Die Karte war weiß, und es standen nur vier Wörter darauf: Ich denke an euch. Als Birgit Schmid um ihren Sohn Louis trauerte, den sie in der 33. Schwangerschaftswoche tot zur Welt gebracht hatte, war diese schlichte Karte von allen Beileidsbekundungen die tröstlichste. Wobei das Wort „tröstlich“ genau genommen nicht passt.
„Akute Trauer ist ein Messer, das einem in die Brust gerammt wird, da gibt es keinen Trost“, schreibt Schmid, Feuilletonredakteurin der Neuen Zürcher Zeitung, in ihrem Buch Schönheit der…
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Trost“, schreibt Schmid, Feuilletonredakteurin der Neuen Zürcher Zeitung, in ihrem Buch Schönheit der Trauer. Und doch gibt es hilfreiche Gesten: ein Satz, der ehrliche Anteilnahme ausdrückt; ein Topf mit Essen vor der Tür; eine Hand auf dem Rücken; eine Freundin, die einfach da ist und zuhört und auch am nächsten und übernächsten Tag wiederkommt.
Trosterfahrungen von klein auf
Trost klingt nach Aufrichtung und Linderung, nach etwas, was den Schmerz aushalten lässt und darüber hinweghilft. Ein Kind fällt von der Schaukel, schlägt sich das Knie auf. Mama eilt herbei, nimmt das Kind in den Arm, spricht beruhigende Worte, versorgt die Wunde, pustet, singt vielleicht Heile, heile Gänschen. Und bald darauf lacht das Kind wieder und spielt weiter. Ein schönes, ein beruhigendes Bild. Das Urbild von Trost.
Die Erfahrungen, die wir von klein auf mit dem Getröstetwerden machen, fügen sich zu einer „Trostgeschichte“ zusammen, schreibt die Psychotherapeutin Irmtraud Tarr in ihrem Buch Trösten – der Seele gut tun. Davon hängt ab, wie wir mit unserem eigenen Kummer und dem anderer umgehen. Hat uns als Kind jemand liebevoll gehalten, lernen wir, uns später selbst zu beruhigen, wenn uns ein Misserfolg, eine Kränkung oder ein Verlust schmerzt. Fehlt uns die Erfahrung, aufgemuntert und getröstet zu werden, tun wir uns als Erwachsene womöglich schwer damit, uns oder anderen in schwierigen Momenten etwas Gutes zu tun.
Die Hand der Mutter
Was spendet Trost? Dieser Frage ging eine Gruppe von Studierenden der Fachhochschule Potsdam im Rahmen einer qualitativen Studie nach. Sie befragten Kinder in Kitas und Schulen nach möglichen Trostfiguren und Menschen in Seniorenheimen nach Erinnerungen an Trost. Es ging ihnen um Geschichten, aus denen sich vielleicht ein roter Faden spinnen lassen würde.
„Mein Trostwesen wäre ganz in warmen Farben und würde Spuren hinterlassen in meinem Kopf und in meinem Herzen und in meinem Körper“, lautete die Antwort eines Kindes. „Ich spüre die Hand meiner Mutter, wenn ich an Trost denke. Meine Mutter hat mir, wenn es ganz schlimm wurde, immer ihre Hand angeboten, die ich auf meinen Kopf legen konnte“, berichtete ein Mann in einem Seniorenheim. „Morgens zum Frühstück brennen bei mir Kerzen, das ist unerlässlich. Kerzenlicht vermittelt mir ein wohliges Gefühl – und ich deute es auch als Trost für mich im Alleinsein“, erzählte eine 70-Jährige, die schon lange unfreiwillig allein lebt und sich vom Wunsch, einen Lebenspartner zu finden, verabschiedet hat.
Aus den Antworten wird deutlich: Trost ist nichts Kognitives. Trost ist eine sinnliche Erfahrung. „Wer niedergeschlagen ist, hat keine Energie. Trost bewirkt eine Zufuhr von Energie. Wer Trost findet, gewinnt neues Vertrauen in sich und andere“, so der Philosoph Wilhelm Schmid. Obwohl das ermutigend klingt: Wir können uns nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir nur dann wirklich trostbedürftig sind, wenn uns etwas aus der Bahn wirft. Natürlich sehnen wir uns nach einem harten Arbeitstag, einer harschen Kritik oder einer aufwühlenden Auseinandersetzung danach, aufgemuntert zu werden, und rufen vielleicht eine Freundin an: „Kannst du mich mal bitte trösten?“
Raum zum Jammern, Klagen, Schimpfen
Doch Trost im Wortsinn ist nur dann gefragt, wenn wir etwas Schmerzliches erleben, das wir nicht schnell wegwischen können. Wer nach Büchern zu Trost sucht, landet unweigerlich bei den existenziellen Themen wie Tod, Trauer und Verlust. „Wenn Menschen sich untröstlich fühlen, sind sie erschüttert, bestürzt, niedergeschlagen. Meist haben sie den Zugang zu ihren Empfindungen, ihrer Lebendigkeit verloren und fühlen sich leer. Trost bedeutet zunächst, Zeit und Raum zu geben. Raum zum Jammern, Klagen, Schimpfen“, sagt die Hamburger Psychotherapeutin Heide Gerdts.
Platzt eine lange geplante Reise wegen eines Beinbruchs, ist das frustrierend und enttäuschend. Mit ein paar guten Büchern auf der Liege im Garten und Besuch von Freunden können wir uns darüber hinwegtrösten. Wenn die Freundin zum dritten Mal eine Verabredung absagt, sind wir zu Recht sauer und gekränkt und brauchen eine Aufmunterung, am besten von jemandem, der gemeinsam mit uns schimpft und sagt: „Das kann sie doch nicht bringen. Das ist doch unmöglich!“ Danach sieht die Welt meist schon wieder anders aus.
Doch was, wenn etwas geschieht, das endgültig scheint oder ist? Wenn eine niederschmetternde Diagnose alle Pläne zunichtemacht? Wenn der Job überraschend gekündigt wird? Wenn die erste große Liebe endet und es einem so vorkommt, als sei soeben die Welt untergegangen? Wenn der Partner plötzlich ohne vorherige Anzeichen von Krankheit stirbt? Dann erscheint Trost zunächst unmöglich.
Als ihr Mann Klaus eines Tages zusammenbrach und der Notarzt ihn nicht wiederbeleben konnte, war Regina Schröder, die eigentlich anders heißt, monatelang buchstäblich untröstlich. Sie fühlte sich in einen völlig fremden Lebensraum geschlossen. „Mein Lebensboot, in dem ich so viele Jahre mit ihm gesessen habe, war gekentert, ich wurde herausgeschleudert und fand mich in einem kalten, brutal leeren Raum. Darauf war ich überhaupt nicht vorbereitet.“ Eine Kollegin kam am nächsten Tag mit einer Suppe vorbei. „Sie hat gar nichts gesagt, war einfach da. Mehrere Menschen haben das gemacht, das hat mir Halt gegeben, aber ich hätte es niemals Trost genannt.“
Trösten ist in uns verankert
Die Fähigkeit, mitfühlend da zu sein, zu beruhigen und Trost zu spenden, gehört zu unserem evolutionären Erbe. „Menschen sind prädestiniert, auf Leidensäußerungen von Artgenossen, insbesondere auf die von Kindern, sensibel zu reagieren“, schreibt der Gestalttherapeut Frank-M. Staemmler in seinem Buch Resonanz und Mitgefühl: Wie Trost gelingt.
Auch Tiere trösten sich gegenseitig. Wenn zum Beispiel Präriewühlmäuse mitbekommen, dass ihre Artgenossen in einer massiven Stresssituation sind, laufen sie schnell zu ihnen und pflegen deren Fell besonders gründlich. Ein Team um den Neurowissenschaftler J.P. Burkett konnte nachweisen, dass diese Form der Zuwendung sowohl bei den Tieren in Aufruhr als auch bei den „tröstenden Tieren“ dazu führt, dass weniger Stresshormone ausgeschüttet werden.
Als Menschen spüren wir spontan und intuitiv den Impuls, jemandem, der in Not ist, zu helfen. Trost ist ein Ausdruck unserer Fähigkeit, emotional mit anderen mitzuschwingen, uns vorstellen zu können, wie es in ihnen aussehen mag. Die Fähigkeit zu trösten ist in uns verankert.
Zu allen Zeiten und in allen Kulturen haben Menschen Rituale entwickelt, die Trost spenden sollen: Klagerituale, Übergangsrituale, Trauer- und Abschiedszeremonien, Gebete. Trost zu geben war früher Aufgabe von öffentlichen Einrichtungen wie der Kirche und Gemeinde, aber auch der Sippe oder Familie, so die Psychotherapeutin Irmtraud Tarr. Heute seien an ihre Stelle professionelle Helfer, Freunde und Wahlverwandte getreten. „Deren Motivation ist mehr auf Gefühl und Freiwilligkeit gegründet. Es gibt keinen Anspruch mehr auf Trost.“
In ehrlicher Anteilnahme
Mit der Auflösung vieler gemeinschaftlicher Rituale ist uns auch das Wissen abhandengekommen, wie wir uns in schmerzlichen Situationen verhalten sollen. Wir tun uns schwer mit tröstenden Worten oder Gesten. Wie reagieren, wenn das Kind des Kollegen einen Unfall hatte, die Schwester eine Krebsdiagnose erhalten hat oder eine Tennisfreundin Insolvenz anmelden musste? Viele sind dann verunsichert, wissen nicht, wie sie sich verhalten sollen, stammeln verlegen herum oder setzen sich unter Druck, etwas Bedeutungsvolles oder besonders Hilfreiches zu sagen – und bleiben am Ende stumm, aus lauter Angst, etwas falsch zu machen.
Doch um Trost zu spenden braucht man kein spezielles Wissen und auch kein besonderes sprachliches Talent. Es kommt vor allem auf die innere Haltung an. Die Basis für echte emotionale Unterstützung ist ehrliche Anteilnahme. Zu diesem Ergebnis kam ein Forscherteam um den Sozialpsychologen Nicholas Epley in einer aktuellen Studienreihe der University of Chicago.
Im ersten Schritt baten die Forschenden 100 Studienteilnehmer, einer ihnen nahestehenden Person, die gerade ein Problem hatte, ihre Hilfe anzubieten. In der zweiten Runde lautete die Aufforderung, ein Hilfsangebot an einen eher flüchtigen Bekannten aus dem Studium zu schicken. Beim Verfassen der zweiten Nachricht waren sich die meisten sehr unsicher. Die Empfänger reagierten jedoch durchweg positiv, egal ob die Verbindung eng oder oberflächlich war.
Die Forscherinnen und Forscher gehen von einem Missverständnis aus. Während Betroffene vor allem warmherzige, echte Anteilnahme schätzten, hätten Helfende das Gefühl, kompetente und nützliche Unterstützung anbieten zu müssen. Laut den Autoren der Studie unterschätzten die Probanden und Probandinnen systematisch, wie positiv jede Form von Beistand ankommt. Es geht nicht darum, eine Lösung anzubieten. Im Zweifelsfall genügt ein Satz wie: „Ich weiß gerade gar nicht, was ich sagen soll, aber ich bleibe jetzt bei dir und koche uns erst mal einen Tee.“
Wo ist er jetzt?
Die Psychotherapeutin Luise Reddemann beklagte in einem Interview mit der Filmemacherin Christa Spannbauer, dass Forschungsergebnisse zum Thema Trost kaum vorhanden seien: „Die Meinung, dass in der Psychotherapie alles wissenschaftlich begründet sein müsse, hat dazu geführt, dass man sich um den Trost nicht gekümmert hat.“ In der therapeutischen Literatur taucht der Begriff Trost fast gar nicht auf und wenn, dann nur in Verbindung mit Trauerbegleitung.
„Doch nichts und niemand sollte uns daran hindern, dass wir uns mitmenschlich zugewandt und freundlich verhalten. Trost bedeutet zunächst einmal, anzuerkennen, dass jemand leidet. Mit Leiden tun wir uns in unserer Gesellschaft schwer. Wir halten es uns vom Leib. Aber damit tun wir uns keinen Gefallen.“
Für die Witwe Regina Schröder ging es in den ersten Wochen darum, nicht überflutet zu werden von den drängenden Fragen in ihrem Kopf: Wer bin ich jetzt noch ohne den geliebten Menschen, den ich verloren habe? Warum ist uns das passiert? Warum fühlt es sich so an, als ob mir alles genommen wurde? Was ist überhaupt Tod? Wo ist Klaus jetzt? Was passiert mit seiner Seele?
„Ich habe Halt gebraucht, hätte aber nicht mal danach fragen können. Es gab glücklicherweise Menschen, die das gespürt und mir Halt angeboten haben.“ Eine Freundin ging regelmäßig mit ihr spazieren, eine andere mit ihr auf Friedhöfe, half ihr, für die Trauerfeier Dinge aus der Natur zu finden.
Ritual und Sinnlichkeit
Um Trost zu finden, könne es hilfreich sein, sich zu fragen: Was hat in der Vergangenheit gewirkt? Was und wer stabilisiert mich in meinem Alltag? Wie kann ich wieder an etwas anknüpfen, das mir Sinn gibt? Kann ich vielleicht Rituale aus alten Traditionen übernehmen? Das rät die Psychotherapeutin Heide Gerdts.
In ihrer Trauer hätte sich Regina Schröder eigentlich gern an der Religion festgehalten. „Die christlichen Rituale waren mir vertraut und haben mir früher auch etwas gegeben, aber für den abgrundtiefen Schmerz, der mich erfasst hatte, waren sie zu schwach.“ Gemeinsam mit einem Bestattungsteam entwickelte sie eigene Ideen für die Trauerfeier, bemalte die Urne, stellte große Poster mit Naturbildern auf. Auf allen war Sonnenlicht zu sehen. Das war ihr wichtig.
„Es war gut, kein festes Ritual zu haben, sondern alles neu zu erfinden, selbst zu gestalten, es mit anderen zu teilen und in jedem einzelnen Schritt Halt zu finden.“ Im Prozess des Abschieds hatte sie intuitiv den Impuls, ihr Schlafzimmer wie eine Höhle zu gestalten, mit fließenden Stoffen in lichten Farben.
Viele, die etwas Erschütterndes erlebt haben, machen die Erfahrung, dass sinnliche Erfahrungen wie Schönheit beruhigen und trösten können: ein schöner kraftspendender Ort in der Natur, ein Baum im Park, eine Bank an einem See, eine bestimmte Farbe, ein Duft, eine Berührung, eine Umarmung, eine angenehme Stimme, ein gemütlicher Raum, ein gutes Essen. Ein Bild im Museum betrachten oder selbst eins malen. In eine kunsttherapeutische Gruppe gehen und den Schmerz ausdrücken mit Ton, Holz, schwarzer Tusche oder Ölfarben. Das alles kann Trost spenden.
Das ungetröstete Kind
Die Psychotherapeutin Luise Reddemann bietet ihren Patientinnen und Patienten an, sich vorzustellen, sie nähmen sich selbst tröstend in den Arm. „Ich sage ihnen: Stellen Sie sich das unglückliche und ungetröstete Kind in Ihnen vor und dass Sie dieses kindliche Ich liebevoll umarmen. Die erwachsene Person spricht mit dem kindlichen Anteil. So kann sich der eine Teil liebevoll um den anderen kümmern. Das kann man ausprobieren.“ Sich einen sicheren Ort vorzustellen, an dem man sich geborgen und aufgehoben fühlt, und diesen Ort in der Fantasie immer wieder aufzusuchen könne ebenfalls tröstlich sein.
Auch Schreiben ist für viele heilsam. Wieder das Tagebuch aus der Schublade holen, ihm rückhaltlos alles anvertrauen, sich den großen oder kleinen Kummer von der Seele schreiben. Sich darüber klarwerden: Was ist belastend in dieser Situation? Was möchte ich loslassen? Wenn schon etwas Distanz da ist, das Erlebte aus einer anderen Perspektive beschreiben. Vielleicht als Komödie statt als Drama. Oder einen anderen Ausgang der Geschichte erfinden.
"In jeder Krise liegt eine Chance"
Auch wenn wir vieles tun können, uns selbst zu trösten: Die Erfahrung, nicht allein zu sein, ist ein wesentliches Element von Trost. Doch sie ist nicht mehr selbstverständlich. Viele erleben ihr Schicksal heute nur noch individuell. Es kann tröstend sein zu sehen, dass es auch noch andere gibt, denen es ähnlich ergeht. Das erklärt auch den Erfolg von Selbsthilfegruppen. Weil niemand sich rechtfertigen muss. Weil es guttut zu merken, dass man nicht allein ist mit dem Schmerz, dass jetzt alle Kinder aus dem Haus sind oder sich mancher Lebenstraum nicht erfüllt hat.
Wer gerade niedergeschlagen ist, fühlt sich durch Sätze wie „Kopf hoch, wird schon wieder“, „Schau doch mal nach vorn“ oder „In jeder Krise liegt eine Chance“ unverstanden. Solche gutgemeinten Sätze sind schmerzhaft und geben das Gefühl, nicht ernst genommen zu werden. Auch Ratschläge wie „Sei froh, dass du den Typen los bist“ oder „Du musst jetzt dein Leben genießen“ fühlen sich eher an wie Schläge. Denn selbst wenn der Partner schwierig war, ist es doch ein Verlust, wenn die Beziehung vorbei ist.
Geheimrezept für erfolgreiches Trösten
Obwohl sich mitunter benennen lässt, welche Trostangebote wenig hilfreich oder sogar verletzend sind, gibt es zeitgleich keine Technik des „erfolgreichen Tröstens“. Denn jeder Mensch reagiert auf eine schmerzhafte Erfahrung ein wenig anders. Manche werden eher hyperaktiv, entwickeln Schlafstörungen, versuchen, sich mit Alkohol und anderen Drogen zu beruhigen.
Sie brauchen vielleicht jemanden, der ihre Hand hält, ihnen hilft, ruhig und tief zu atmen. Andere werden kraftlos und können sich zu nichts mehr aufraffen. Da kann es helfen, gemeinsam in den Wald zu gehen, einen Baum anzubrüllen und den Frust über die Kündigung oder die Affäre des Partners rauszulassen.
Die Auswahl von möglichen Trostangeboten ist vielfältig. Wer sich mit Reden schwertut, bietet als Beistand vielleicht an, bei Behördengängen oder der Gartenarbeit zu helfen. Wichtig ist, etwas Konkretes verlässlich anzubieten und nicht zu sagen: „Melde dich, wenn du etwas brauchst.“ Denn damit ist jemand, der gerade trostbedürftig ist, überfordert. Deutlich besser ist es dagegen zu sagen: „Ich habe zwei Karten für das Orgelkonzert am Samstag. Kommst du mit?“ Das Leben gerät aus den Fugen, wenn etwas Deprimierendes passiert. Auch Musik kann helfen, wieder in einen Rhythmus und in eine neue Balance zu finden.
Akzeptierend, geduldig und zugewandt
Wer bei Kummer unterstützen möchte, sollte sich davon freimachen, mit seinen Angeboten unbedingt etwas bewirken zu wollen, und bei allem Mitgefühl auch auf die eigenen Grenzen achten, meint Heide Gerdts. Einerseits sei es wichtig, akzeptierend, geduldig und zugewandt zu sein. Andererseits ist Weinen in Endlosschleife auch nicht heilsam.
Wenn die Tochter aus ihrem Liebeskummer gar nicht mehr herausfindet, bringt es mehr, eine Rollertour vorzuschlagen oder einen Spaziergang und sich erst am nächsten Tag wieder dem Kummer zuzuwenden. Hört der Freund nicht auf, darüber zu klagen, wie sehr ihm Arbeit und Kontakte fehlen, seit er in Rente ist, hilft es, ihm zu sagen: „Los, wir gehen jetzt mal zum Verein XY. Die suchen Leute wie dich.“
Trost hat viele Gesichter. Manchmal geht es nur um mitfühlendes Zuhören oder einen liebevollen Blick und manchmal braucht es eine beherzte Aktion.
Quellen
Frank Staemmler: Resonanz und Mitgefühl: Wie Trost gelingt. Klett Cotta 2021
Klaus Schäfer: Trösten - aber wie?: Ein Leitfaden zur Begleitung von Trauernden und Kranken. Friedrich Pustet 2019 (5. Auflage)
Birgit Schmid: Schönheit der Trauer. Echtzeit 2022
Petra Sutor: Trauer am Arbeitsplatz: Sprachlosigkeit überwinden - Fürsorgepflicht wahrnehmen - Trauerkultur entwickeln. Patmos 2020
Irmtraud Tarr: Trost – Die Kunst, der Seele gutzutun. Herder 2007
Christa Spannbauer: Zum Mitgefühl gehört auch das Lachen. Gespräch mit der Traumatherapeutin Luise Reddemann über die Quellen von Trost und Empathie. www.christa-spannbauer.de/luise-reddemann/, 2019