Stimme und Sprechen eher hinderlich ist.

Die meisten, die sich an Stimmtrainer Weikmann wenden, wollen souveräner und überzeugender sprechen, vor allem in herausfordernden beruflichen Situationen: bei Meetings, Präsentationen oder Vorträgen. Es sind Situationen, in denen man sich von seiner besten Seite zeigen will und eine klare und kraftvolle Stimme braucht. Sie soll weder zittern noch piepsig oder heiser klingen. Das Problem ist nur, dass sich eine überzeugende Stimme nicht einfach auflegen lässt wie eine Schicht Make-up.

Denn der Klang unserer Stimme und die Art, wie wir sprechen, beruhen auf alten Gewohnheiten, die bereits in früher Kindheit entstanden sind. „Ab einem Alter von drei Jahren lernen wir, uns stimmlich und sprecherisch an die Erwartungen unseres Umfelds anzupassen“, sagt Alexander Weikmann. So entwickeln sich Spannungs- und Bewegungsmuster, die sich dann im Laufe des Lebens immer weiter verfestigen.

Das betrifft nicht nur die Sprechorgane, an die man sofort denkt: Lippen, Zunge und Stimmlippen beziehungsweise Stimmbänder. Grundlegend ist auch die Atmung. Wer bei Anspannung beispielsweise im Bauch festhält, verhindert eine tiefe Atmung. Dann kann einem beim Sprechen schnell die Puste ausgehen. „Manche Menschen haben sich auch angewöhnt, die Luft nach dem Einatmen für einen Moment anzuhalten. Als wollten sie zunächst abchecken, ob es sicher ist, auszuatmen und zu sprechen“, sagt Weikmann.

Um solche Gewohnheiten zu ändern, brauche es mehr als zwei, drei Übungen für das Zwerchfell. „Wenn ich mich auf die Reise begebe, an meiner Stimme und meinem Sprechen zu arbeiten, dann komme ich nicht umhin, mich mit meinem Selbstbild, meinen sozialen Rollen und auch mit meinen, sagen wir mal, Schattenanteilen auseinanderzusetzen“, sagt Weikmann. Stimmtraining ist deswegen oft auch eine Selbsterfahrung. „Die Klientinnen und Klienten sollten offen dafür sein, dass sich da etwas bewegen kann. Es gibt ja Gründe dafür, dass ich mir bestimmte Dinge angewöhnt habe als Schutzmechanismen, die nun aber meine Kommunikation einschränken.“

Eine Stimme, die sagt ‚Jetzt reicht’s!‘

Im Vorschulalter sei die volle Expression noch da, das könne man auf jedem Kinderspielplatz hören, meint auch die Berliner Stimm- und Sprechtrainerin Christine Kugler. „Spätestens in der Schule gewöhnen wir uns dann Sachen an, die uns blockieren, wenn wir unsere Stimme entfalten wollen. Als Erwachsene benutzen wir meistens nur noch einen kleinen Teil unseres Spektrums an Tonhöhen.“

Zum Stimmtraining gehören deswegen auch Übungen, in denen das gesamte Spektrum der eigenen Stimme ausgelotet wird. Das kann eine überraschende Entdeckung sein, ein regelrechtes Schlüsselerlebnis. Denn die Stimme, die wir uns im Laufe der Jahre angewöhnt haben, ist auch ein Teil unserer Identität. Wer neue Töne anschlägt, entdeckt eine neue Seite an sich selbst, einen stimmlichen Bereich, den er oder sie bislang nicht mit der eigenen Person verbunden hat. Manchmal schreckten ihre Klientinnen und Klienten sogar zurück, erzählt Kugler, die seit mehr als 30 Jahren als Stimmtrainerin arbeitet: „An solchen Punkten findet oftmals ein Kontrollverlust statt. Manche sagen, das ist nicht meine Stimme, das gehört nicht zu mir.“

Frauen könnten beispielsweise durch Entspannung und tiefe Atmung auch sehr tiefe Töne in ihrer Stimme entdecken. Für viele eine ungewohnte Erfahrung, wie Kugler sagt. „Mit so einer Stimme könnte man auf den Tisch hauen und sagen: ‚Jetzt reicht’s!‘ Das würde ganz anders klingen als sonst. Aber traue ich mich überhaupt, mich so zu zeigen? Dann werde ich ja anders wahrgenommen, dann finden mich die Leute vielleicht gar nicht mehr so nett.“

Das Knarren von Britney Spears

Dass unsere Stimme viel mit unserem Selbstbild und unserem sozialen Umfeld zu tun hat und weniger als gedacht von den individuellen anatomischen Voraussetzungen abhängt, bestätigt auch der Kommunikationswissenschaftler und Psychologe Walter Sendlmeier, ehemaliger Direktor des Instituts für Sprache und Kommunikation an der Technischen Universität Berlin. „Das wird völlig überschätzt. Die Organe sind flexibel einsetzbar. Wir haben enorme Spielräume, über die Spannungszustände in der Muskulatur unsere Tonhöhe und Klangqualität zu beeinflussen.“

Ein Kind, das sprechen lernt, imitiert seine primären Bezugspersonen. Durch die Nachahmung übernimmt es neben Vokabeln und Grammatik auch eine bestimmte Sprechweise. Nicht zufällig klingen Töchter oft ähnlich wie ihre Mütter. „Später kommen andere Einflüsse hinzu, beispielsweise die Peergroup oder Idole, denen man die Stimme oder Sprechweise anpasst“, sagt Walter Sendlmeier.

Ein Beispiel sei der Trend zur creaky voice, auch vocal fry genannt: ein Knarren in der Stimme, wie es beispielsweise Britney Spears oder Kim Kardashian einsetzen und das sich in den letzten Jahren vor allem bei jungen US-Amerikanerinnen stark verbreitet hat.

Frauenstimmen mit Tiefgang

Eine andere gesellschaftliche Entwicklung, die indes subtiler ist: Frauen in Deutschland und anderen europäischen Ländern scheinen mit zunehmend tiefer Stimme zu sprechen. Diese Vermutung liegt nahe, wenn man sich etwa Schwarz-Weiß-Filme aus den 1950er und 1960er Jahren anschaut, in denen Frauen noch mit auffällig hohen Stimmen sprechen. Haben sich Frauen inzwischen von der betont femininen Stimme verabschiedet? Zu diesem Ergebnis kamen Forschende an der Universität Leipzig 2017. Sie analysierten Sprechproben von über 1300 Frauen und maßen eine durchschnittliche Tonhöhe von 168 Hertz – deutlich tiefer als die 200 bis 220 Hertz, die man bislang für Frauen gemessen hatte. Die Studie muss allerdings mit Vorsicht betrachtet werden: Die Teilnehmerinnen waren zwischen 40 und 79 Jahren und hatten daher möglicherweise schon altersbedingt tiefere Stimmen.

Eindeutiger ist das in den Radio- und Fernsehnachrichten. Die erste weibliche Nachrichtensprecherin im deutschen Fernsehen war Anne-Rose Neumann, die ab 1963 in der Aktuellen Kamera im Fernsehen der DDR sprach. Erst acht Jahre später trat Wibke Bruhns zum ersten Mal in den heute-Nachrichten auf. Dass eine Frau die schlimmen Nachrichten aus aller Welt verlas, stieß bei den Zuschauerinnen und Zuschauern zunächst auf Befremden. Auffallend ist, dass es damals ein ganz bestimmter Typ von Sprecherin war, der ans Mikrofon gelassen wurde: mit besonders tiefer Stimme. Offenbar mussten weibliche Sprecherinnen vor allem zu Anfang möglichst ähnlich wie ihre männlichen Kollegen klingen.

„Noch heute senken die meisten Frauen in den Nachrichten ihre Stimme um ungefähr eine kleine Terz ab“, hat Walter Sendlmeier beobachtet. Denn tiefere Stimmen werden weiterhin eher mit Kompetenz, Souveränität und Glaubwürdigkeit verbunden, was Befragungen immer wieder belegen. Doch inzwischen finden sich auch Sprecherinnen wie zum Beispiel Judith Rakers, die laut Walter Sendlmeier in einer mittleren Stimmlage um 200 Hertz spricht und in ihrer Zeit bei der Tagesschau bei den Zuschauenden besonders beliebt war.

Stimmtrainerin Christine Kugler warnt Frauen ausdrücklich davor, sich eine tiefe Stimme anzutrainieren. Wer die Stimme einfach nach unten drücke, um möglichst herb und männlich zu klingen, verliere leicht an Lebendigkeit. „Dann bin ich schnell in dieser Frequenz gefangen und traue mich nicht, den ganzen Spielraum auszukosten.“ Wer seine Stimme in eine bestimmte Tonlage zwinge, verliere an Ausdrucksmöglichkeiten, an Schwung und an Emotionalität. Und Zuhörerinnen und Zuhörer merken schnell, dass eine Stimme aufgesetzt ist.

Dauerlächeln als soziale Maske

Eine andere soziale Maske, die viele Frauen verwenden, ist das Dauerlächeln. Christine Kugler beschreibt ihre, wie sie sagt, „Lieblingsübung“: Dabei fordert sie eine Gruppe von Frauen auf, sich im Raum aufzustellen. Die Frauen sollen die anderen ansehen, gesehen werden und weiter atmen – ohne dabei zu lächeln. „Es fällt vielen Frauen sehr schwer, diese Übung durchzuhalten. Aber wenn das gelingt und diese Maske fällt, dann sehe ich zum ersten Mal ein entspanntes Gesicht, also das eigentliche Gesicht dieser Frau.“ Wenn das Dauerlächeln wegfalle, entspanne sich auch die Stimme. Für Kugler ist klar: „Eine schöne Stimme ist für mich eine Stimme, die etwas Echtes, Ehrliches transportiert, auch Gefühle.“

Denn wir sind es gewohnt, aus der Stimme unseres Gegenübers viele Informationen über seine Persönlichkeit zu erfahren. Und liegen damit häufig gar nicht so falsch. „In mehreren Untersuchungen konnten wir zeigen, dass Menschen anhand von Stimme und Sprechweise sehr gut beurteilen konnten, wie extravertiert und emotional stabil ein Sprecher oder eine Sprecherin war“, sagt Walter Sendlmeier. Dazu wurden den Teilnehmenden Sprechproben verschiedener Menschen vorgespielt. Wie sie anschließend die Persönlichkeit der Sprecherinnen und Sprecher beurteilten, stimmte deutlich mit deren Selbsteinschätzungen überein.

Doch wie sie zu diesen Beurteilungen kamen und an welchen akustischen Merkmalen sie diese festmachten, konnten die Hörenden kaum erklären. Also unternahmen Sendlmeier und seine Mitarbeitenden verschiedene Messungen. Sie stellten fest, dass extravertierte Menschen deutlicher artikulieren, schneller sprechen und auch lauter. Doch vor allem haben sie eine größere Variationsbreite in der Lautstärke, in der Tonhöhe und der Sprechgeschwindigkeit. Ihre Sprechweise ist lebendiger.

Ein Einblick in die inneren Werte

Bei Menschen, die von sich selbst und anderen als emotional stabiler eingeschätzt werden, beobachteten Sendlmeier und sein Team bei der Analyse im Spektrogramm klarere Strukturen. „Die Resonanzbereiche der einzelnen Sprachlaute sind prägnanter und deutlicher voneinander abgegrenzt“, erklärt Sendlmeier. Die Resonanzen sind klarer zu hören und zu erkennen. Grund dafür ist, dass die Schallwellen im Mund- und Rachenraum auf schallhärtere Wände stoßen. Das heißt, dass etwa die Spannung der Wangen bei emotional stabileren Menschen etwas größer sein muss, wenn sie sprechen.

Die Kommunikationswissenschaftlerin Anabell Hacker von der Technischen Universität Berlin hat im Rahmen ihrer Doktorarbeit verglichen, was wichtiger ist, wenn wir andere Menschen beurteilen – Stimme oder Gesicht? In einer Studie ließ sie die Probanden und Probandinnen die Fotos und Sprachaufnahmen von 31 Frauen nach Attraktivität, Sympathie und Persönlichkeitsmerkmalen beurteilen. Anschließend kombinierte sie dann die Bilder und Sprechproben neu und setzte beispielsweise die attraktivsten Gesichter mit den am wenigsten attraktiven Stimmen zusammen und umgekehrt. Diese fiktiven Personen ließ sie erneut beurteilen.

Das Ergebnis: Bei der Bewertung der Attraktivität hat das Gesicht einen dreimal so großen Einfluss wie die Stimme. Doch um zu beurteilen, wie sympathisch jemand ist, sind Stimme und Sprechweise doppelt so wichtig wie das Gesicht, bei der Persönlichkeit sogar bis zu viermal so wichtig. „Wir bewerten andere Menschen immer nach beidem, ihrem Gesicht und ihrer Stimme. Aber wenn es um die Beurteilung der inneren Werte eines Menschen geht, verlassen wir uns vor allem auf die Stimme“, fasst Anabell Hacker das Ergebnis zusammen.

Die Angst in der Stimme

Gleiches gilt für Emotionen. Der Psychologe Michael Kraus von der Yale University empfiehlt sogar, öfter mal die Augen zu schließen. Denn wer hinhört, ohne sich von Äußerlichkeiten ablenken zu lassen, könne am besten einschätzen, wie sich der andere fühlt. In mehreren Experimenten ließ Kraus Versuchspersonen mit Unbekannten kommunizieren und sie anschließend emotional beurteilen. Der Trick: Teilweise konnten sich die Beteiligten dabei sehen, teilweise fanden die Gespräche im Dunkeln statt. Und tatsächlich konnten die Teilnehmenden die Stimmung ihres Gegenübers besser einschätzen, wenn sie nicht von dessen Mimik abgelenkt waren.

Denn Emotionen übertragen sich direkt auf unsere Stimme. „Bei einer größeren Erregung verändert sich unwillkürlich der Muskeltonus. Das können wir nicht unterdrücken“, sagt Sendlmeier. Zum Beispiel bei Ärger: Unwillkürlich spannen sich die feinen Muskeln im Kehlkopf stärker an. Je gespannter die Stimmlippen sind, desto schneller schwingen sie, die Stimme wird höher. Auch der Stimmklang ändert sich. Weil die Stimmlippen am Ende eines Tones schneller schließen, wird die Energie in den höheren Obertönen verstärkt. Die Stimme klingt angespannter, aggressiver und voller.

Und natürlich ist auch Angst deutlich in der Stimme zu hören. „Kennen Sie die Redewendung, dass es einem vor Angst die Kehle zuschnürt?“, fragt Walter Sendlmeier. Das beschreibe sehr treffend, wie es im Rachen eng wird, wenn wir uns fürchten. Auch die Atmung kann dann nicht mehr richtig fließen, was die Anspannung noch verstärkt. Über die Stimme überträgt sich diese Anspannung sogar auf das Gegenüber. Längeres Zuhören könne dann geradezu körperlich anstrengend werden, schreibt Sendlmeier in seinem Buch Sprechwirkungsforschung.

Wehrlos ausgeliefert?

Auch Stress wirkt sich auf die Stimme aus, wie Psychologinnen und Psychologen der Universität des Saarlandes nachweisen konnten. In einer Studie ließen sie sich von berufstätigen Probanden täglich nach der Arbeit eine Sprachnachricht schicken. Die Auswertung der Nachrichten ergab, dass diejenigen, die am Tag Stress erlebt hatten, auch messbar schneller, lauter und höher sprachen. Die Forschenden schlagen vor, die Stimme als eine Art Warnsystem zu nutzen. Denn ein erhöhter Alltagsstress war sogar dann messbar, wenn er den Versuchspersonen selbst noch gar nicht bewusst war.

Sind wir also unserer Stimme wehrlos ausgeliefert? Stimmtrainerin Christine Kugler winkt ab: „Oft geht es gar nicht um die Stimme.“ Klientinnen und Klienten, die überzeugender auftreten wollen, lässt sie gerne an einem Rednerpult eine kurze Präsentation halten, um einige grundsätzliche Dinge zu beobachten: Nimmt sich die Person genügend Zeit, bevor sie mit dem Vortrag beginnt? Steht sie aufgerichtet da? Ist sie in Kontakt mit ihrem Publikum? Atmet sie? Legt sie Sprechpausen ein? Diese Dinge ließen sich gut üben und schneller umsetzen als die tatsächliche Arbeit an der Stimme und Sprechweise, so Kugler.

Schütteln gegen Auftrittsstress

Andererseits sollte man den großen Einfluss, den Gedanken und Gefühle auf die Stimme haben, ernst nehmen. „Die Stimme folgt unseren Gedanken und Gefühlen. Deshalb sollte ich in stressigen Situationen vor allem dafür sorgen, dass es mir gutgeht.“ Kugler arbeitet nach der Methode der renommierten Stimmbildnerin Kristin Linklater. Dabei geht es nicht darum, während des Sprechens die eigene Stimme zu hören und zu kontrollieren, sondern vielmehr von innen nach außen zu wirken: „Höre nicht auf das Klangergebnis, sondern achte auf das Klangerlebnis, und deine Stimme sortiert sich.“

Kugler rät deswegen zu einem Warm-up vor herausfordernden Sprechsituationen. „Ich schüttle mich und atme tief, ich richte mich auf und öffne meine Räume. Schauen Sie mal auf die Hinterbühne eines Theaters kurz vor der Vorstellung. Da sieht es aus wie im Tollhaus.“ Wer solche Übungen nicht unbedingt mitten auf dem Büroflur ausführen möchte, zieht sich auf die Toilette zurück. Es gehe darum zu entspannen: vom Kiefer über die Zunge bis zu Schultern und Nacken.

Stimmtraining mit zwei Pralinenschachteln

Genauso wichtig: Was spielt sich in meinem Kopf ab? Wenig hilfreich sind etwa Gedanken, die einen unter Druck setzen. Besser ist, sich der eigenen Absichten bewusstzuwerden. „Ich sollte mich fragen: Warum tue ich mir das eigentlich an? Im besten Fall stehe ich hinter dem, was ich vortrage. Es sollte um mein wertvolles Wissen gehen, an dem ich die anderen teilhaben lasse“, sagt Christine Kugler.

Sie arbeitet im Stimmtraining mit zwei Pralinenschachteln: mit einer sehr billigen und einer sehr edlen Sorte. Die Übung verdeutlicht, wie sehr der Wert, den man seinen eigenen Worten beimisst, auch die Stimme und Sprechweise beeinflusst. „Die billigen sind eine widerliche Zuckerpampe, die ich eigentlich niemandem anbieten möchte. Wenn ich beim Sprechen so über das denke, was ich anzubieten habe, dann werde ich auch so klingen. Wenn ich dagegen etwas Wertvolles wie diese kostbaren Pralinen anzubieten habe, mein Wissen, meine Erfahrung, dann stehe ich ganz anders da. Vielleicht mögen die Leute keine Schokolade. Aber ich weiß, was ich dabei habe.“ – Und so klingt die Stimme dann auch.

Quellen

Michael W. Kraus: Voice-only communication enhances empathic accuracy. American Psychologist, 72/7, 2017, 644–654

Anabell Hacker: Attraktivität, Sympathie und Persönlichkeit – Relevanz von Stimme und Gesicht. Logos (im Druck)

Walter Sendlmeier: Sprechwirkungsforschung. Grundlagen und Anwendungen mündlicher Kommunikation. Logos 2019 (3., überarbeitete Auflage)

Markus Langer u.a.: Vocal-stress diary: A longitudinal investigation of the association of everyday work stressors and human voice features. Psychological Science, 33/7, 2022, 1027–1039

Martin Berg u.a.: The speaking voice in the general population: Normative data and associations to sociodemographic and lifestyle factors. Journal of Voice, 31/2, 2017, 257.e13–257.e24

Dieser Artikel befindet sich in der Ausgabe: Psychologie Heute 9/2024: Meine Grenzen und ich